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Würzburg
Bezahlkarte für Geflüchtete in Würzburg: Ausländer- und Integrationsbeirat befürchtet Ausgrenzung
Die geplante Bezahlkarte für Geflüchtete sorgt in Würzburg für Diskussionen. Der Ausländer- und Integrationsbeirat sieht darin eine Form der Ausgrenzung.
Antonino Pecoraro, Vorsitzender des Ausländer- und Integrationsbeirates, kritisiert die geplante Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber und Asylbewerberinnen (Archivbild).
Foto: Thomas Obermeier | Antonino Pecoraro, Vorsitzender des Ausländer- und Integrationsbeirates, kritisiert die geplante Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber und Asylbewerberinnen (Archivbild).
Bassel Matar       -  Bassel Matar ist gebürtige Syrer. In seinem Heimatland hat er Journalismus studiert und war dort unter anderem als Sportreporter tätig. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Er hat in verschiedenen Bereichen gearbeitet, unter anderem auch als Dolmetscher. Bassel Matar ist seit April 2024 Volontär bei der Main-Post.
Bassel Matar
 |  aktualisiert: 01.06.2024 02:50 Uhr

Die sogenannte Bezahlkarte für Geflüchtete soll ab dem Sommer in ganz Bayern eingeführt werden, so auch für zirka 200 der Geflüchteten, die in Würzburg leben. Dies bestätigt Georg Wagenbrenner, Pressesprecher der Stadt Würzburg, auf Nachfrage dieser Redaktion. Ein Stadtratsbeschluss sei hierfür nicht erforderlich, da es sich um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handele. Wann genau die Bezahlkarte in Würzburg Kraft trete, steht laut Wagenbrenner noch nicht fest, da zunächst die technischen Voraussetzungen zu schaffen seien. 

Auch das Landratsamt verkündete in einer Pressemitteilung vom 14. Mai die "zeitnahe Ausgabe einer Bezahlkarte für Geflüchtete im Landkreis Würzburg". Auf die Geldkarte schreibt die Behörde monatlich den Betrag als Guthaben gut, der einem Asylbewerber nach Asylbewerberleistungsgesetz zusteht. Die Karte kann laut Landratsamt in allen Geschäften und bei allen Dienstleistern, die Mastercard akzeptieren, eingesetzt werden. Von der Bezahlkarte können monatlich bis zu 50 Euro Bargeld abgehoben werden. "Zirka 910 Bezahlkarten werden an ihre neuen Inhaberinnen und Inhaber ausgegeben." heißt es in der Pressemitteilung.

Antrag an den Oberbürgermeister

Der Ausländer - und Integrationsbeirat Würzburg hat nun einen Antrag an Oberbürgermeister Christian Schuchardt gestellt, die Bezahlkarte in der Stadt Würzburg nicht einzuführen. Der Vorsitzende des Beirates, Antonino Pecoraro, erläutert gegenüber der Redaktion die Intention und Erwartungen, die mit dem Antrag verbunden sind und kritisiert, dass die Karte eine Art Ausgrenzung und Bevormundung darstelle. Der Staat gebe vor, wie und wofür die Leistungsempfänger und Leistungsempfängerinnen ihr Geld ausgeben können.

Pecoraro fordert Schuchardt auf, sich mit der Angelegenheit zu befassen: "Der Oberbürgermeister hat sich bisher stets für die Flüchtlingspolitik eingesetzt. Auch dieses Mal erwarten wir von ihm, dass er den Mut zeigt und sich auf die Seite der Menschlichkeit stellt."

Als Vorteil der Bezahlkarte wird häufig genannt, dass sie darauf abziele, die Überweisung von Geldern ins Ausland zu verhindern. "In Anbetracht der Tatsache, dass Asylbewerber mit dem Betrag, der ihnen monatlich zusteht, lediglich ihr Existenzminimum sichern können, ist dies als äußerst gering zu bewerten", so Pecoraro.

Kritik: Bezahlkarte benachteiligt Kinder

Am 14. November 2023 wurde vom bayerischen Kabinett beschlossen, unverzüglich ein bayernweites Zahlkartensystem für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) einzuführen. Nach Auffassung des Ausländer- und Integrationsbeirats handelt es sich dabei um eine Kann-Bestimmung und somit nicht um eine Verpflichtung. "Es wird sich zeigen, ob der Oberbürgermeister dem Druck aus München standhalten kann oder nicht", sagt Pecoraro.

Ein weiteres Argument, das immer wieder für die Bezahlkarte angeführt wird, ist eine Arbeitserleichterung für die Verwaltung. Pecoraro sieht das anders: "In Behörden, die ohnehin schon am Limit arbeiten, bedeutet eine Neuerung mehr Aufwand als Erleichterung."

