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Würzburg
Erste Frauenmilchbank in Unterfranken: Wie Mütter für andere Frühgeborene ihre Muttermilch spenden
Sie ist wertvoller als künstliche Babynahrung, doch manche Mütter haben für ihre Säuglinge keine eigene Milch. Die Würzburger Uni-Kinderklinik baut nun eine Spenderbank dafür auf.
Muttermilch aus dem Gefrierschrank: In kleinen Fläschchen kann die gespendete Muttermich bis zu einem Jahr lang aufbewahrt werden.
Foto: Silvia Gralla | Muttermilch aus dem Gefrierschrank: In kleinen Fläschchen kann die gespendete Muttermich bis zu einem Jahr lang aufbewahrt werden.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 19.11.2024 02:42 Uhr

Das ist in Unterfranken bisher einmalig: An der Kinderklinik des Würzburger Uniklinikums gibt es jetzt eine eigene Frauenmilchbank. Dort können Frauen überschüssige Muttermilch spenden. Diese wird dann nach strengen Vorgaben für die Versorgung von Frühgeborenen genutzt, deren Mütter selbst nicht sofort stillen können.

Direktor der Uni-Kinderklinik hält Muttermilch für "erste Wahl"

Klinikdirektor Prof. Christoph Härtel verweist auf den großen Wert von Muttermilch für Säuglinge: "Sie stärkt die Immunabwehr, die Organreifung und die Entwicklung des Gehirns." Bei Frühgeborenen solle möglichst frühzeitig mit der Muttermilchernährung begonnen werden, sagte Härtel bei der Vorstellung der Frauenmilchbank am Mittwoch.

Ab in den Gefrierschrank: Prof. Christoph Härtel, Direktor der Würzburger Uni-Kinderklinik, und Sylvia Königer, Leiterin der Säuglingsernährung am Uniklinikum, mit abgepumpter Muttermilch.
Foto: Silvia Gralla | Ab in den Gefrierschrank: Prof. Christoph Härtel, Direktor der Würzburger Uni-Kinderklinik, und Sylvia Königer, Leiterin der Säuglingsernährung am Uniklinikum, mit abgepumpter Muttermilch.

Häufig aber haben Mütter nach schwieriger Schwangerschaft und Frühgeburt nicht sofort genug Milch, erklärt Sylvia Königer, Leiterin der Säuglingsernährung an der Kinderklinik. "Wir versuchen diese erste Phase mit der gespendeten Muttermilch zu überbrücken." Schon das Wissen um diese Alternative entspanne die Situation für die betroffenen Frauen - und die eigene Milch fließe dann häufig besser. "Die Frauen sind dankbar", sagt Königer. Eine Ablehnung habe sie noch nicht erlebt.

Bisher musste man in der Würzburger Uni-Kinderklinik bei jedem fünften Frühchen auf industrielle, künstliche Nahrung auf Kuhmilchbasis zurückgreifen. Sie birgt laut Härtel ein erhöhtes Risiko für entzündliche Darmerkrankungen bei den Frühchen. Außerdem gelte das längere Stillen generell als positiv für die Mutter-Kind-Gesundheit sowie als gute Prophylaxe bei einem Neurodermitis- oder Asthmarisiko. "Muttermilch", sagt der Pädiater, "ist die erste Wahl".

Er freue sich, dass mit der Frauenmilchbank jetzt das Angebot in Zusammenarbeit von Kinder- und Frauenklinik ausgebaut werden kann. Der Verein KIWI mit Vorsitzender Ina Schmolke hat das Projekt mit 20.000 Euro für das Pasteurisiergerät und den Gefrierschrank unterstützt.

Der Verein KIWI mit (von links) Schatzmeister Franz Balzer und Vorsitzender Ina Schmolke hat mit 20.000 Euro unter anderem das Pasteurisiergerät (links) finanziert – zur Freude von Sylvia Königer (Mitte) und Stillberaterin Natalie Seeberger. 
Foto: Silvia Gralla | Der Verein KIWI mit (von links) Schatzmeister Franz Balzer und Vorsitzender Ina Schmolke hat mit 20.000 Euro unter anderem das Pasteurisiergerät (links) finanziert – zur Freude von Sylvia Königer (Mitte) und ...

