Während eines epileptischen Anfalls soll ein 32-jähriger Autofahrer in Hettstadt (Lkr. Würzburg) am Dreikönigstag 2018 eine 26-jährige Spaziergängerin totgefahren haben. Zum Prozessauftakt vor dem Amtsgericht Würzburg hatte der gelernte Schlosser angegeben: Er habe gefühlt, dass sich einer der Anfälle anbahne, bei denen er regelmäßig das Bewusstsein und die Steuerungsfähigkeit verliert. Deshalb habe er das Auto aus dem Ort über die viel befahrene Staatsstraße in den Gehägsweg lenken wollen, um dort das Ende des Anfalls abzuwarten. Dort sei er jedoch viel zu schnell unterwegs gewesen, wie Verkehrsgutachter Christian Bötsch am zweiten Prozesstag erklärte.
Gutachter: Unfall wäre vermeidbar gewesen
Mit weit über 100 Stundenkilometern bei erlaubten 30 sei der Wagen des Unfallverursachers demnach über den unbefestigten Gehägsweg gerast. Die Reifenspuren hätten gezeigt, dass er in einer Rechtskurve in den Grünstreifen geraten war und dann auf gerader Strecke die Fußgängerin und ihren Hund getötete habe. Bei erlaubter Geschwindigkeit "wäre der Unfall vermeidbar gewesen", so Bötsch.
Ob die Fußgängerin die Gefahr erkennen konnte, als der Wagen um die Kurve kam, fragte Staatsanwältin Martina Pfister-Luz. "Ihr verblieb weniger als eine Sekunde", antwortete der Gutachter.
Arzt des Angeklagten im Zeugenstand
Seit 2009 weiß der Angeklagte, dass er wegen wiederholter Anfälle nicht mehr ans Steuer eines Wagens soll. Sein behandelnder Neurologe erklärte, ihn immer wieder darauf hingewiesen zu haben. Doch bei epilepsieartigen Anfällen sei eine Entscheidung nicht einfach. Dem Gericht erklärte der Arzt am Montag: "Ich bin froh, dass ich den Fall nicht beurteilen muss." Denn wenn ein Epileptiker ein Jahr frei von Anfällen sei, wäre die Fahreignung gegeben.
Zeitweise hatte der Angeklagte aber ein bis zwei Anfälle pro Woche und verlor dabei Bewusstsein und Kontrolle – trotz der Tabletten. Die hatte er am Unfalltag überdies nicht genommen, wie er am ersten Verhandlungstag zugeben musste. Jetzt bekam seine Glaubwürdigkeit weitere Kratzer: Der Vater der getöteten Sabrina hatte ihn am ersten Verhandlungstag gefragt, ob seine Eltern und Geschwister ihn wegen der Anfälle nicht am Autofahren hinderten, das Auto der Familie zu benutzen. Niemand habe davon gewusst, behauptete der 32-Jährige da.
Staatsanwältin beendet Mythos von der ahnungslosen Familie
Nun stellte sich aber heraus, dass ihn seine Mutter bereits 2009 zu den Ärzten begleitet hatte, bei denen er auf Epilepsie untersucht wurde. Und Staatsanwältin Pfister-Luz hielt ihm am Montag einen Brief vor, den sein Bruder ihm zwei Tage nach dem Unfall geschrieben hatte. Darin heißt es: Die Familie der Getöteten wolle ihn wohl im Knast sehen; und: "Kopf hoch", er wisse, dass es an den "Black-outs liegt". Kleinlaut räumte der Angeklagte auf Nachfrage ein, dass er seinem Bruder wohl doch von seinem Problem erzählt hatte.
Getäuscht hatte er auch, als der Unfallfahrer 2017 seinen Führerschein unbedingt zurückbekommen wollte. Dieser war ihm entzogen worden, weil er 2011 bei einer Alkoholfahrt mit acht weiteren Insassen einen schweren Verkehrsunfall verursacht hatte – fast in Sichtweite des Unfallortes am Gehägsweg. Sowohl bei der MPU als auch in seinem Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis beim Landratsamt verschwieg er die – freiwilligen – Angaben zu seinem Gesundheitszustand.
Urteil in zwei Wochen
Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt. Dann kommt der medizinische Sachverständige zu Wort. Auch da geht es um die Frage: War der Unfall für den Angeklagten vorhersehbar – und damit vermeidbar? Ein Urteil wird in zwei Wochen erwartet.