Peter Honecker und seine Frau sind gerne draußen unterwegs. Besonders rund um ihren Heimatort Hohestadt kennen die beiden jede Ecke. Natürlich auch die vier Kapellen, die sich in fußläufiger Distanz zu dem Dorf oberhalb von Ochsenfurt befinden. Honecker überlegte sich, ob sich diese Kapellen nicht durch eine Wanderroute verbinden lassen könnten, und tüftelte eine sinnvolle Wegstrecke aus. Inzwischen gibt es eine kleine Karte zur Vier-Kapellen-Wanderung in der Ochsenfurter Tourist-Info, und auch in den gerade im Entstehen begriffenen Kulturweg "Thierbachtal" könnte sie einbezogen werden.
Inzwischen ist Peter Honecker aber noch einen Schritt weiter gegangen. Er hat erfahren, dass es zu jeder der Kapellen, beziehungsweise zu deren Standort, eine schauerliche Geschichte aus der Vergangenheit zu erzählen gibt. Diese Geschichten hat der Hohestadter recherchiert und zusammengetragen. Drei davon sind wahr, doch bei einer scheinen leise Zweifel angebracht.
1. Die Ochsenfurter Josefskapelle: Autounfall mit Toten und 21 Verletzten
Eine der tragischen Geschichten hat sich an der Wilhelmshöhe bei Ochsenfurt ereignet. 1929 kam es an dort zu einem Autounglück mit zwei Toten und 21 Verletzten. Die Josefskapelle, die heute in der Nähe steht, gab es damals noch nicht. An besagtem Tag, dem 29. Juni 1929, hatte die Ochsenfurter Sanitätskolonne an dem beliebten Ausflugsziel ein schönes Sommerfest gefeiert. Als spät am Abend die Teilnehmer über die alte Hohestadter Straße heimwärts gingen, kam es zur Katastrophe.
Von hinten fuhr das schwere alte Sanitätsauto auf dem abschüssigen Weg in die Fußgängergruppe – vermutlich aufgrund eines technischen Defekts. Eine 54-jährige Frau und ein siebenjähriger Bub kamen infolge Schädelbruchs zu Tode, 21 weitere Festgäste erlitten Knochenbrüche und Weichteilverletzungen, als sie teils von dem Fahrzeug überrollt wurden. Akribisch listete der Ochsenfurter Stadt- und Landbote, dem Peter Honecker die Informationen entnommen hat, sämtliche Verletzungen der Verunglückten auf.
2. Die Ochsenfurter Stöhr-Kapelle: Ein unheimliches schwarzes Tier erschien
Weniger tragisch, dafür umso schauerlicher, ist die Geschichte zur nächsten Kapelle auf Honeckers Route. Diese Erzählung nämlich rankt sich um die Stöhr-Kapelle, die 1911 errichtet wurde. Mit ihrem Bau beauftragte der Jäger Heinrich Stöhr seine Erben, nachdem er Jahre zuvor dort eine unheimliche Begegnung hatte. Eigentlich wollte Jäger Stöhr am Waldstück "Lohe" auf Rehböcke ansitzen, doch stattdessen lief ihm ein schwarzes Tier über den Weg, einer großen Katze nicht unähnlich.
Stöhr zielte und schoss, aber das Tier war nicht zu erlegen, so oft der Jäger auch den Abzug drückte. Im Gegenteil: Es schien ihm immer lebendiger zu werden. Ergriffen von der Furcht, dem leibhaftigen Teufel gegenüber zu stehen, bekreuzigte sich Stöhr – und das schwarze Katzentier verschwand.
3. Das Ochsenfurter Seiffert-Kapellchen: Ein kleines Mädchen ist hier erfroren
Bei der dritten Geschichte war ein kleines Mädchen die Leidtragende. Die kleine Elfriede Krebs, dreieinhalb Jahre alt und aus Altenschönbach, weilte am 8. Dezember 1936 zu Besuch bei ihren Großeltern. Mit ihrer Tante war sie zu Fuß unterwegs gewesen, aber nicht ganz bis zur großelterlichen Wohnung zurück gebracht worden.
Auf dem letzten Wegstück verlief sich das Kind. Gefunden wurde es am nächsten Tag von Schulkindern auf einem Acker nahe dem Seiffert-Kapellchen, nachdem am Vortrag eine Suchaktion von Angehörigen, Gendarmerie und Jungvolk ergebnislos geblieben war. Das Mädchen war erfroren. Sein Püppchen hatte es noch bei sich.
4. Die Ochsenfurter Wolfgangskapelle: Ein Kind wurde ausgesetzt
Nie aufgeklärt wurden hingegen die Umstände einer Kindesaussetzung im Jahr 1932. In den frühen Morgenstunden einer kalten Mainacht glaubte der alte Mesner der Wolfgangskapelle jungen Kätzchen schreien zu hören, und ging nachschauen. Er fand am Hauptportal der Kapelle ein neugeborenes Knäblein, in Stoffreste gehüllt.
Die sofort verständigte Polizei brachte den Jungen bei der örtlichen Hebamme unter, die ihn später auch adoptierte. Leider zog sich der Kleine im Alter von vier Jahren eine Blinddarmentzündung zu, an der er starb. Wer seine Eltern waren, ließ sich nie ermitteln. Es blieb reine Spekulation, dass das Kind aus einer angesehenen Ochsenfurter Familie stammte.
Das sind die Quellen für die vier Ochsenfurter Geschichten
Dass die Kapellen mit historischen Geschichten verbunden sein könnten, darauf kam Peter Honecker, als er bei einer seiner Wanderungen einen Bekannten aus der Altstadt traf. Der hatte die Erzählung von dem erfrorenen Kind gehört und wollte Näheres erfahren. Peter Honecker begann, nachzuforschen. Verschiedene Quellen tat der Hohestadter dabei auf. In den schriftlich festgehaltenen Lebenserinnerungen eines mit Peter Honecker übrigens nicht verwandten Martin Honecker fanden sich ebenso Informationen zu den örtlichen Geschehnissen, wie im Archiv der Stadt Ochsenfurt und den "Ochsenfurter Geschichten", einer zeitweise dem Info-Blatt beigelegten historischen Reihe.
Wer den Rundwanderweg gehen möchte, kann eine digitale Version der Route in der Tourist-Info erhalten. Sollte die Wanderung nicht zur Gänze in der neuen Kulturweg integriert werden, wird sie vermutlich in die offizielle Liste der Ochsenfurter Wanderungen aufgenommen werden, sagt Katharina Felton, die die Tourist-Info leitet.