Die Würzburger Uni-Kinderklinik ist das größte Zentrum für Frühgeborene in Nordbayern und leitet das deutschlandweite Frühgeborenen-Netzwerk. Ihr Einzugsbereich geht weiter über Unterfranken hinaus bis in benachbarte Bundesländer.

Muttermilch über eine Magensonde: Versorgung von extrem kleinen Frühchen

Von mehr als 2000 Geburten pro Jahr werden an der Uniklinik bis zu 400 frühgeborene Kinder versorgt – darunter 70 bis 90 sehr kleine "Frühchen" mit einem Gewicht von weniger als 1500 Gramm. Sie erhalten die Muttermilch zunächst über eine Magensonde – laut Ernährungsexpertin Königer am Anfang pro Tag nur zwölf Mal einen Milliliter. 

Als anonyme Spenderinnen für die Milchbank kommen vor allem Mütter infrage, deren eigene Frühgeborene noch stationär in der Kinderklinik liegen. Täglich bringen sie ihren Babys normalerweise etwas Muttermilch vorbei. Die Frühchen brauchen selbst nicht viel, die Mütter produzieren aber nicht selten ein bis zwei Liter Milch am Tag.

Milchspende kann ein Jahr lang aufbewahrt werden

An zwei Tagen pro Woche können sie in der Klinik nun ihre Spende abpumpen, die Milch wird dann im Labor bei 64 Grad pasteurisiert und nach einer weiteren Kontrolle in Fläschchen tiefgefroren. Bis zu einem Jahr könnten die Milchspenden auf diese Weise aufbewahren, hieß es bei der Vorstellung.

Wie bei einer Blutspende werden die Spenderinnen laut Uniklinik vorab genau auf ihre Eignung hin geprüft. "Die Liste ist lang", erklärt Stillberaterin Natalie Seeberger. Ausschlussgründe können zum Beispiel Krankheiten, die Einnahme von Medikamenten oder Tattoos aus jüngster Zeit sein. Die Spendenbereitschaft sei bisher groß.

Auch Mütter von Normalgeborenen könnten in der Uniklinik Muttermilch spenden – allerdings verlassen die allermeisten bereits nach zwei bis drei Tagen die Klinik. Sind Mutter und Kind zu Hause, ist eine Milchspende nicht mehr möglich.

Für Klinikdirektor Christoph Härtel hat die Frauenmilchbank auch eine wichtige soziale Komponente: "Mütter von Frühgeborenen erleben sich damit als Solidargemeinschaft, sie helfen sich untereinander – das stärkt nach einer schwierigen Schwangerschaft."

 
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Kommentare
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  • Traudel Goodrick
    Vor 42 Jahren!!!! hab ich schon
    Muttermilch im Säuglingszimmer abgegeben!
    Ohne viel Bürokratie Wahn
    ging das!
    Hab mich gefühlt wie
    „Lila Milka Kuh“ 😘
    Aber es ist eine sehr gute Einrichtung die
    „Milch Spende“
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  • Andrea Roso
    Sehr cooles und wichtiges Projekt, erstaunlich, dass es das erste in Bayern ist.

    Mich würde interessieren, warum eine Spende nur möglich ist während man stationär in der Klinik ist? Kühlkette?
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  • Rita Orf
    Es ist nicht die erste Frauenmilchbank in Bayern, es ist die erste in Unterfranken - das geht auch so aus dem Artikel hervor. In Augsburg, Bamberg, München, Passau und Regensburg gibt es solche bereits (vgl. https://www.frauenmilchbank.de/frauenmilchbanken-in-deutschland)
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  • Helga Scherendorn
    Das Abpumpen in der Klinik erfolgt unter Aufsicht durch spezielle Hochleistungspumpen, die schneller und sauberer arbeiten, als die Pumpen aus der Apotheke. Die Hygiene muss gewährleistet sein, das geht Zuhause nicht.
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