Die New Yorkerin Suzanne Vega gilt seit ihrem Durchbruch Mitte der 80er Jahre als Erneuerin des Folk. In den 40 Jahren ihrer Karriere hat sie sich vielen musikalischen Neuerungen geöffnet und ist dabei trotzdem immer ihrer ganz persönlichen Art treu geblieben. Am Dienstag, 1. August, ist sie beim Würzburger Hafensommer zu erleben. Im Gespräch vorab nimmt die 64-Jährige Stellung zur Lage der Welt, zum Musikbusiness und zu ihrer Sicht auf Politik und Poesie.
Suzanne Vega: (lacht) Ich denke, Folk ist nichts, was irgendeiner Mode unterliegt. Folk ist fundamental. Folk ist die Basis für jegliche Art Song. Zu Hause hatte mein Stiefvater eine Gitarre. Nach dem Essen spielte er alle Songs, die er kannte. Er schrieb sogar ein paar selbst. Ich bin damit aufgewachsen, dass es in der Küche eine Gitarre gab, die auch gespielt wurde. Draußen gibt es alle möglichen Arten von Musik. Aber drinnen, zu Hause, brauchst du Songs, um deine Geschwister ins Bett zu bringen oder um Geburtstage oder Weihnachten zu feiern.
Vega: Die Texte sind bis zu einem gewissen Grad wichtig. Ich hatte das Glück, dass die Plattenfirma meines ersten Albums die Texte in vier Übersetzungen mit abgedruckt hat. Ich hatte viel Zeit in die Übersetzungen investiert und dachte, das würde jetzt immer so laufen. Aber als ich andere Plattenfirmen hatte, wurde mir klar, dass manchen die Texte völlig egal waren. Im Grunde denke ich, man muss ein paar Wörter verstehen, aber es geht vor allem um das Gefühl und die Idee. Ich, zum Beispiel, liebe portugiesische Musik, spreche aber kein Portugiesisch. Aber wenn ich weiß, dass "Alvorada" Morgendämmerung heißt, kommt der Rest von ganz allein. Mein Song "Luka" war ein Top-Ten-Hit auf der ganzen Welt - sogar in Ländern, in denen kein Englisch gesprochen wird wie Indonesien oder Japan. Es gibt eine Bedeutung jenseits der Worte.
Vega: Ich war abgestoßen, als ich gesehen habe, was in meinem eigenen Land passierte. Aber ich hoffe, dass wir derzeit nicht eine Entwicklung in eine Richtung erleben, sondern nur den Ausschlag des Pendels in die eine Richtung. Und dass es wieder in die andere Richtung zurückschwingen wird. Die Menschheit verändert sich nicht so stark von einem Irrtum zum nächsten. Ja, derzeit erleben wir einen Rückschlag, aber die Menschheit wird sich nicht kollektiv in den Abgrund stürzen.
Vega: Sie wissen offensichtlich, auf welcher Seite ich stehe, sonst würden Sie diese Fragen nicht stellen. Um zu überleben, sind wir angewiesen auf die Grundsätze der Linken. Der Rechten geht es nur um Verteidigung und Zerstörung und Abschottung. Uns Liberale gibt es in allen Schattierungen, aber am Ende geht es linker Philosophie immer darum, etwas aufzubauen und lernen, miteinander zu leben. Es geht um Liebe, Respekt und darum, die Einzigartigkeit des anderen anzuerkennen. Und es geht um Respekt für den Planeten, der in Schwierigkeiten steckt.
Vega: Beides. Ich habe etwas für mich Ungewöhnliches gemacht: Ich habe einen Song über die Lage in der Ukraine geschrieben. Einen sehr einfachen Song mit dem Titel "Last Train From Mariupol", eine Vision, wie dieser letzte Zug die Stadt Mariupol verlässt, während die Apokalypse hereinbricht. Ich schreibe sonst keine politischen Songs, aber auch dieser ist in meiner üblichen poetischen Art entstanden. Manchmal gibt es Momente, wo man so bewegt ist, dass man das Gefühl hat, unbedingt etwas sagen zu müssen.
Vega: Für mein Werk an sich hat sie keine Auswirkungen. Sie hat mehr mit dem Vertrieb von Musik zu tun. Das ist einerseits traurig, andererseits hatte ich großes Glück, als ich in den 80ern daherkam. Damals wurden noch Abermillionen eines Produkts verkauft. Auch von mir: Ich habe fünf Millionen Alben verkauft, bevor ich 30 war. Das war ziemlich gut. Das geht heute nicht mehr, aber muss es? Ich denke nicht. Ich habe gelernt, meine Erwartungen an den Verkauf von Musik anzupassen. Aber das schlägt sich nicht auf mein Schreiben nieder. Ich habe immer noch die gleiche Gitarre und die gleiche Fantasie.
Vega: Einerseits ja, andererseits besitzen sie immer noch die Masterbänder. Und das ist so frustrierend. Wenn du Bob Dylan bist, kannst du deine Masterbänder verkaufen und Millionen verdienen. Aber jemand wie ich oder auch Taylor Swift - auch sie ist nicht im Besitz ihrer Masterbänder, was unglaublich ist. Die Plattenfirmen sitzen auf den Masterbändern und machen nichts damit. Das ist sozusagen ihr letzter Zugriff auf die Künstler. Ich habe zwar immer noch meine Kämpfe mit den großen Firmen, habe aber meine eigene Firma gegründet. Es läuft, und die meiste Zeit fühle ich mich gut und glücklich mit meiner Position in der Musikwelt.
Würzburger Hafensommer: Konzert Suzanne Vega, Dienstag, 1. August, 20 Uhr. Tickets und weitere Informationen unter www.hafensommer-wuerzburg.de