
Die Corona-Krise hat unseren Alltag auf den Kopf gestellt. Und Homeoffice, Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Fitnessstudios sorgen bei vielen Menschen für ein paar "Corona-Kilos" auf den Hüften. Wie wird man die Pfunde wieder los? Annegret Hager, Diplom-Ökotrophologin und Ernährungstherapeutin beim VerbraucherService Bayern in Würzburg, hat Tipps, wie man seine Essgewohnheiten dauerhaft umstellen und sich gesünder ernähren kann.
Annegret Hager: Es hängt von jedem einzelnen ab, wie er Arbeitsalltag und Freizeit im Lockdown gestaltet. Schwer tun sich Leute, die nur zu Hause sind, denn oft fällt schon der Weg zur Arbeit oder mit den Kindern zu Kita oder Schule weg. Wichtig sind regelmäßige Mahlzeiten und Bewegung. Wer Corona-Kilos los werden möchte, muss an beiden Stellschrauben drehen. Dafür braucht es Zeit, nämlich Zeit, um vieles, was man sich angewöhnt hat, wieder abzugewöhnen. Manche Verhaltensmuster haben sich eingeschlichen, die gilt es Schritt für Schritt wieder loszuwerden.

Hager: Hilfreich ist es, einen Tag lang zu protokollieren, was und wann man über den Tag verteilt isst. Wann stehen Sie auf? Was und wann frühstücken Sie? Bewegen Sie sich? Wie sieht Ihre Hauptmahlzeit aus? Spüren Sie noch Hunger und Sättigung? Lieben Sie große Essportionen? Essen Sie eher schnell? Wie sind die Mahlzeiten zusammengesetzt? Was trinken Sie? Was gibt's zum Abendessen? Wird genascht? Diese Fragen sollte man sich – am besten schriftlich– selbst beantworten.
Hager: An einem Protokoll sieht man schnell: Ist das Problem das Essen zwischendurch? Esse ich zu wenig Gemüse und Salat? Esse ich zu viel einfache Kohlenhydrate oder zu viele versteckte Fette? Oft ist es auch die Essgeschwindigkeit, die Probleme macht und dazu führt, dass das Sättigungsgefühl zu spät einsetzt. Das alles sollte man sich bewusst machen, und darauf achten wir auch beim Beratungsgespräch.
Hager: Die meisten Menschen nehmen sich viel zu viel vor. Das können sie gar nicht durchhalten. Durch eine spezielle Diät wird das Essverhalten oft kurzfristig radikal verändert, damit man möglichst schnell Kilos verliert. Oft fehlt dann der Genuss, und man wird nicht mehr durch das Essen befriedigt. Eine Diät bedeutet auch Stress. Auf Dauer halten das die meisten nicht durch. Besser ist es, sich zu überlegen, wie man seine Essgewohnheiten in kleinen Schritten verändern kann.
Hager: Beim Intervallfasten folgt auf eine Essensphase immer eine Fastenperiode. Man kann dabei wählen: Populär ist die 16:8-Methode: 16 Stunden nichts essen und während der verbleibenden acht Stunden zwei bis drei Mahlzeiten zu sich nehmen. Andere legen wöchentliche Fastentage ein mit der 5:2 Methode: an fünf Tagen in der Woche normal essen und an zwei nicht aufeinanderfolgenden Tagen nur trinken und höchstens 500 bis 600 Kilokalorien zu sich nehmen. Mein Tipp ist, das Fasten individuell anzupassen. Fangen Sie doch mal mit Fasten von 19 bis 7 Uhr an. Das sind auch zwölf Stunden bis zum nächsten Frühstück.
Hager: In der Essenspause "zapft" unser Stoffwechsel das gespeicherte Fett an. Voraussetzung ist aber eine Pause von mindestens zwölf Stunden. Jeder Bissen zwischendurch unterbricht die Fettverbrennung. Das ist ein Grund, warum ständiges Snacken Fettpölsterchen wachsen lässt. Der menschliche Körper übersteht längere Hungerperioden, indem er vorher Energiereserven speichert – auch in Form des gefährlichen Bauchfetts – und bei Bedarf wieder mobilisiert. Allerdings reduziert er auch in Fasten- und Diätphasen den Energieverbrauch und beginnt, Eiweiß in den Muskeln abzubauen, sofern diese nicht durch Bewegung und Sport gefordert werden.
Hager: Die Keto-Diät funktioniert ähnlich wie die Low-Carb-Diät, aber es sind dabei noch weniger Kohlenhydrate erlaubt. Ziel des radikalen Verzichts ist, dass der Körper auf den Fettstoffwechsel zur Energiegewinnung umstellt. Bei einer ausgewogenen Ernährung werden die zugeführten Kohlenhydrate als Energielieferanten genutzt. Man muss allerdings mehrere Wochen Geduld haben, bis der Körper auf die Fettverwertung umgestellt hat.
