Nein, Seemannsgarn spinnt Kilian Popp keines, und auch plattdeutsch redet er nicht. Fränkisch dafür umso besser. Der Betriebsleiter der BayWa am Standort Ochsenfurt hat einen klitzekleinen Nebenjob: Er ist als Hafenmeister beim Kommunalunternehmen Stadt Ochsenfurt (KSO) tätig. Denn das KSO betreibt tatsächlich einen Hafen am Main. Einen gar nicht mal so unbedeutenden. Mehr als 100 Binnenschiffe werden jedes Jahr an der Kaimauer neben dem großen Lagerturm be- oder entladen. Und Kilian Popp sorgt dafür, dass alles reibungslos läuft.
Die BayWa in der Kindermannstraße bietet alles, was des Landwirts Herz begehrt. Das muss auch so sein, werden doch auf den guten Böden des angrenzenden Ochsenfurter Gaus und auch in der weiteren Umgebung bis Mittelfranken und Baden-Württemberg von jeher viele Feldfrüchte angebaut. Deshalb, sagt Kilian Popp, ist der Industriehafen am Main für das Unternehmen von großer Bedeutung. Von hier aus wird vor allem das von den Landwirten angelieferte Getreide, und da wiederum hauptsächlich Weizen, per Schiff weiter transportiert.
Alle zwei bis drei Tage kommt ein Schiff
Schon von weitem fällt beim Blick auf die Stadt das hohe Silogebäude ins Auge, das der Zwischenlagerung des Getreides dient. In den 1960er Jahren wurde es von der Firma Rhenania errichtet und in den 70ern von der BayWa übernommen. 5000 Tonnen hätten früher einmal in diesen Turm gepasst, erzählt der Hafenmeister, heute sind es noch 3000 Tonnen. Dazu gibt es neben dem Turm eine Halle, die weitere 20 000 Tonnen fasst.
Alle zwei bis drei Tage kommt ein Schiff nach Ochsenfurt. Wann genau eines eintrifft und wie viel Ladung es aufnehmen kann, erfährt Kilian Popp meist erst recht kurzfristig. Denn die Disponenten sitzen in München, und die Ladekapazität hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bis zu 2500 Tonnen Getreide können die meisten Mainschiffe transportieren. Doch der Rhein, den die aus Ochsenfurt kommenden Schiffe ansteuern, werde zunehmend von niedrigen Wasserständen geplagt, sagt Popp. Das führt dazu, dass die Schiffe manchmal viel weniger Ladung aufnehmen können, um ihren Tiefgang zu verringern. Und natürlich dürfen die Schiffe nicht breiter sein als die zwölf Meter breiten Schleusenkammern des Mains.
Im Schnitt nimmt ein Schiff aus Ochsenfurt 1000 bis 1500 Tonnen Getreide mit. Die Beladung über Förderanlagen direkt aus der Halle aufs Schiff dauert etwa einen Tag, eine Person kann den Vorgang allein bewerkstelligen. Ein voll beladenes Schiff mit 2000 bis 2500 Tonnen Ladung entspreche etwa 100 Lkw-Ladungen, rechnet Popp vor. Verglichen damit sei der Transport per Binnenschiff äußerst effektiv. Die Kunden, die das Getreide kaufen, seien zumeist Mühlenbetreiber, berichtet der Hafenmeister.
Rüben-Pellets fahren nach Holland
Bevor das Getreide von den fruchtbaren Gauböden überhaupt ins Lagerhaus darf, muss im wahrsten Sinne des Wortes die Spreu vom Weizen getrennt werden. Mit Förderbändern und sogenannten Elevatoren wird das Getreide transportiert, wobei es der Elevator mittels vieler hintereinander angeordneter Becher auch in die Höhe befördern kann. Dann folgt die Reinigung per Sieb und Luftstrom. In diesem Prozess erfolgt auch die Qualitätsermittlung, nach der sich der Preis richtet.
Während das in der Umgebung angebaute Getreide vom Ochsenfurter Hafen aus seine Reise erst antritt, erreicht ein anderes Produkt hier das vorläufige Ende seines Transportwegs: Düngemittel, die wiederum in der Landwirtschaft benötigt werden, kommen per Schiff in Ochsenfurt an und werden mit einem der beiden großen Kräne an Land gebracht. Und noch auf einer dritten Säule fußt der Umschlag des Binnenhafens. Die von der Zuckerfabrik hergestellten, getrockneten Pellets aus Rübenschnitzeln, eigentlich ein Abfallprodukt bei der Zuckerherstellung, sind ein beliebtes Viehfutter. Es fährt von Ochsenfurt zumeist in Richtung Holland.
Etwa 80 Prozent der Schiffe, die im Ochsenfurter Hafen festmachen, holen Waren ab, nur 20 Prozent machen hingegen die Entladevorgänge aus. Es ist möglich, an der 230 Meter langen Mole gleichzeitig ein Schiff zu be- und ein anderes zu entladen. Das KSO als Betreiberin des Hafens erhält als Vergütung für die Benutzung ihrer Anlage ein sogenanntes Ufergeld pro Tonne. Reich werde man damit aber nicht, scherzt Bürgermeister Peter Juks.
Ansprechpartner für die Schiffsbesatzungen
Als die Stadt vor einigen Jahren das Uferareal westlich der Neuen Mainbrücke erwarb, waren die zu erwartenden Einnahmen aus dem Hafenbetrieb aber auch nicht das entscheidende Kriterium. Vielmehr geht es der Stadt um Möglichkeiten bei der Mainufergestaltung und der Entwicklung der Weststadt, die nun vorangetrieben werden.
Mit dem Industriehafen hat das KSO natürlich auch gewisse Verpflichtungen übernommen. So muss die Betreiberin die Spundwand instand halten, eine Sanierung ist aber nur gelegentlich notwendig und steht in nächster Zeit nicht an. Während das Hafenbecken selbst Sache des KSO ist, gehören die Anlagen an Land der BayWa.
Kilian Popp, der nun für beide Betriebe zuständig ist, hat aber nicht nur die ordnungsgemäße Abwicklung der Ladevorgänge sicherzustellen. "Ich bin auch der Ansprechpartner für die Besatzungen der Schiffe", sagt er. Mit allen Fragen, die die hier ankommenden Binnenschiffer zu Ochsenfurt haben, wenden sie sich zunächst an ihn. Mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung kann der in Darstadt wohnhafte Hafenmeister dann weiterhelfen. Und das macht er auch gern.