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Würzburg
Schauspielerin Michaela May über ihre tragische Familiengeschichte: "Ich möchte den Leuten Mut machen"
Mit 70 Jahren erzählt die Schauspielerin erstmals von den Suiziden ihrer drei Geschwister. Was ihr Kraft gibt und warum sie sich auch in Unterfranken ehrenamtlich engagiert.
Wie geht man mit schweren Schicksalsschlägen um? Schauspielerin Michaela May hat ihr eigenes Rezept: 'Am Besten ist, im Hier und Jetzt zu leben', sagt die Patin der Main-Post-Aktion 'Zeichen setzen!'. 
Foto: Nils Schwarz | Wie geht man mit schweren Schicksalsschlägen um? Schauspielerin Michaela May hat ihr eigenes Rezept: "Am Besten ist, im Hier und Jetzt zu leben", sagt die Patin der Main-Post-Aktion "Zeichen setzen!". 
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 23:04 Uhr

Serien wie "Kir Royal" und "Monaco Franze" oder in Krimi-Reihen wie "Tatort" oder "Polizeiruf 110" – Michaela May wirkte seit 1964 in über 145 Film- und Fernsehproduktionen mit. Seit Jahrzehnten präsentiert sich die Münchenerin als gut gelaunte und optimistische Person, die sich viel und gerne für andere einsetzt. 

Die mehrfach ausgezeichnete Schauspielerin engagiert sich unter anderem für die Welthungerhilfe, setzt sich für an Mukoviszidose erkrankte Kinder ein, kümmert sich gemeinsam mit Elmar Wepper in der Initiative Retla e.V. um Seniorinnen und Senioren, unterstützt ein SOS-Kinderdorf in Ghana und ist dieses Jahr Patin der Main-Post-Aktion "Zeichen setzen".  Dass sie "Hinter dem Lächeln", so der Titel ihres autobiografischen Buchs, auch ihre tragische Familiengeschichte versteckte, hat die 70-Jährige erst in diesem Jahr in die Öffentlichkeit getragen.

Frau May, in ihrer Autobiografie "Hinter dem Lächeln" erzählen Sie erstmals, dass Ihre drei Geschwister alle freiwillig aus dem Leben geschieden sind. Was hat Ihnen und Ihrer Familie nach diesen Schicksalsschlägen wieder zurück ins Leben geholfen?

Michaela May: Meine wichtigste Erkenntnis: Man darf keine Schuldgefühle haben. Am Besten ist, im Hier und Jetzt zu leben – in der Gegenwart – und den Schmerz nicht immer wieder hochzuholen. Man darf sich auch nicht ständig selbst bemitleiden. Meine Mutter wollte die Geburts- und Todestage meiner Geschwister nicht feiern: "Lassen wir es ruhen", hat sie immer gesagt. Und das war gut. Ich hatte ihr auch versprochen, dass so lange sie lebt, alles ruht. Doch nach dem Tod meiner Mutter habe ich unsere ganze Kindheit noch mal Revue passieren lassen. Mit meinem Buch möchte ich Leuten Mut machen, die ähnliche Schicksalsschläge erlebt haben.

Sind Depression und Suizid immer noch Tabuthemen in unserer Gesellschaft?

May: Ja, dabei betrifft es leider so viele Menschen. Depression ist eine Krankheit, die behandelt werden muss und kann. Genau wie Krebs auch ernst genommen wird. Man braucht auch eine Therapie für die Seele. Aber die Diagnose ist nicht einfach: Bis wohin ist man gesund? Ab wann depressiv? Jeder hat seinen Rucksack zu tragen, manche haben mehr Gepäck. Deshalb ist es mir wichtig, mit meinem Buch Hilfe zu leisten. Es muss noch offener über diese Themen gesprochen werden.

War das Schreiben des Buches befreiend für Sie?

May: Das Schreiben war wie eine Therapie. Es hat große Wellen geschlagen. Ich sehe auch an den Reaktionen und Zuschriften, die ich nach Lesungen bekomme, wie viele Menschen dieses Thema bewegt. Anhand meiner Geschichte können die Menschen sehen, dass es andere auch geschafft haben, über Schicksalsschläge hinwegzukommen. Es war für mich ein Ansporn zu beschreiben, dass man auch mit einem schweren Rucksack wieder Leichtigkeit und Freude empfinden kann.

So kennen sie die meisten: Michaela May mit ihrem ansteckenden Lachen. Ihr Lebensmotto: 'Deine Zeit ist jetzt. Genieße den Augenblick'.
Foto: Nils Schwarz | So kennen sie die meisten: Michaela May mit ihrem ansteckenden Lachen. Ihr Lebensmotto: "Deine Zeit ist jetzt. Genieße den Augenblick".

Sie haben sich in Ihrem Leben schon immer für Menschen eingesetzt, die Hilfe benötigen. Dieses Jahr sind Sie auch Patin der Main-Post-Aktion "Zeichen setzen!", die ehrenamtliches Engagement in der Region auszeichnet. Was war für Sie das ausschlaggebende Erlebnis, sich zu engagieren?

Michaela May: Mein erstes ehrenamtliches Engagement galt der Krankheit Mukoviszidose. Den Verein Mukoviszidose e.V. hatten Eltern erkrankter Kinder vor 50 Jahren gegründet, denn in den 1980er Jahren wurde erst einiges über diese seltene Krankheit bekannt. Die Pharmaindustrie hatte kaum Interesse an der Erforschung der Krankheit, weil es mit vergleichsweise wenigen Patienten zu wenig zu verdienen gab. Mukoviszidose entsteht aufgrund eines Fehlers im Erbgut. Infolge dieses Gendefekts wird in vielen Organen des Körpers ein zäher Schleim produziert. Zum Glück ist Mukoviszidose heute besser behandelbar, aber noch immer nicht heilbar.

