
Es gab eine Zeit, da waren Lehrerinnen und Lehrer in Bayern stolz darauf, eine Schule zu leiten. Impulse zu geben, mit dem Kollegium zu arbeiten, für Kinder und ihre Eltern eine wichtige Autorität zu sein. Als Rektorin oder Rektor an der Spitze einer Grund- oder Mittelschule zu stehen, war auch eine Auszeichnung als Führungskraft. Heute wollen den Leitungsjob immer weniger Lehrkräfte machen, auch in Unterfranken. Warum? Und was bedeutet das für die Schulen?
Auf der Suche nach Ursachen trifft man: Schulleiterinnen und Schulleiter, die sich seit Jahren mit viel Idealismus engagieren – und ein Burnout fürchten. Andere haben hingeschmissen und arbeiten wieder als "normale" Lehrkräfte. Wieder andere winken von Haus aus ab. Im Stillen ist jede Menge Kritik am System zu hören – doch offen darüber spricht kaum jemand. Groß ist die Sorge, als Beamte auf den Deckel zu bekommen.
Die Situation: deutlich weniger Bewerbungen auf Rektorenstellen
Schaut man nur auf die Zahlen, scheint die Lage zunächst nicht dramatisch. Von 345 Grund- und Mittelschulen in Unterfranken haben laut Regierung derzeit sechs keine Leitung: in Würzburg die Grundschulen Dürrbachgrund-Unterdürrbach und Josef (Grombühl), dazu Röttingen (Lkr. Würzburg), Motten (Lkr. Bad Kissingen), Marktheidenfeld und die Mittelschule Zellingen (beide Lkr. Main-Spessart). Zuständig für die Besetzung sind die Bezirksregierungen. Eingestellt wird zum 1. August, nur in Ausnahmefällen zum Halbjahr im Februar.
Bayernweit waren laut Kultusministerium im vergangenen Schuljahr 21 Rektorenposten nicht besetzt – bei rund 2700 Schulleiterstellen an Grund- und Mittelschulen weniger als ein Prozent. Die Quote, so ein Sprecher, sei seit Jahren ziemlich konstant. Allerdings werden Vakanzen nur erfasst, wenn mehrfach ausgeschrieben wurde. Das Ministerium bestreitet, dass die Besetzung deutlich schwieriger geworden sei. Also alles in Butter? Vor Ort klingt das anders.

Früher, so berichtet Helmut Schmid, habe es normalerweise mehrere Bewerber für eine Rektorenstelle gegeben. Er selbst war viele Jahre Leiter der Grundschule Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt). Heute ist er freigestellter Personalratsvorsitzender an der Regierung von Unterfranken und Bezirksvorsitzender des Unterfränkischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (ULLV).
Eine Auswahl an Kandidaten nach Neigung und Fähigkeit, sagt er, gebe es heute praktisch nicht mehr. Wer will, wird genommen. "Sie bekommen meistens eine einzige Bewerbung – oder eben gar keine. Dann braucht es eine Zweit- und Drittausschreibung, man muss gezielt Leute dafür ansprechen. Es ist definitiv schwieriger geworden."
Ein Rektor aus der Region Würzburg kennt das Spiel: Spricht er jüngere Kolleginnen oder Kollegen auf die mögliche Schulleitung an, erntet er nur Kopfschütteln. "Das will keiner mehr machen, die Rahmenbedingungen dafür sind völlig unattraktiv."
Was eine Schulleitung heute so schwierig macht
Finanziell kann der Job nicht locken. In Aussicht steht zwar eine Amtszulage oder eine höhere Einstufung. Doch Rektorinnen und Rektoren berichten, dass ihnen – abhängig von der Schulgröße – teilweise nicht mal 200 Euro im Monat zusätzlich bleiben, trotz der deutlichen Mehrarbeit und Personalverantwortung. In anderen Fällen können es, je nach steuerlicher Situation, 300 bis 400 Euro monatlich sein.
Dem gegenüber steht ein hoher zeitlicher Aufwand. Wer in Bayern eine Grund- oder Mittelschule leitet, muss nämlich weiterhin unterrichten. Für die zusätzlichen Leitungsaufgaben gibt es sogenannte Anrechnungsstunden, entsprechend weniger stehen Rektoren und Rektorinnen vor der Klasse. Nur: Diese Stunden reichen hinten und vorne nicht, berichten alle Gesprächspartner übereinstimmend.
