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Sommerhausen
"Ungerecht, weil er den Wettbewerb verzerrt": Winzer und Landwirte besorgt über einen steigenden Mindestlohn
Zur gerade beendeten Weinlese haben fränkische Winzer viele Saisonarbeiter aus Osteuropa beschäftigt. Ein steigender Mindestlohn hätte für sie gravierende Folgen.
Weinlese, hier am Würzburger Stein, ist viel Handarbeit. Ohne Erntehelferinnen und Erntehelfer wäre sie nicht möglich.   
Foto: Daniel Peter | Weinlese, hier am Würzburger Stein, ist viel Handarbeit. Ohne Erntehelferinnen und Erntehelfer wäre sie nicht möglich.   
Folker Quack
 |  aktualisiert: 18.10.2024 02:38 Uhr

Bis zu 15 Euro Mindestlohn im Jahr 2026 hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Aussicht gestellt. Vor allem aus der Landwirtschaft gibt es dafür reichlich Gegenwind. Bayerns Bauernpräsident Günther Felßner sieht darin den Versuch, politisch auf die Mindestlohnkommission als unabhängiges Gremium Einfluss zu nehmen. Vor allem für die arbeitsintensiven Sonderkulturen wären die Folgen gravierend, sagt Felßner: Viele Betriebe würden an der Belastungsgrenze arbeiten und sich steigenden Produktionskosten gegenübersehen. Eine erneute eklatante Steigerung des Mindestlohns sei für die landwirtschaftlichen Betriebe nicht zu leisten.

Bei seiner Einführung 2015 lag der gesetzliche Mindestlohn bei 8,50 Euro pro Stunde. Über mehrere Stufen stieg der Mindestlohn zum 1. Januar 2024 auf 12,41 Euro.

Fränkischer Weinbaupräsident: Mindestlohn geht voll auf Produktionskosten 

Sonderkulturen sind in Unterfranken neben dem Weinbau vor allem Spargel-, Obst- und Gemüseanbau. Auch der fränkische Weinbaupräsident Artur Steinmann sagt: "Der Mindestlohn darf kein Wahlkampfthema werden." 

Artur Steinmann, Präsident des Fränkischen Weinbauverbands, hält den Mindestlohn für ungerecht, weil er den Wettbewerb in Europa verzerre. 
Foto: Patty Varasano | Artur Steinmann, Präsident des Fränkischen Weinbauverbands, hält den Mindestlohn für ungerecht, weil er den Wettbewerb in Europa verzerre. 

Bis zu 15 Euro Mindestlohn würden den Weinbau in Franken sehr belasten, so Steinmann. Vor allem würde er die größeren Betriebe treffen, die auf Erntehelfer angewiesen seien. Der Mindestlohn schlage voll auf die Produktionskosten durch, sagt Steinmann, der ein Weingut in Sommerhausen (Lkr. Würzburg) hat. "Eine Erhöhung brächten wir im Markt gar nicht unter, sie würde voll auf die Gewinnmarge gehen."

Steinmann hält den Mindestlohn generell für "ungerecht, weil er den Wettbewerb verzerrt". In Italien gebe es überhaupt keinen Mindestlohn, in Spanien liege er bei rund sieben Euro. Viele Weingüter in Franken würden in der Lesezeit mit Saisonarbeitern aus Osteuropa zusammenarbeiten, sagt der Weinbaupräsident. Das funktioniere, wenn man sie ordentlich unterbringe, versorge und sie auch Geld mit nach Hause nehmen könnten, sagt Steinmann. Aber 15 Euro die Stunde, statt der drei, die sie in ihrer osteuropäischen Heimat verdienen würden, das passe nicht mehr zusammen.   

Grünen-Politiker Knoblach: Viele Betriebe verkraften weitere Kostensteigerung nicht  

Auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Paul Knoblach aus Garstadt (Lkr. Schweinfurt), Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion für Weinbau und Tierwohl, sieht eine Erhöhung des Mindestlohns kritisch. Er wisse, dass er dafür innerhalb seiner Partei und bei der SPD im Bundestag kaum Zustimmung bekäme, sagt der Politiker und Landwirt. Aber der Weinbau stecke in einer Krise, viele Betriebe würden eine weitere Kostensteigerung nicht verkraften.      

Auch der Schweinfurter Landtagsabgeordnete Paul Knoblach von den Grünen steht einer möglichen Erhöhung des Mindestlohns kritisch gegenüber.
Foto: Marcel Dinkel | Auch der Schweinfurter Landtagsabgeordnete Paul Knoblach von den Grünen steht einer möglichen Erhöhung des Mindestlohns kritisch gegenüber.