Wie sind Sie auf den Verein "Mukoviszidose e.V." aufmerksam geworden?

May: Mitte der 90er Jahre kam eine Nachbarin auf mich zu, ob ihr Sohn vielleicht meiner Tochter Klavierunterricht geben könne. Er hatte Musik studiert, konnte aber keine Engagements annehmen, weil die mit seiner Mukoviszidose-Erkrankung verbundenen Einschränkungen unkalkulierbar waren. Das hat mich tief berührt. Deshalb wollte ich etwas tun, um die Chancen von Erkrankten zu verbessern. Damals lag die Lebenserwartung bei Mitte zwanzig. Der junge Mann musste viele Medikamente nehmen und täglich eineinhalb Stunden inhalieren. Trotzdem wurde seine Krankheit nicht besser. Es war sehr wichtig, dass von privater Hand über diese Krankheit geforscht wurde.

Was ist aus dem jungen Mann von damals geworden?

May: Er ist leider gestorben. Er hätte eine neue Lunge gebraucht und das hat nicht mehr geklappt. Aus diesem Grund habe ich vor allem auf Forschung gesetzt und Gelder dafür gesammelt. Dank Forschung weiß man heute, wie wichtig die Früherkennung ist, und, mit welchen Therapien man die Lungen am besten stärken kann. So ist die Lebenserwartung in den vergangenen 25 Jahren um fast 30 Jahre gestiegen. Vielleicht gelingt ja eine weitere Steigerung. Das wünsche ich mir sehr.

Seit vielen Jahren engagieren Sie sich auch für die Welthungerhilfe. Wie sind Sie dazu gekommen?

May: Am liebsten helfe ich Kindern, hier bei uns und in der Ferne. Ich selbst habe zwei gesunde Kinder und mir war klar, dass ich etwas für andere Kinder tun möchte. Deshalb bin ich auch Botschafterin für die Welthungerhilfe geworden. Mir liegt es am Herzen, dass die Kinder dort genug zu essen haben. Gerade war ich im Norden von Kenia. Dort hat es seit fünf Regenzeiten nicht geregnet. Die Kinder sind extrem unterernährt. Wenn man das sieht, wird man sehr demütig.

Es ist Ihnen ein Anliegen, anderen Hoffnung zu schenken. Was gibt Ihnen selbst Kraft im Leben?

May: Yoga ist für mich eine wichtige Basis für meine Beweglichkeit von Körper, Geist und Seele. Dazu mache ich morgens zwölfmal den Sonnengruß, dann fängt mein Tag schon gut an. Der Sonnengruß besteht aus zwölf Asanas (Körperübungen), welche als eine dynamische Übungsfolge mehrmals wiederholt werden. Einmal in der Woche mache ich auch Yoga in der Gruppe. Natürlich ändern sich die Asanas. Je nach Alter muss man andere Übungen für sich finden. Insgesamt lautet mein Motto: "Deine Zeit ist jetzt. Genieße den Augenblick".

"Deine Zeit ist jetzt. Genieße den Augenblick".
Michaela May über ihr Lebensmotto

Sie sind eine richtige Volksschauspielerin, die in Deutschland eigentlich jeder kennt. Gibt es diese typischen Volksschauspieler überhaupt noch?

May: Die Vielfalt und die Vielzahl der Produktionen macht es heute schwieriger bekannt zu werden. Früher gab es drei Fernsehprogramme und da erreichte man schnell eine gewisse Popularität. Heute muss man ein Riesenglück haben, dass man durch eine Serie bekannt wird. Und manche Serien kennen dann nur die Jungen – und nicht mehr die Alten.

Sie haben in über 300 Filmen mitgewirkt. Welche Produktionen bleiben Ihnen für immer in Erinnerung?

May: Das kann ich gar nicht so pauschal sagen. Eigentlich hat mir alles Spaß gemacht. Ich habe meine Rollen immer ernst genommen und versucht sie immer gut zu spielen. Die Zusammenarbeit mit Helmut Dietl war natürlich sehr prägend für mich. Durch die "Münchner G'schichten" habe ich mich erst für den Beruf der Schauspielerei entscheiden, sonst wäre ich Erzieherin geworden. "Monaco Franze" und "Kir Royal" haben wahnsinnig viel Spaß gemacht. Aber auch die Dreharbeiten mit Franz Xaver Bogner für die Serien "Zur Freiheit" und "Irgendwie und Sowieso". Die Rolle der Jo Obermeier an der Seite von Edgar Selge im "Polizeiruf" war auch wunderbar. Jeder einzelne Film oder jede Serie haben mir Spaß gemacht. 

Wann kann man Sie wieder auf der Bühne oder im Fernsehen sehen?

May: In diesem Jahr habe ich einen Film gedreht, der den Arbeitstitel "Bad Friday" trägt. Er wird wohl Ostern gesendet. Im Januar und Februar spiele ich in Hamburg Theater. Und ich bin weiter auf Lese-Tour. 

Michaela May liest am Sonntag, 11. Dezember, um 19.30 Uhr in der Erlenbachhalle in Igersheim (Main-Tauber-Kreis). Karten gibt es im Rathaus Igersheim, Telefon 07931-4970 oder per E-Mail ktm.tbb@t-online.de sowie an der Abendkasse.

 
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