Julius Echter von Mespelbrunn gilt als fanatischer Hexenverfolger. Dieser Ruf haftet an dem Würzburger Fürstbischof wie flusig-flaumige Federn auf zähflüssigem Teer. Die Entdeckung des Würzburger Historikers Dr. Robert Meier bringt diese scheinbar fest gefügte Position bereits seit einigen Jahren gehörig ins Wanken – und jüngst auch die Forschungen der renommierten, im englischen Oxford lehrenden Professorin Lyndal Roper.
Robert Meier widerlegt nicht etwa Lyndal Ropers Forschungen insgesamt. Er hat auch nichts gegen ihre aktuelle und hoch gelobte Biografie „Der Mensch Martin Luther“ (C. H. Beck). Der Würzburger rüttelt vielmehr an den Ausführungen der Historikerin über Julius Echter in ihrem 2007 veröffentlichten Buch „Witch craze“ – „Hexenwahn“.
Lyndal Roper, erst kürzlich mit dem mit 100 000 Euro dotierten Gerda Henkel Preis ausgezeichnet, behauptet laut Meier darin, dass der berühmte Gegenreformator bereits in der ersten Phase seiner 44 Jahre andauernden Regierungszeit unerbittlich viele Hexen verfolgen und hinrichten ließ. „Nicht lange nach Würzburgs Rückkehr zum Katholizismus stellte sich Echter an die Spitze einer gewaltigen Hexenjagd“, zitiert Meier aus Ropers „Hexenwahn“. Für den Würzburger liegt hier ein Irrtum vor, der auf ungenaues Quellenstudium zurückzuführen sei; Roper habe daraus die falschen Schlussfolgerungen gezogen. Die Beweise für seine These führt Robert Meier in seinem Aufsatz „Die frühen Hexenprozesse des Fürstbischofs Julius Echter (1573–1617)“ aus – veröffentlicht in Band 79 der Würzburger Diözesangeschichtsblätter.
Eigentlich ist Robert Meier kein spezialisierter Hexenforscher und auch kein Julius-Echter-Experte. Erst 2014 wird sein Fokus verstärkt auf dieses Thema gelenkt. Er entdeckt im Staatsarchiv Wertheim, das im Kloster Bronnbach lagert, unbekannte Dokumente vom Zentgericht Remlingen. Sie erzählen unter anderem von Ereignissen in der späten Echterzeit zwischen 1612 und 1617 im Ort Neubrunn, der damals verwaltungstechnisch zum Zent-amt Remlingen, heute zum Landkreis Würzburg gehört. So soll Anna Wolz eine Kuh verhext, andere Frauen am Hexentanz teilgenommen haben. Echter verlangt Indizien. Sie bleiben aus. Den Frauen geschieht nichts.
Zauberisches Machwerk
Anhand dieser Dokumente kann Robert Meier das Bild vom erbarmungslosen Hexenjäger erstmals korrigieren: Nicht Julius Echter pocht darauf, dass den Frauen in Neubrunn der Prozess gemacht wird. Es sind einige Einwohner Neubrunns, die ihren Mitbürgerinnen übel nachreden und sie des zauberischen Machwerks bezichtigen. „Dies widerspricht der gängigen Forschungsmeinung zu den späten Echterjahren diametral“, so Meier, „die Hexenjagd fand nicht statt.
“ Deshalb sorgt Meiers These bei so manchen Wissenschaftlern und Hobbyforschern für Stirnrunzeln.
Nun beschäftigt sich der Historiker in seinem Aufsatz mit den frühen Echterjahren, seine Quellen sind Schriftstücke im Staatsarchiv Würzburg. In der Akte Miscellanea 2879 zum Beispiel wird ein Fall aus Schwebenried bei Arnstein (heute Landkreis Main-Spessart) aus dem Jahr 1593 dokumentiert. Dort beschuldigten Jörg Kolb und Jörg Sauer sogar einen Mann – ihren Nachbarn Hans Keller – der Hexerei. Doch am Ende kommt Julius Echter zu dem Schluss, dass es sich lediglich um „ein eitel fabelwerck“ handelt.
Wie in Neubrunn, so werde auch bei diesen Beispielen der umsichtige und immer gleiche Ablauf im Umgang mit Hexenvorwürfen deutlich, sagt der Historiker. Für ihn ist dies ein Hinweis dafür, dass der Fürstbischof eine eher „vorsichtige Prozessführung“ beabsichtigt hat. Erst 1600, „im 28. Jahr von Echters Episkopat“, findet die erste belegbare Hinrichtung statt.
Eine andere Akte (Miscellanea 1954 I), auf die sich auch Lyndal Roper bezieht, beleuchtet noch ein weiteres Problem beim Thema „Echter und Hexen“. Die Protokolle beschreiben unter anderem Vorfälle in Lauda, Grünsfeld und Königshofen um 1590. Roper und andere Forscher folgern: Die Hexenjagd in Würzburg müsse um diese Zeit begonnen haben.
Robert Meier sagt dazu: „Julius Echter hatte mit diesen Verfahren nichts zu tun, Grünsfeld war damals nicht unter Würzburger Verwaltung.“ Die von Historikerkollegen als sicher beglaubigten Nachrichten von Echter-Prozessen in 1590 lösen sich, so Robert Meier, in Luft auf. „Es handelt sich schlicht um falsche Zuschreibungen.“ Diese beruhen laut Meier unter anderen wohl auf die Wahrnehmung der Vorfälle in Gerolzhofen. Dort findet zwischen 1616 und 1619 eine „Prozesswelle“ gegen vermeintliche Hexen statt. Spätestens seit 1834 sei sie in der Forschung „ungeprüft als typisch für das gesamte Hochstift“ angesehen worden – und damit für Julius Echter. Gerolzhofen sei jedoch nur eine von 35 Würzburger Zenten, und aus den 34 anderen gebe es keine Hinweise auf ein vergleichbares, aus dem Ruder gelaufenes Vorgehen, so Meier.
„Die Wucht dieser Vorstellung vom Hexenbrenner war und ist offenbar so stark, dass bei Echter elementare Regeln im Umgang mit den Quellen nicht beachtet werden“, sagt Robert Meier. Ob er Lyndal Roper auf seine neuen Erkenntnisse aufmerksam machen wird? Der Historiker hat ihr seinen Aufsatz bereits im November geschickt. Noch hat er keine Antwort aus Oxford erhalten . . .