Im Falle des besagten Schulleiters: Er muss wöchentlich statt 28 nur noch 17 Stunden unterrichten. Zehn Anrechnungsstunden gewährt ihm das Schulamt für die Leitung. "Die habe ich manchmal am Dienstag schon verbraucht. Dann gibt es ab Mittwoch eigentlich keine Schulleitung mehr."
Das Kultusministerium verweist mit Stolz darauf, seit dem Schuljahr 2022/23 den Leitungen an Grund- und Mittelschulen eine zusätzliche Anrechnungsstunde pro Woche zu gewähren. Doch die wird mehr als aufgefressen von einer ausufernden Bürokratie und wachsenden Herausforderungen.
Sieben Lehrkräfte haben sich in Unterfranken laut BLLV-Bezirkschef Schmid im vergangenen Schuljahr aus der Leitung zurückgezogen. Sie wollten oder konnten nicht mehr. Eine von ihnen sagt: "Es ist einfach zu viel. Man wird zerrieben zwischen dem, was sich die Politik wieder als Schnellschuss ausdenkt und den Realitäten in der Schule."
Sie findet, die Politik sollte sich viel mehr heraushalten und auf die Praktiker vor Ort hören. "Sie kennen die Situation der Schülerinnen und Schüler und wissen am besten, wie man damit umgeht." Doch stattdessen kämen immer neue Ideen für den Lehrplan aus der Politik oder aus den Universitäten.
Dabei haben die Schulleiter im Alltag schon genug zu kämpfen: Die Integration von Migrantenkindern habe sich nicht zuletzt durch die Fluchtwelle aus der Ukraine weiter erschwert, heißt es. Hinzu kämen Herausforderungen forcierter Inklusion und Ganztagesschule. Der Aufwand sei merklich gestiegen.
Und schließlich die Personalnot: "Früher", sagt ein Schulleiter, "kam bei einem Krankheitsausfall eine mobile Reserve und hat die Klasse übernommen." Und heute? "Es gibt keine mobilen Reserven mehr, sie sind ab dem ersten Schultag fest verplant." Immer häufiger übernehmen Studierende die Klassenleitungen und wechseln sich dabei ab.
"Ständig die Löcher stopfen zu müssen, das belastet sehr", sagt eine Ex-Rektorin. Nicht selten springen Schulleiter selbst als Vertretung ein. Leitung, klagt einer von ihnen, bedeute personelle Mangelverwaltung. Wer sie auf sich nimmt, braucht Idealismus.
So wie Christoph-Rupert Schneider, Rektor der Grundschule Estenfeld und Kreisvorsitzender des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) Würzburg-Land. Er mag seinen Job. Aber er weiß, dass er sein Kollegium nicht überstrapazieren darf und stellt sich schützend vor seine Lehrkräfte. "Manche Dinge gehen dann halt einfach nicht mehr", sagt er als BLLV-Vertreter. Statt immer neue Listen und Formulare auszufüllen, sei die Zeit besser in die Kinder investiert. Die Bürokratie müsse dringend reduziert werden.
Was passiert, wenn sich keine Schulleitung findet?
Wo eine Leitungsstelle nicht besetzt werden kann, müssen die Stellvertreter ran. Oder die Schule wird aus der Distanz von einer anderen Rektorin oder einem Rektor mitgeleitet. So ist die Schulleiterin in Würzburg-Lengfeld derzeit auch für den Dürrbachgrund am anderen Ende der Stadt verantwortlich.
Und die Rektorin in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) leitet ihre alte Schule, die Josef-Grundschule in Würzburg-Grombühl, derzeit vorübergehend mit. Es sind Notbehelfe. Man fühle sich Schülern, Eltern und Kollegium gegenüber verpflichtet und suche mit dem Schulamt nach einer Lösung, sagt sie. Ein Dauerzustand könne das nicht sein.
Kultusministerium will mit Lehrgängen und Fortbildungen unterstützen
Um Schulleitungen wieder attraktiver zu machen, braucht es mehr Entlastung. Das ist überall zu hören und bestätigt auch das Kultusministerium. Darüber hinaus setzt man dort auf Lehrgänge und Fortbildungen – zur Vorbereitung und zur Begleitung von Neulingen in den ersten Jahren. Ob das reicht?
"Eigentlich", sagt ein Rektor aus dem Raum Würzburg, "ist das eine schöne Aufgabe – aber unter den momentanen Bedingungen grenzwertig." Man müsse aufpassen, nicht noch mehr Personal zu verlieren. "Ich glaube, jeder Schulleiter hat schon mal ans Aufgeben gedacht."