"Wenn man was mit Tourismus macht, muss man ein bisschen verrückt sein." Sagt Björn Rudek. Der 40-Jährige ist seit vergangenen August Tourismus-Chef von Würzburg und macht schon seit seiner Schulzeit "was mit Tourismus", als er als Stadtführer in seiner Heimatstadt Wolfsburg das Taschengeld aufbesserte. Das Ein-bisschen-Verrücktsein erklärt er in drei Sätzen: "Wir arbeiten, wenn andere Urlaub haben. Wir müssen mit knappen Etats leben. Und wir haben es mit Menschen in allen Stimmungslagen zu tun."
Aber Rudek lässt im Gespräch mit der Redaktion, in dem es um eine erste Bilanz seiner Arbeit und die Herausforderungen für das neue Jahr geht, keinen Zweifel aufkommen, dass er gerne ein bisschen verrückt ist. "Es ist ein wunderbarer Job, wir können Menschen täglich glücklich machen. Zudem mag ich es, Projekte anschieben zu können." Hilfreich dabei: "In Würzburg hat man alles, was man zum Tourismus braucht", erklärt der Tourismusdirektor des städtischen Eigenbetriebes Congress Tourismus (CTW).
Was das ist? Rudek zählt auf: Das Weltkulturerbe Residenz, die Festung, die vielen anderen Baudenkmäler, die zentrale Verkehrslage, den Wein, große Festivals, die lebendige Innenstadt, die Lage am Fluss. Und er erinnert sich an seinen ersten Würzburg-Besuch 2006, als er auf der Touristenachse vom Dom zur Residenz läuft - "die immer größer und größer wurde. Das war ein Wow-Effekt".
Noch keinen unfreundlichen Würzburger getroffen
Doch Bauten allein machen nicht das Flair einer Touristenstadt aus. "Gastgeber ist letztlich der Bürger." Und diesen stellt Rudek ein gutes Zeugnis aus: Mit unfreundlichen Würzburgern habe er bislang noch nicht zu tun gehabt. "Der Franke an sich ist unaufgeregt, sehr sympathisch. Hier gilt der Handschlag noch was", hat der studierte Freizeit- und Tourismus-Geograph erfahren, der schon viel herumgekommen ist, viel Kontakt mit Reisenden und Reiseexperten hatte.
Während und nach der Schule arbeitete Rudek im Citymarketing und Tourismus der Autostadt Wolfsburg, in Wilhelmshaven am Projekt "Expo am Meer", war in Trier neben und nach dem Studium (Diplomarbeit "Kooperation im Städtetourismus") touristisch aktiv, ehe er in Bad Nauheim das European Elvis-Festival mit neu aufstellte und sich dem Gesundheitstourismus und der Landesgartenschau widmete. Dann wurde er Geschäftsführer von "Historic Highlights of Germany" - eine Vereinigung von 17 historischen Städten -, zu der auch Würzburg zählt und wo er seinen Vorgänger Peter Oettinger kennenlernte.
Dieser hat in Würzburg nach 30-jährigem Wirken eine Erfolgsbilanz hinterlassen - mit über 13 Millionen Tagesbesuchern und rund einer Million Übernachtungen pro Jahr, mit gut gebuchten Hotels und einem blühenden Tagungsgeschäft. Hat der neue Mann ja eigentlich nicht mehr viel zu tun? Da muss Rudek in seinem Büro im Würzburg-Palais (neben dem Congress Centrum) lachen. "Von wegen. Das ist alles kein Selbstläufer, da muss man dran arbeiten. Themen, Aufgaben und Herausforderungen gibt's genug."
