Mal ehrlich, einen Porno hat fast jeder schon mal geschaut, oder? Das Internet ist voll von Erotikfilmen, die Plattformen machen Milliardenumsätze jedes Jahr, und der Fantasie werden dort keine Grenzen gesetzt: Wer sucht, der findet.
Für Philipp Steinbach wurde die Suche nicht nur zur täglichen Routine, sondern zur Sucht. "Ich habe unfassbar viel Zeit meines Lebens damit verbracht, Pornos zu schauen", sagt der 30-Jährige heute. Im Alter von zwölf Jahren habe er angefangen "sexy Sportclips" und nächtliche Erotikfilme auf Arte zu schauen. Irgendwann bekam er von älteren Freunden Pornofilme auf CD gebrannt. Und mit dem Zugang zum Internet und dem Aufkommen von Erotikplattformen wie Pornhub und xHamster nahm sein Konsum immer weiter zu.
"Teilweise war es mir sogar zu anstrengend, das Haus zu verlassen oder mich mit Freunden zu treffen", sagt der Würzburger. Lieber hätte er es sich zuhause gemütlich gemacht, sich "die schönsten Pornos herausgesucht" und sich selbst befriedigt.
Missbräuchlicher Umgang oder Abhängigkeit von Substanzen oder Verhaltensweisen
Klare Anzeichen eines missbräuchlichen Umgangs, sagt Dr. Waltraud Sladky, Psychologin und Verhaltenstherapeutin in Würzburg. Der engere Begriff "Sucht" werde in Fachkreisen heute nicht mehr verwendet, um die Stigmatisierung zu vermeiden. Vielmehr spreche man von missbräuchlichem Umgang oder Abhängigkeit und unterscheide dabei zwischen verhaltensgebundenen oder substanzgebundenen Abhängigkeiten.
Ob Missbrauch von Alkohol oder Drogen oder Computersucht, Essstörungen, Spielsucht - all das zeichne sich durch ein starkes Verlangen nach der Substanz oder nach der Ausübung des Verhaltens aus, sagt Sladky. Und durch Kontrollverlust, Unfähigkeit des Verzichtes, Toleranzentwicklung, Entzugserscheinungen und dem Rückzug aus dem sozialen Leben.
Pornografie-Sucht gilt laut WHO als Krankheit
Im Januar 2022 wurde auch das "zwanghafte Sexualverhalten", zu der die Pornografie-Sucht zählt, mit in die weltweit gültige Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgenommen. Nach Schätzungen von Experten gibt es deutschlandweit rund eine halbe Million Betroffene – die meisten von ihnen sind Männer.
Dass sein Pornokonsum über das gewöhnliche Maß hinausging, habe er erst gemerkt, als er in einer festen Beziehung war, erzählt Philipp Steinbach. Er erinnert sich an einen Sonntagnachmittag, an dem er aus dem Urlaub mit Freunden zurückkam. Seine damalige Partnerin hatte ihn zu einem romantischen Abend eingeladen, um ihr Wiedersehen zu feiern. Steinbach hingegen wollte nur eins: allein sein und Pornos schauen. "Da wusste ich, das kann nicht normal sein."
Zwar sei ihm der Gedanke auch schon früher gekommen, so richtig wahrhaben wollte er seinen missbräuchlichen Konsum aber nicht. Als er seinen vagen Verdacht im Freundeskreis angesprochen habe, hätten die Freunde mit Unverständnis reagiert. "Die haben mir gesagt, dass es normal sei, Pornos zu schauen und ich mir keinen Kopf darüber machen soll."
Entwurzelung und Unsicherheit, Druck und Erwartungen der Leistungsgesellschaft
Waltraud Sladky hat bei ihrer Arbeit immer wieder mit Suchtpatientinnen und Suchtpatienten zu tun. Die Würzburger Psychotherapeutin vermutet, dass die heutige Leistungsgesellschaft die Verhaltensweisen begünstigen: "Wir sind ständig auf Erfolg getrimmt." Dabei entstünden viele Unsicherheiten, feste Strukturen würden aufgelöst. Aber auch häufige Jobwechsel und die Entwurzelung von der Heimat sorgten dafür, dass gewohnte Sicherheitsanker zunehmend wegfielen, sagt Sladky. "Vielen fehlt die Beständigkeit."
