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Würzburg
Studenten, Familien, Singles: Diese Tipps können durch die Krise helfen
Seit Wochen beschränkt Corona unser Leben. Wie können wir unser Verhalten so anpassen, dass es uns trotzdem gut geht? Therapeutin Heidemarie Kaul gibt Tipps.
Spielphasen müssen sein - Pausenzeiten für alle Familienmitglieder aber genauso. Eine klare Struktur ist gerade nicht nur für Eltern und Kinder hilfreich.
Foto: Mascha Brichta | Spielphasen müssen sein - Pausenzeiten für alle Familienmitglieder aber genauso. Eine klare Struktur ist gerade nicht nur für Eltern und Kinder hilfreich.
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:35 Uhr

Strukturverlust, Verdrängung der Gefahr, Familienstreit oder Einsamkeit: Damit haben in der Corona-Zeit viele von uns zu tun. Wie kommen wir in Zeiten wie diesen besser klar? Die Würzburger Therapeutin Heidemarie Kaul hat mit uns typische Szenarios durchgesprochen.

Frage: Stellen wir uns einen undisziplinierten Studenten vor. Normalerweise geben ihm die Präsenzveranstaltungen der Uni die Struktur vor, weil er weiß, da muss er aufstehen und hingehen. Jetzt lebt er wochenlang in Jogginghose und tut sich mit der Selbstdisziplin bei Online-Kursen total schwer. Was hilft?
Heidemarie Kaul, Therapeutin und Mediatorin beim Evangelischen Beratungszentrum Würzburg.
Foto: Gisela Rauch | Heidemarie Kaul, Therapeutin und Mediatorin beim Evangelischen Beratungszentrum Würzburg.

Heidemarie Kaul: Ein unstrukturierter Mensch, dem der äußere Rahmen fehlt, muss sich zunächst eingestehen: "Ich komme mit meinen Zielen in dieser Zeit nicht klar". Wichtig wäre es, an die eigene Selbstdisziplin zu appellieren. Noch wichtiger ist aber, sich Resonanz zu verschaffen. In dieser Situation Freunden, Eltern oder Geschwistern einzugestehen, welche Schwierigkeiten man hat, in den Austausch darüber zu kommen, wie andere das machen und zu schauen, was für einen selbst funktionieren kann. Auch Vorab-Absprachen, sich gemeinsam eine Vorlesung anzuhören, könnten helfen. Allerdings: Jede Hilfe, die von außen kommt, ist drauf angewiesen, dass ein Mensch sich selbst meldet. Was man aus sich selbst nicht holen kann, braucht man als Impuls von außen. Und das gilt nicht nur für Studenten.

Ein Mann, grundsätzlich optimistisch, betrachtet Corona als eine Art "besserer Grippe“. Deshalb achtet er wenig auf Mindestabstand und Kontaktverbot und organisiert Privatpartys nach dem Motto: "Das Leben muss man genießen". Wie damit umgehen?

Kaul: Ich finde es richtig, sich nicht ständig mit schlechten Nachrichten zu füttern, sich nicht ständig in Tragik zu ergehen. Aber auch wer sich für unangreifbar hält, hat Verantwortung für andere Menschen. Wenn jemand das ignoriert, wird von einer solchen Person selbst wenig Impuls kommen, das eigene Verhalten zu ändern. Man muss dann Verantwortung für sich selbst übernehmen, etwa solche Einladungen ablehnen. Und man kann darauf hinweisen, dass ein solches Verhalten Folgen haben wird. Wie wird man einem Menschen künftig begegnen, von dem man weiß, dass er leichtfertig mit dem Schutz anderer umgeht? 

Schauen wir auf eine Mutter mit drei kleinen Kindern, die so gestresst ist wie nie zuvor. Die Kitas sind dicht, ihr Mann arbeitet, Großeltern dürfen nicht kommen. Was hilft?

Kaul:  So eine Familienkonstellation ist in der Corona-Zeit nicht automatisch krisenhaft. Ich erlebe gerade in der Beratung auch Familien, die gut damit klar kommen oder die die Gemeinsamkeit genießen können. Einer Mutter, die ihren Alltag mit mehreren Kindern gerade als extrem belastend empfindet, wird es helfen, den Tag klar zu strukturieren und die Kinder so intensiv wie möglich in die Aufgaben einzubinden. Also etwa den Kindern Aufgaben beim Vorbereiten und Zubereiten der Mahlzeiten zu geben. Den Tag in klare Arbeits-, Pausen-, freie Beschäftigungs- und Draußen-Phasen aufzuteilen. Diese klare Strukturierung kennen Kindergartenkinder aus der Kita und ältere Kinder aus der Schule. Die Orientierung daran stützt. Man kann gemeinsam neue Dinge entdecken, für die im Alltag oft kein Platz ist, etwa zu singen oder zu malen. Die Mutter sollte sich es aber auch zugestehen, dass es schwierige Bedingungen sind und mit Familie oder Freunden darüber reden.

Das Gefühl, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, haben Singles noch viel mehr als Menschen mit Familie. Über Computer mit Freunden verbunden zu sein, hilft. Aber nicht immer. 
Foto: Franziska Gabbert, dpa | Das Gefühl, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, haben Singles noch viel mehr als Menschen mit Familie. Über Computer mit Freunden verbunden zu sein, hilft. Aber nicht immer. 
Das Gefühl, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, haben Singles oft noch mehr als Leute mit Familie. Die Nähe, die Berührung, die Körperlichkeit fehlt. Was hilft?

Kaul: Wir sind alle auf Berührung angewiesen und erleben die Armut daran in dieser Zeit. Wir leben ja vom Gefühl der Resonanz, dass da was schwingt zwischen zwei Menschen. Diese Zeit birgt die Chance, neu zu entdecken, mit welchen Dingen oder in welchen Situationen das auch gehen kann. Das kann mein neu gestrichenes Zimmer sein, mein aufgeräumter Schreibtisch, das kann ein Bild sein, in dem ich etwas erkenne, was  mich ausmacht, das kann eine Pflanze sein, mit der ich rede. Dieses Gefühl, dass etwas zurückkommt, kann entstehen beim Malen oder beim Singen oder beim Musikhören. Natürlich ist das nur ein Ersatz für Nähe; aber es sind Möglichkeiten, auf die man zurückgreifen kann.  Wir betrachten zum Beispiel ein selbst gemaltes Bild und spüren dem Gefühl nach, das es auslöst: Erfreut es mich, befreit es mich, macht es mich stolz?

Wir müssen uns einrichten in der Krise. Sie wird noch länger dauern. Was hilft?

Kaul: Wir brauchen Einsicht und Struktur. Und wir brauchen Resonanz. Wenn ich sehe, wie sich in meinem Viertel Leute verabreden zum Zuhören bei Nachbarschaftskonzerten oder zu Hilfsaktionen, dann sehe ich neue Versuche, Kontakt herzustellen, weil uns das so wichtig ist. Wir sind gerade unglaublich kreativ darin, beim Mangel an direkter Nähe Bezüge herzustellen. Das ist eine Chance.

 
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