Die Gäste sind anspruchsvoller geworden
Rudek nennt in diesem Zusammenhang die Weiterentwicklung des Tageszentrums auf der Festung, die weitere Modernisierung des Congress Centrums (CCW), mehr Internationalisierung, mehr Digitalisierung, und daraus ableitend auch neue Angebote für die Kundschaft. Die Gäste seien anspruchsvoller geworden, wünschten sich mehr Insider-Tipps. Vor allem die Deutschen. "Diese wollen grundsätzlich nicht so gerne dahin, wo andere Touristen sind." Und was wollen die anderen? "Der Franzose interessiert sich stark für sakrale Kunst. Und der Niederländer hat's gern klassisch mit Rundgängen durch die Stadt", weiß Rudek. Für alle Gäste gelte, was völlig verständlich ist: "Je individueller man mit ihnen umgeht, umso dankbarer sind sie."
Massentourismus ist ohnehin nicht Rudeks Sache. Bei seinen zahlreichen Reisen - er spricht Italienisch, Spanisch, Englisch und Französisch - faszinierte ihn die Insel Lanzarote, wo das Konzept des Künstlers und Umweltschützers Cesar Manrique einen nachhaltigen Tourismus förderte. Das gelte auch für Würzburg: "Den Tourismus in Einklang zu bringen mit den Interessen der Bevölkerung."
Das bedeutet aber nicht, dass man keine neuen Gästekreise erschließen braucht. Es gehe vielmehr darum, wie man sich in einer älter und vielfältiger werdenden Gesellschaft auf unterschiedliche Zielgruppen und zunehmend international Reisende einstellt, ohne "die notwendige touristische Wertschöpfung" aus den Augen zu verlieren. Denn: "Wichtig ist, dass wir in Würzburg auch gut vom Tourismus leben können."
Wohlfühlstadt ohne Besichtigungsstress
Dabei hat Rudek auch ein jüngeres Publikum im Visier sowie noch mehr internationale Gäste, vor allem aus China und den USA. Um diesen Würzburg schmackhaft zu machen, bedürfe es beim Werben vor allem einer verstärkten Digitalisierung. Rudek schränkt allerdings ein: "Trotz sozialer Medien muss man nicht auf jeden Hype aufspringen." Er setzt mehr auf Strategie statt auf Taktik. "Bei taktischer Ausrichtung laufen Sie immer hinterher, ein strategischer Ansatz bringt mehr Ruhe und ist nachhaltiger."
Seine Strategie: Würzburg mit seinen regionalen Besonderheiten wie Wein und Kultur als "Wohlfühlstadt ohne Besichtigungsstress" zu vermarkten. Wichtig dabei: "Den Gast auch emotional zu erreichen, das ist unsere Aufgabe." Rudek bringt bei seinem Ansatz "mehr Emotionen als Fakten" zu bieten, die Genuss-Thematik ins Spiel oder sieht einen roten Faden vom Tiepolo-Fresko in der Residenz über das Wandgemälde von Wolfgang Lenz im Rathaus bis hin zum Kulturspeicher.
Konkrete Projekte für dieses Jahr will Rudek noch nicht verraten, aber im Hintergrund arbeiteten er und sein 30-köpfiges Team fleißig "an spannenden Neuigkeiten für unsere Gäste". Die Prognosen für den Deutschlandtourismus stünden zudem gut. Eine wichtige Botschaft für die Stadt. "Wäre der Tourismus eine Firma, wäre sie mit 10 300 Arbeitsplätzen der größte Arbeitgeber", erklärt Rudek. Diese Zahl entstammt einer repräsentativen Studie und umfasst im Prinzip alle Profiteure des Fremdenverkehrs - vom Souvenirladen-Inhaber bis zum Steuerberater des Hotelbetreibers.
Der Tourismusdirektor verreist mit Rucksack
Und was macht der "Firmenchef" privat? Geht am Main joggen, will wieder mit dem Rudern anfangen, trinkt außer Frankenwein auch mal ein Bier, fährt als gebürtiger Wolfsburger einen VW, schreibt an seiner Doktorarbeit über die beihilferechtliche Finanzierung von Tourismusorganisationen, verreist mal mit Rucksack per Bahn, schaut sich gerne das Wandgemälde mit Würzburgs Geschichte im Ratssaal an. So verrückt kann Björn Rudek gar nicht sein.