Der regelmäßige Konsum bestimmter Substanzen oder die beinahe zwanghafte Ausübung bestimmter Verhaltensweisen stellten für viele Menschen eine Regelmäßigkeit – und somit Sicherheit –dar. "Da weiß man, was man hat –im Gegensatz zum Beispiel zu Gefühlen oder der Außenwelt, die ungewiss sind".
So erging es auch Steinbach, der Sonderpädagogik auf Lehramt studiert hat. "Gerade in Zeiten, in denen es mir emotional nicht gut ging, waren die Pornos kleine Inseln für mich", sagt der Unterfranke. In seiner Scheinwelt habe er sich fallen lassen und alle übrigen Gefühle ausblenden können.
Versagensängste durch den Pornokonsum sehr hoch
Bis zu sechs Mal täglich brachte sich Steinbach so selbst zum Orgasmus, Pornos wurden für ihn zum "Wundermittel in allen möglichen Situationen". Auch sein Selbstwertgefühl hätten die Erotikclips damals scheinbar gestärkt, schildert er: "Wenn ich zehn Tabs mit super sexy Frauen offen hatte, dann dachte ich natürlich, ich bin ein toller Hecht und hab es drauf." Außerhalb seiner Fantasiewelt sei davon nicht viel übrig geblieben.
Mit 17 Jahren hätte er den ersten intimen Kontakt zu einer Frau gehabt, erzählt der 30-Jährige. Bis zum ersten Geschlechtsverkehr sollten sechs weitere Jahre vergehen. Er habe sich damals lange nicht bereit gefühlt für echten Sex: "Mein Pornokonsum hat dabei natürlich eine Rolle gespielt, weil ich Angst hatte, im echten Leben zu versagen." In der realen Welt war es nicht mehr die Pornodarstellerin, die ihn anfeuerte und mit erotischen Floskeln lobte. Der Druck, das im Porno Gezeigte plötzlich selbst umzusetzen, sei zu hoch gewesen.
Auch später habe sein Pornokonsum sein Sexualleben immer wieder maßgeblich beeinflusst, blickt er zurück: "Immer, wenn ich in eine sexuelle Situation gekommen bin, ging bei mir im Kopf automatisch ein Film an: So muss es weitergehen und in dieser Stellung." Im echten Leben aber lief nicht immer alles nach Drehbuch, das habe ihn zunehmend gestört. "Bei Pornos konnte ich das suchen, worauf ich in dem Moment Lust hatte, es gab keine Kompromisse, keine Konflikte, keine Rücksichtnahme."
Früher Tod der Mutter als Ursache für heutiges Verhalten
Doch woher kommt dieses missbräuchliche Verhalten, kommt der Hang zur Sucht? Ist jede Person, die Pornos schaut, potenziell gefährdet? Nein, sagt die Würzburger Therapeutin Waltraud Sladky. Hinter einer solchen Tendenz liege häufig der fehlende oder nicht erlernte Umgang mit Emotionen: "Gründe für Süchte können Einsamkeit, Vernachlässigung in der Kindheit und nicht verarbeitete Traumata oder mangelndes Selbstwertgefühl sein", erklärt die Klinische Psychologin. "Das sind aber nur verallgemeinerte Indikatoren, die Betroffene in Untersuchungen häufig gemein hatten." Pauschal lasse sich so etwas nicht festmachen, sagt Sladky. "Bis die Ursachen erkannt und die Abhängigkeit überwunden ist, braucht es meist kurze bis jahrelange Hilfe der Psychotherapie."
