Persönliche Äußerungen gibt es von Julius Echter kaum. Dafür viele konträre Einschätzungen, Urteile und Eindrücke. Der Würzburger Fürstbischof polarisierte schon zu Lebezeiten. Er wurde „verehrt, verflucht, verkannt“. Eine wissenschaftliche Tagung mit diesem Titel hat vor Monaten den Veranstaltungsreigen im Echter-Gedenkjahr anlässlich des 400. Todestages eingeläutet. Nun bieten zwei Ausstellungen in Würzburg Erklärversuche und nähern sich dazu aus verschiedenen Blickwinkeln dem Leben und Wirken des Mannes, der wie kein anderer Stadt und Region geprägt hat.
Das diözesane Museum am Dom befasst sich mit dem „umstrittenen Fürstbischof“ aus historisch-kritischer Perspektive. Das Martin von Wagner Museum der Universität widmet sich dem „Patron der Künste“, rückt also das Kunstschaffen unter Julius Echter in den Mittelpunkt. „Beide Ausstellungen ergänzen sich wunderbar“, sagt Museumsdirektor und Kunstgeschichtsprofessor Damian Dombrowski.
Besucher sollen sich eigenen Urteil bilden
„Wir wollen den Besuchern nicht ein bestimmtes Echter-Bild mitgeben, sie sollen sich ein eigenes Urteil bilden können“, ist die Intention von Professor Rainer Leng, Historiker und wissenschaftlicher Leiter der Ausstellung im Museum am Dom. Dort werden unter anderen Herkunft, Ausbildung, Herrschaft, Frömmigkeit und Ritus, Erinnerung und Inszenierung thematisiert. Julius Echter starb am 13. September 1617. Ein Gemälde zeigt den Fürstbischof kurz nach seinem Ableben.
Julius Echters rasanter Aufstieg sei ungewöhnlich gewesen, meint Rainer Leng. Bereits mit 25 Jahren stand er ab 1570 als Domdekan an der Spitze des Domkapitels. Mit 28 Jahren wurde er zum Fürstbischof gewählt. „Das war noch nie da und ist eigentlich unverständlich.“ Womöglich hat das Domkapitel gedacht, Julius Echter sei leicht lenkbar. Es sollte sich täuschen.
Die 62-seitige „Kapitulation“, die Julius Echter mit ausgearbeitet hatte und nach seiner Wahl am 1. Dezember 1573 unterzeichnen musste, ließ ihm zwar kaum Freiheiten. Sie sollte laut Rainer Leng dem Domkapitel einen erheblichen Einfluss auf das Regierungsverhalten des Bischofs sichern. Dennoch setzte sich Echter durch – und das trotz äußerst schwierigen Startbedingungen.
Julius Echter war ein "Verwaltungsfuchs"
Professor Leng beschreibt Echters Ausgangssituation als „verheerend“, denn „das Domkapitel war pleite, der Klerus ging eigene Wege“. Der junge Fürstbischof war allerdings ein „Verwaltungsfuchs“, so Leng. Das zeigen Dokumente in der Ausstellung, zum Beispiel das Salbuch aus Gemünden. Dieses Einnahmenverzeichnis musste jede Gemeinde in seinem Herrschaftsgebiet führen. „Zwanzigtausend Seiten Verwaltungswissen“ hätten sich aus der Echterzeit erhalten.
Einfluss übte der Fürstbischof natürlich auch in geistlichen Dingen aus. Wer von seinen Untertanen nicht in den Herrschaftsverband passte – wie die Protestanten und Juden –, den schloss der Fürstbischof rigoros aus. Er stellte sie vor die Wahl: dem neuen Glauben abschwören und zum alten zurückkehren beziehungsweise sich christlich taufen lassen. Wer sich weigerte, musste gehen.
Das Museum am Dom zeigt zu diesem Themenkomplex „seltene Stücke“, so Leng: das Memorbuch der jüdischen Gemeinde Eibelstadt (ab etwa 1610/20), eine Leihgabe aus Jerusalem, oder das Fragment eine Tora-Rolle, ebenfalls aus Eibelstadt (um 1600, Leihgabe des Stadtarchivs Eibelstadt).
Auch die vermeintlichen Hexen waren „sozial und rechtlich nicht zu integrieren“, so Leng. Das Bild von Echter als unerbittlichen Hexenbrenner ist durch neuere Forschungen des Würzburger Historikers Robert Meier mittlerweile jedoch widerlegt.
Unter der Überschrift „Raum und Residenz“ stellt das Museum am Dom Fürstbischof Echter als Bauherr vor. Besucher können sich am Monitor über rund 350 Bauvorhaben informieren. Sie wurden dazu laut Stefanie Weidmann, Projektmanagerin der Ausstellung, eigens alle neu fotografiert und dokumentiert. Wer es noch anschaulicher mag: Wolfgang Schneider, stellvertretender Kunstreferent der Diözese, führt Besucher in einem Film durch die Kirche in Breitensee (Lkr. Rhön-Grabfeld), deren Ausstattung aus der Echterzeit stammt.