Knoblach denkt vor allem an die Winzerinnen und Winzer, die ihre Trauben an eine der Genossenschaften in Franken liefern. Deren Weine müssten im Supermarkt neben Weinen für unter fünf Euro konkurrieren. Bei steigenden Produktionskosten habe der Winzer jetzt schon kaum Gewinn, sagt Knoblach. So würden selbst gute Weinlagen inzwischen zu Billigpreisen zum Verkauf angeboten oder gerodet, weil es sich nicht mehr lohne, sie zu bewirtschaften. Ändere sich das nicht, könnten in den kommenden Jahren rund 1000 der 6000 Hektar Rebfläche in Franken verschwinden, so Knoblachs Befürchtung. 

Für Branchen wie den Weinbau, aber auch für andere Sonderkulturen in der Landwirtschaft, brauche es für Saisonarbeitskräfte eigene Lösungen, sagt Knoblach. Zumindest, bis die aktuelle Krise überwunden sei.

 
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  • Peter Koch
    In anderen Weinbauändern sieht der Mindestlohn so aus, jeweils €/Stunde.
    Australien 14,31, Frankreich 11,66, Neuseeland 12,92, Californien 14,69.
    Keinen Mindestlohn gibt es leider in Italien. Im restlichen Südeuropa liegt er unter 7 €, aber da kommt ja nicht allzuviel Wein her.
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Irgendwie

    muss ich bei dieser Diskussion an Henry Ford I denken, der seinen Mitarbeitern skandalös hohe Löhne zahlte und ihnen dafür auch noch die 40-Stunden-Woche gönnte - was alle seine Konkurrenten schlicht für verrückt hielten.

    Dass diese Umstände dafür sorgten, dass die Mitarbeiter sich die von ihnen hergestellten Produkte auch leisten konnten und die 40-Stunden-Woche dazu führte, dass sie sie sogar für ihre eigenen Zwecke nutzen konnten, fand dabei keine Beachtung.

    Klar sind die Löhne in Osteuropa niedriger - aber auch die Preise für Wohnen, Energie, Lebensmittel usw. Fragt sich halt, wie lange noch.

    Ich befürchte sehr, unsere Landwirtschaft lässt sich ins Bockshorn jagen von den Verfechtern des Billig-billig-billig. Was nichts kostet, ist nichts wert, sagt der Volksmund - und wer den offensichtlichen Stellenwert der bäuerlichen Arbeit bei der Allgemeinheit betrachtet, neigt dazu, dem zuzustimmen. Da rauszukommen wird schwierig, aber die Alternativen sind noch unerfreulicher.
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  • Matthias Rothkegel
    Und auch dieses Problem der steigenden Lohnkosten wird man selbst in steilen Lagen durch Maschinen lösen….

    https://www.lwg.bayern.de/weinbau/146822/index.php

    Die kleinen geben auf, die großen freuen sich über mehr Fläche und Oligopole, der Kunde über billigen Wein, die Politik brüstet sich mit höherem Mindestlohn, nur der Arbeiter muss sich halt was anderes suchen….
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  • Erich Spiegel
    Die Mindestlohnerhöhung ist gut gemeint. Gut gemeint ist aber noch lange nicht gut gemacht. Sie führt dazu, dass noch mehr Lebensmittel aus dem Ausland kommen wo die Arbeiter wesentlich schlechter bezahlt werden. Man erreicht also das genaue Gegenteil von dem was man erreichen möchte
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  • Bernd Schuhmann
    Man sollte fairer Weise den Mindestlohn in den Heimatländer der Erntehelfer mit einstellen.

    Unsere Industrie produziert in Osteuropa oder China und wir müssen € dafür bezahlen.

    Die Wahrheit wird in der Mitte liegen,
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  • Dietmar Eberth
    Dann sollten die Erntehelfer aus dem Ausland auch den deutschen Wein kaufen. Oder ist der zu teuer für die Erntehelfer?
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  • Martin Arold
    @Alois Grünewald
    Guter Beitrag. Etwas über den eigenen Tellerrand (Ausland/ EU) hinaus schauen ist hier notwendig, denn was bringt es denn Saisonarbeiter die nicht hier Leben mehr Geld zu geben, dafür aber weniger Lebensmittel (Obst, Gemüse) selbst zu produzieren und vom Ausland zu importieren. Es geht nicht nur um den regionalen Weinbau, sondern den Mindestlohn für Erntehelfer für die Landwirtschaft insgesamt. Globaler Wettbewerb ist das Stichwort. Deshalb sollte man über Ausnahmen beim Mindestlohn (keine 15€ für Erntehelfer) nachdenken.
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  • Alois Grünewald
    Auch wenn in dem Artikel viel über Weinbau geredet wird, so kann man dem Beitrag entnehmen, dass es den Sonderkulturanbau im Allgemeinen betrifft, egal ob Obst, Gemüse oder Weinbau.