Philipp Steinbach hat sich mit seiner Abhängigkeit auseinandergesetzt und vermutet heute, dass der plötzliche und frühe Tod seiner Mutter ein Grund für die jahrelange Verdrängung seiner Emotionen war. Als er neun Jahre alt war, starb seine Mutter an Brustkrebs. Sein Vater sei für ihn keine Stütze gewesen: "Er trank ja selbst, weil er mit seinen Gefühlen nicht umgehen konnte. Wie soll er mir das dann beibringen?" Den Umgang mit Emotionen habe er nie gelernt.
Heute versuche er, das nachzuholen, sagt Steinbach. Er ist sich sicher: "Eigentlich habe ich in den Pornofilmen immer nur Liebe und Intimität gesucht." Denn oft seien es Pärchen gewesen, denen er gern beim Sex zugeschaut hätte. Aber nicht nur: "Für mich war es ganz wichtig, dass es im Porno immer etwas Neues gab." Die Kategorien seien härter geworden, er selbst sei dabei abgestumpft.
Hilfe durch Verzicht: lebenslange Abstinenz
Heute verzichte er komplett auf das Pornoschauen, sagt der Steinbach. Nur durch Abstinenz könne er seine Sucht besiegen. Auch Waltraud Sladky meint, dass in vielen Fällen nur eine "lebenslange Abstinenz zum Besiegen der Abhängigkeit" führt.
Philipp Steinbach hat in den vergangenen Jahren vor allem eines gelernt: "Ich bin eigentlich ein sehr sensibler und emotionaler Typ." Das merke er vor allem in seiner aktuellen Beziehung. Mit seiner Freundin könne er offen über seinen früheren Pornokonsum sprechen - und auch über Sex. Sie tauschten sich gegenseitig über ihre Vorlieben aus und darüber, was ihnen gefällt, sagt der 30-Jährige. Versagensängste hat er heute keine mehr.
Rückblickend sagt der 30-Jährige: "Ich bin überzeugt davon, dass super viele Menschen davon profitieren, wenn sie auf Pornosverzichten." Auch deshalb spricht er heute sehr offen über seine Erlebnisse und seinen Umgang mit Pornos, teilt in den sozialen Netzwerken seine Erfahrungen - und bietet anderen Menschen Hilfe an, einen Weg aus dem Pornokonsum zu finden.
Auch wenn ein offensichtlich kranker Mensch darum betteln würde ihn mit Namen und Bild bloß zu stellen dürfte man das als seriöse Journalistin bzw. seriöse Zeitung nicht tun.
Ein anonymisierter Bericht hätte wirklich genügt um auf ein Suchtproblem unter vielen aufmerksam zu machen.
Ist das bezahlte Werbung und es wurde nur vergessen das anzuzeigen?
Oder gibt es andere Gründe, den immer wieder aus der Versenkung zu holen?
wird ??
Bowwow das riecht nach billig oder "Winterloch".
Hoffe es ändert sich was.
Mangelnde Themen?
Jetzt frage ich Sie , ist so ein Thema (was sehr stark in der Gesellschaft verbreitet ist) gerade am ANfang eines Jahres doch sehr wichtig/hilfreich/unterstützend?
Hochachtung und Respekt für Herrn Steinbach, sich so offen zu outen!! Fast jeder hat ein kleines oder größeres Problem, welche man auf Ihre Weise beheben könnte. Auch wenn es nur ein unqualifiziertes Gelabere ist.
Danke!!
In der BI.. wäre das vielleicht Alltagsjournalismus, aber in der MP muss man sich an das Niveau erst gewöhnen;
Ich bin erschüttert, wenn ich die anderen so lese...
Herr Steinbach hat selbst entschieden, mit Bild und vollem Namen hier aufzutauchen, weil er offen mit seiner Erkrankung umgeht. Zudem hat er bereits eine Freundin, die auch von der damaligen Abhängigkeit weiß.
Herzliche Grüße
Silke Albrecht, Digitales Management
Vielleicht sollte man das im Artikel in Zukunft erwähnen. Ich denke die Frage stellten sich mehrere Leser.
Und warum soll er zum Arzt, wenn er doch "geheilt" ist?
Die Neugier überwiegt dann doch.
Was der Partner nicht gibt, zeigt bestimmt der Porno.