Virtueller Ausflug in eine idealtypische Echterkirche
Im Martin von Wagner Museum ist es sogar in einem von Dominik Lengyel und Catherine Toulouse entwickelten interaktiven 3D-Architektur-Spiel möglich, virtuell in einer idealtypischen Echterkirche zu wandeln oder sich sogar selbst eine Kirche zu „bauen“. Und wer schon immer wissen möchte, wie es unter den Ziegeln eines spitzen Echterturms aussieht, der kann dort das „Sterngebälk“ anhand eines 1,85 Meter hohen hölzernen Modells studieren.
Anfangs sollte in der Residenz lediglich in einem der Räume eine Ausstellung zu Julius Echter gezeigt werden, erzählt Museumsdirektor Damian Dombrowski im Vorgespräch. Doch dann sei das Projet „durch die Decke“ gegangen. Das gesamte Museum widmet sich nun dem „Patron der Künste“ und 26 Experten stellen im Katalog die „Konturen eines Fürsten und Bischofs der Renaissance“ vor. So lautet der Untertitel der Ausstellung. Schirmherren sind „die Rechtsnachfolger Julius Echters“, so Professor Dombrowski: der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann und Paul Beinhofer, der Regierungspräsident von Unterfranken. Der Museumsdirektor und sein Mitarbeiter Markus Josef Maier sind die Kuratoren. „Wir waren mehr mit den organisatorischen Arbeiten beschäftigt und haben die Artikel im Katalog betreut.“ Im Gegensatz zur ersten Ausstellung unter Dombrowskis Ägide vor drei Jahren konnte das Museum, das über keinen eigenen Etat verfügt, dank vieler Förder- und Sponsorengelder „aus den Vollen schöpfen“. Es standen seinen Angaben zufolge rund 750 000 Euro zur Verfügung.
In der riesigen Ausstellung werden in 21 Sektionen rund 300 Werke präsentiert, davon etwa 200 historische Exponate. Die Themen sind zum Beispiel „Verdichten, verfestigen, verklammern: Ein Stadtbild im Wandel“, „Tempel des Herzens: Die Universitätskirche“ und „Bücher für den Fürstbischof: Die Hofbibliothek Julius Echters“.
Besucher können zudem auch der Musik um 1600 in Würzburg lauschen, Julius Echter als Sammler erleben oder die Strategien des Gedenkens beziehungsweise Echters geplantes Nachleben kennenlernen. Damit es keine großen Überschneidungen gibt, wurde das Konzept inhaltlich mit der Diözese abgestimmt, sagt Dombrowski. „Da wir ein Kunstmuseum sind, gibt es eine kunsthistorische Ausstellung zu sehen.“
Kein Genießer seiner Kunst
Der Ausstellungstitel „Patron der Künste“ leitet sich von dem Humanisten und Philologen Justus Lipsius (1547-1606) ab, der Echter mit den Worten lobte: „Du betreibst die guten, ehrenwerten Künsten so, dass sie in Dir nicht nur einen Patron, sondern einen Vater haben.“ Der Fürstbischof habe zwar ein Auge auf die Staatsfinanzen gelegt und sie saniert, er habe aber auch gewusst, dass er an der Kultur nicht sparen darf, erzählt der Museumsdirektor.
Aber er sei kein „Genießer seiner Kunst“ gewesen. Sie hatte für ihn mehr repräsentativen Charakter. Beim Aufbau des Staatswesens hätte er jedoch beides gebraucht: „Ethik und Ästhetik“, so Dombrowski.
Wie im Museum am Dom widmet sich die Ausstellung im Martin von Wagner Museum dem Fürsten wie dem Bischof, dem weltlichen wie dem geistlichen Herrscher über dem flächenmäßig kleineren Hochstift und viel größeren Bistum. „Die zahlreichen Porträts, die er von sich anfertigen ließ, legen nahe, dass er zwischen beiden Rollen gut zu unterscheiden verstand“, schreiben Damian Dombrowski und Mitkurator Markus Josef Maier im Vorwort des opulenten Katalogs.
Als Julius Echter im Alter von etwa 19 Jahren mit seinen Eltern, seinen acht Geschwistern und zwei Bediensteten auf einem Wandteppich „verewigt“ wurde, dürfte eher der Stolz, aus dieser adeligen Familie zu stammen, im Vordergrund gestanden haben. Der über acht Meter breite „Echterteppich“ von 1564, der ursprünglich im Schloss Mespelbrunn hing, wo Julius am 18. März 1545 geboren wurde, begrüßt die Besucher der Ausstellung.