
Nur noch einige Stunden ist es hin, bis Noah Glasstetter an diesem Samstag am Nürburgring kräftig in die Pedale treten wird. Denn der 18-Jährige macht mit beim 24-Stunden-Rennen per Fahrrad auf der bekannten Formel 1-Motorstrecke, die durch die Eifel führt. Die Nordschleife genießt sogar den furchterregenden Ruf als "Grüne Hölle".
Den 18-jährigen Würzburger schreckt das nicht ab, wohlwissend, dass er die Tour noch vor einigen Jahren nie hätte schaffen können. Denn Noah leidet seit seiner Geburt an der Erb- und Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose. Die Krankheit, so erzählt er beim Gespräch mit dieser Redaktion, sei bislang nicht heilbar und gelte als lebensverkürzend. Sie könne alle inneren Organe betreffen, fast immer aber seien die Lunge und somit die Atmung und die Bauchspeicheldrüse - zuständig für die Verdauung - beeinträchtigt.

Festgestellt wurde die Mukoviszidose bei Noah mit neun Monaten - durch einen Arzt in der Würzburger Missio-Klinik, der den Verdacht hegte und das Baby daraufhin untersuchte. Rückblickend, sagt Noah, sei seine Kindheit eigentlich recht normal verlaufen, "außer, dass ich durch die Erkrankung öfter Infektionen hatte, die zumeist mit Antibiotikum behandelt werden mussten". Auch habe er täglich dreimal inhalieren und zum Essen bestimmte Enzyme zu sich nehmen müssen, erzählt der sportliche junge Mann offen.
Im Alter von 13 wurden die Beschwerden plötzlich schlimmer
Als er 13 Jahre alt war, seien die Beschwerden plötzlich schlimmer geworden. Die Infektionen häuften sich, "meine Lungenkapazität verschlechterte sich", erzählt er mit gesenktem Blick. Zu diesem Zeitpunkt informierte die Christiane-Herzog-Ambulanz an der Uniklinik Würzburg, die außer Noah noch weitere 120 Patienten und Patientinnen in Unterfranken betreut, über die erfolgsversprechende Studie zu einer neuen Medikamententherapie mit der Dreifachkombination "Kaftrio". Diese war für die Genmutation entwickelt worden, die auch Noah betraf. Das Gute: Die Therapie hatte in den USA schon große Erfolge gezeigt. "Ich hatte dann die Möglichkeit, nach der Markteinführung im September 2020 dieses Medikament anzuwenden", berichtet er.
Und "wie Magie" sei es gewesen, "dass das Medikament auch bei mir wirkte", beschreibt er die Zeit, die dann folgte. Die dauernden Infekte endeten und seine Lungenkapazität stabilisierte sich. Tatsächlich schildert auch seine behandelnde Ärztin Corinne König auf Nachfrage der Redaktion, dass man bei vielen an Mukoviszidose Erkrankten eine Funktionsverbesserung betroffener Organe erreichen könne. Das Medikament bekämpfe nicht nur wie andere Arzneien, die bei Mukoviszidose eingesetzt werden, die Symptome. Durch sogenannte „CFTR-Modulatoren“ sei es möglich, die Funktion des Transportkanals in der Zelloberfläche zu verbessern und dazu beizutragen, dass weniger zäher Schleim gebildet wird. König sieht in der Behandlung einen großen Fortschritt für ihre Patienten und Patientinnen.

Interesse am Radsport kam auch durch den Onkel
Fast parallel zum Beginn dieser Therapie begann Noah sich auch für den Radsport zu interessieren. "Sicher hatte da auch mein Onkel Joa aus dem Allgäu Einfluss gehabt", sagt er und grinst, "er entwirft und baut Räder". Er habe ihn motiviert, mehr zu trainieren und "durch meine bessere Lungenfunktion hat das auch Spaß gemacht". Sein Level Ausdauersport zu betreiben, sei nun ein ganz anderes. An Weihnachten 2021 bekam er sein erstes "Gravel-Bike", dann entwarf Noah mit seinem Onkel sein eigenes Rennrad, das er immer weiter verfeinerte, und mit dem er 2022 erstmals trainieren konnte.
"Ich möchte was reißen", sagt der 18-Jährige, der gerade sein Abitur bestanden hat. Heute trainiert er strukturiert, liebt die Geschwindigkeit beim Radfahren und fährt fast profimäßig Rennrad. Seine Eltern und Freunde haben ihn immer unterstützt, "sowohl in den ganz schwierigen Zeiten, als auch jetzt beim Rennradfahren".
Aufmerksamkeit auf die Krankheit lenken und informieren
Als Ende 2022 die Anfrage eines Bekannten, Reiner Heske, kam, ob Noah in dessen Team bei "Rad am Ring - die grüne Hölle am Nürburgring" am 23. Juli mitfahren möchte, war die Antwort klar. Heske, erklärt Noah, sei ebenfalls Mukoviszidose-Patient, seit 2013 lungentransplantiert und ein großes Vorbild. Das insgesamt vierköpfige Team möchte aber nicht nur gemeinsam die Herausforderung der legendären Nordschleife meistern, sondern gleichzeitig auch Aufmerksamkeit auf die zu den seltenen Erkrankungen zählende Mukoviszidose lenken.

"Wir wollen informieren und sensibilisieren", sagt Noah, der auch Mitglied in der Selbsthilfegruppe Unterfranken ist und schon viele Spendenläufe und Benefizveranstaltungen von Klein auf begleitet hat. Ihm sei durchaus bewusst, dass er in seinem Krankheitsverlauf bisher priviligiert sei, "ich weiß, dass es viele schwere Fälle gibt". Manchmal, sagt er, sei es aber auch ein Selbstschutz, sich nicht zu sehr mit den schlimmen Verläufen zu befassen.
Kurz vor dem Rennen fiebert der Tour-de-France-Fan dem 25 Kilometer-Rundkurs und den zu bewältigenden Höhenmetern gespannt entgegen. Besonders die 24 Stunden, die von den Teammitgliedern im Wechsel gemeistert werden müssen, seien eine Herausforderung. Aber: Mit Herausforderungen im Leben kennt Noah sich aus. Sicher wird er auch diese meistern.