    Es geht hier vor allem um die Wettbewerbsverzerrung. Wie sollen regional erzeugte Lebensmittel bei einem Mindestlohn von 15 € mit dem im Ausland erzeugten Lebensmittel bei einem Mindestlohn von sieben Euro konkurrieren können??? Der Verbraucher ist nicht bereit, diese Mehrkosten zu tragen. Was wird passieren? Die regionale Lebensmittelproduktion wird zurückgefahren und es werden mehr Lebensmittel aus dem Ausland importiert, die zu fragwürdigen Umständen produziert werden. Dann können die osteuropäischen Saison Arbeitskräfte nach Spanien fahren und dort sieben Euro verdienen, weil es in Deutschland keine Lebensmittelproduktion mehr gibt, bei der sie 12,41 € bekommen können.
    Was die Verlagerung von Produktionen ins Ausland betrifft, sehen wir ja gerade bei der Medikamenten Situation…
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  • Arnold Friedrich
    @Grünewald
    Die Problematik mit der Verlagerung der Produktion von Lebensmittel oder auch anderer Güter ins Ausland hängt einfach auch damit zusammen, das beim Transport und herumfahren in halb Europa nie die wahren Kosten und Schäden an der Umwelt in Rechnung gestellt werden.
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  • Sabine Schulz
    Und ich dachte, eine Renaturierung von Flächen mit Monokulturen, die Rebflächen nun mal sind, wäre im Sinne von Umwelt und Natur. War das nicht früher mal grüne Zielsetzung?
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  • Gregor Ziems
    Die großen Winzer, die Armen scheinen ja echt von der Hand in den Mund leben zu müssen.
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  • Peter Fischer
    Ich kenne keine großen Winzer, wohl a er einen kleinen, der wegen des Mindestlohns aufgegeben hat.
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  • Dietmar Eberth
    Das Sterben der kleinen Familienbetriebe (Winzer, Landwirte) hat eher damit zu tun, das es keine Nachfolger gibt. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Familienbetriebe haben keine große Zahl an Saisonkräften.
    War mal der Slogan der CSU: "Wachsen oder Weichen"
    https://www.csu-geschichte.de/themen/detail/der-bayerische-weg-der-agrarpolitik
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  • Dietmar Eberth
    Denke mal, die effektiven Mehrkosten an einem guten Wein durch einen Mindestlohn von 15 Euro und bei einem Lohnanteil von 30 Prozent an der Flasche Wein dürfte überschaubar sein.
    Zudem, warum sollte der Staat für die Produktion einer Droge dann noch im Rentenalter diese Niedriglöhner - die harte Arbeit im Weinberg leisten - finanziell unterstützen?

    Man könnte auch die sehr niedrige Alkoholsteuer in Deutschland für das Luxusgut Wein erhöhen um damit besonders kleinere Winzer zu unterstützen.
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/166425/umfrage/steuersaetze-fuer-spirituosen/
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  • Jutta Nöther
    Richtig. Der Mindestlohn hat schon seinen Sinn - verhindert die Ausbeutung von Niedriglöhnern. Dass er erhöht werden muss, liegt an der allgemeinen Anpassung an die steigenden Lebendhaltungskosten.
    Dass man jetzt eine Ausnahme für Saisonarbeitskräfte machen will, mit der Begründung "zu Hause verdienen sie ja noch weniger", ist menschenverachtend.
    Das führt dann irgendwann dazu, dass keine osteuropäischen Erntehelfer mehr nach Deutschland kommen werden.

    Außerdem: welche Sonderrechte sollten denn Winzer gegenüber z.B. Gemüsebauern haben? Die haben die gleichen Probleme, ihre Produkte werden aber im Gegensatz zu Wein GEBRAUCHT.
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  • Peter Fischer
    Der Mindestlohn macht Arbeit in vielen Fällen unbezahlbar, nicht nur bei Winzern, sondern vor allem auch in Privathaushalten. Viele Rentner und Pflegebedürftige ziehen in Niedriglohnländer wie Bulgarien ( oder solche wie Zypern, wo der Mindestlohn für Hausangestellte nicht gilt), und wo sie sich private Pflege noch leisten können. Der Großvater meiner Frau wurde noch in seinem eigenem Haus von 2 Frauen aus Polen versorgt, die sich abwechselten. Heute, nach Einführung des Mindestlohns und bei Beachtung der Arbeitszeitgesetze müsste er in ein Heim weil dies unbezahlbar wäre. Gut, dass er das nicht mehr erleben muss. Meine Mutter ist aus diesem Grund ausgewandert (wie ich auch).
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  • Hermann Spitznagel
    Menschenverachtend müssen es rumänische Ärzte oder Uni-Professoren finden, wenn Erntehelfer im Ausland mehr verdienen als sie mit ihrer Ausbildung in der Heimat.
    Das gleiche gilt für einen Bayrischen Autobauer, der seine Autos in Ungarn zukünftig 25% billiger zusammenbauen läßt als bei uns. Rumänen haben es nach Ungarn auch nicht so weit, wenn dort noch Arbeiter gesucht werden
    In Ungarn liegt der Mindestlohn übrigens bei 4.02 Euro,
    in Regensburg dürfte der Lohn für Autobauer über 25 Euro liegen.
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