Hager: Wir Ernährungsberater sind eher skeptisch. Die ketogene Diät ist nicht für alle Menschen geeignet und birgt langfristig gesundheitliche Risiken. So kann es zum Beispiel zu einer latenten Übersäuerung des Körpers, zu Ablagerungen in den Blutgefäßen oder einem erhöhten Gichtrisiko kommen. Es können dabei Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe fehlen. Besser als einseitige Sonderkostformen zu verfolgen wäre, seine Essgewohnheiten individuell und dauerhaft umzustellen.
Hager: Als erstes kann ich meine Essgeschwindigkeit verändert und versuchen, langsamer zu essen und jeden Bissen ganz bewusst zu kauen. Die zweite wichtige Umstellung ist, kalorienfrei oder kalorienarm zu trinken, das heißt Wasser, ungesüßten Tee, Kaffee und sehr stark verdünnte Saftschorlen. Dabei spare ich mir schon mehrere hundert Kilokalorien pro Tag. Oft genügt schon eine Zitronenscheibe im Mineralwasser, um es attraktiver zu machen.
Hager: Die meisten mögen Smoothies mit viel Obst. Gesünder, weil mit weniger Zucker, sind die mit viel Gemüse wie Grünkohl, Blattsalat oder Spinat. Mache ich meinen Smoothie selbst, kann ich genau steuern, was ich hineingebe. Smoothies aus dem Supermarkt bestehen mitunter zur Hälfte aus Obstsäften anstelle von püriertem Obst und Gemüse. Mit Fruchtpüree und Fruchtfleischstückchen wird dann noch nachgedickt. Je höher aber der Saftanteil, desto mehr schnell verdaulichen Zucker enthält ein Smoothie.
Hager: Auf jeden Fall sollte man zu jeder Hauptmahlzeit eine gute Portion Gemüse, Salat oder Obst einplanen. Fragen Sie sich: Welcher Essenstyp bin ich? Esse ich gerne mittags die Hauptmahlzeit oder eher abends? Brauche ich nachmittags etwas Süßes? Welche Gewohnheiten sind mir wichtig? Welche könnte ich verändern? Manche sind nachmittags auch nur mit einem Kaffee und einer Praline glücklich. Andere kommen mit einem kleinen Dessert direkt nach dem Mittagessen gut durch den ganzen Nachmittag.
Hager: Wichtig ist, dass man Snacks portioniert und nicht gleich die ganzen Tüten mit vor den Fernseher nimmt. Chips, Gummibärchen oder Schokolade dann bitte nicht mehr nachfüllen. Am besten man isst beim Abendessen ein Brot weniger, wenn man merkt, man hat noch Lust auf eine kleine Handvoll Chips oder ein Stück Schokolade. Man darf sich etwas gönnen. Die Menge macht's. Es muss nicht eine große Portion sein. Gesünder ist es, statt Chips eine kleine Handvoll Nüsse oder Mandeln am besten ohne Salz zu naschen. Oder ein Naturjoghurt mit etwas Honig oder Marmelade. Wer aber Lust auf Schokolade hat, sollte sich ein Stück gönnen und das bewusst genießen.
Hager: Die Menge macht's, auch beim Alkohol. Natürlich darf man sich mal ein Glas Wein – am besten ein Achtele – oder ein Bier gönnen. Auch hier sollte man ganz bewusst genießen. Und das natürlich nicht jeden Tag.
Hager: Ein ausgewogenes Mittagessen, das gut sättigt, nur ab und zu eine Kuchen-Zwischenmahlzeit, aber am besten nur ein Kaffee mit einer Praline und abends ein relativ leichtes Abendessen. Dann ab etwa 19 Uhr nichts mehr essen. Das ist zusammen mit täglichen Spaziergängen für mich eine leichte Möglichkeit, Gewicht zu halten.
Einen Online-Vortrag zum Thema "Intervallfasten - leichter abnehmen oder gut für den Darm?" bietet die Verbraucherberatung am Mittwoch, 10. März, von 18 bis 19 Uhr. Ernährungsexpertin Anngeret Hager erklärt dann, wie man stunden- oder tageweise auf Essen verzichten kann und welche Effekte das für den Körper hat. Dazu gibt es Hintergrundwissen und Tipps für eine darmfreundliche Ernährung. Anmeldung beim VerbraucherService Bayern in Würzburg, Tel. (0931) 30 50 80. Im Internet: www.verbraucherservice-bayern.de