Die Begrenzung der Bargeldauszahlung auf maximal fünfzig Euro pro Monat, die mit der Bezahlkarte einhergeht, führe außerdem zu einer gravierenden Ausgrenzung von Kindern. Auch das Kinderhilfswerk "terre des hommes" kritisiert dies: Dadurch, dass geflüchtete Familien kaum Zugang zu Bargeld hätten, fehle dies auch den Kindern und Jugendlichen – zum Beispiel für das Pausenbrot am Schulkiosk, Mitgliedsgebühren beim Sportverein oder der Musikschule." Das Empfinden, nicht dazuzugehören, manifestiere sich dadurch bei den Betroffenen, so Pecoraro. 

Asylbewerber, Flüchtling, Geflüchtete:  Wer genau soll die Bezahlkarte erhalten?

Die Bezahlkarte soll für Asylbewerber und Asylbewerberinnen eingeführt werden, die sich noch im Asylverfahren befinden. Solange über ihren Antrag noch nicht entschieden wurde, haben sie lediglich einen eingeschränkten und verzögerten Zugang zum Arbeitsmarkt. Über eine Arbeitserlaubnis entscheiden Behörden, wie die Ausländerbehörde und die Agentur für Arbeit. Ihr Antrag auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) individuell bearbeitet und entschieden. 
Laut BAMF wird der Begriff Flüchtling zwar im Alltag vielfach als Synonym für geflüchtete Menschen genutzt, im Verständnis des Asylrechts umfasst er jedoch ausschließlich anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, das heißt Personen, die nach Abschluss eines Asylverfahrens den Flüchtlingsschutz erhalten.
Asylsuchende: Personen, die beabsichtigen, einen Asylantrag zu stellen und die noch nicht als Asylantragstellende beim Bundesamt erfasst sind.
Asylantragstellende: Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die sich im Asylverfahren befinden und deren Verfahren noch nicht entschieden ist.
Schutzberechtigte sowie Bleibeberechtigte: Personen, die eine Asylberechtigung, einen Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz erhalten oder aufgrund eines Abschiebungsverbots in Deutschland bleiben dürfen.
Sagt man Flüchtlinge oder Geflüchtete? Der Verein Pro Asyl, der sich für den Schutz und die Rechte von asylsuchenden Menschen in Europa einsetzt, erklärt auf seiner Webseite: Mehr und mehr Engagierte verwenden den Begriff "Geflüchtete", da das Wort "Flüchtling" anklagend sei, da sich die Endung "‑ling" in vorwiegend negativ konnotierten Wörtern wiederfinde (Fiesling, Schreiberling).
Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, BAMF, Pro Asyl
 
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  • Jutta Nöther
    Im Prinzip läuft diese "Bezahlkarte" ja auf eine Kreditkarte hinaus, ist also vom Grundsatz her nicht sooo verwerflich.
    Allerdings die Beschränkung auf 50 € Bargeldauszahlung pro Monat verkennt wohl tatsächlich die Realität und ist durchaus ein unangebrachter Eingriff in die Rechte von mündigen Menschen.

    Abgesehen davon:
    Der Bäcker wird sich freuen, wenn er den Preis für ein Hörnchen per Kartenzahlung erhält.
    Oder die Eisbude für ein Eis auf die Hand.
    Und wie oft liest man heute noch an den verschiedensten Kassen "Kartenzahlung ab 10 €".

    Für eine Einzelperson mögen diese 50 € für Kleineinkäufe wohl noch irgendwie hinkommen. Aber nicht für Familien mit Kindern (auch Stichwort "Materialgeld in der Schule" - da kommt nämlich schon ganz schön was zusammen...)
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  • Martin Deeg
    Die Süddeutsche Zeitung berichtete gestern, dass der ganze schäbige Murks - bspw. dass mit der Bezahlkarte keine Überweisungen möglich sein sollen - an der Realität scheitert:

    "Bayerns Ministerpräsident hat eine strenge Bezahlkarte versprochen. In der Realität ist nun doch manches lockerer. Asylbewerber dürfen immer öfter überweisen und teils außerhalb des Landkreises einkaufen. Flüchtlingshelfer spötteln über Söder.".....

    Quelle: Süddeutsche Zeitung, 27.05.2024

    Mal wieder eine bayerische Luftnummer, nur damit manche ein warmes Gefühl haben....

    Anstatt sich mit dem Verbot von diversen Liedern zu befassen sollte man endlich mal politisch auch in Bayern anfangen, Flüchtlinge anständig zu behandeln und nicht ständig der AfD und ihren Geisterdebatten hinterherlaufen.
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  • Lutz Saubert
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Lutz Saubert
    Die Bezahlkarte ist kein bayerischer Sonderweg. Und auch kein " schäbigen Murks". Der Staat darf bestimmen, wie mit seinem Geld umgegangen wird, zumal keine Gegenleistung eingefordert wird. Bayern behandelt die Menschen "anständig", auch wenn das nicht alle so sehen.
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  • Martin Deeg
    Das ist keine Frage der "Sichtweise" sondern der Fakten, der politischen Selbstdarstellung und v.a. des Menschenbildes:

    "Bayern will Bargeldzahlungen an Asylbewerber rascher und umfassender einschränken als andere Bundesländer. Der Freistaat werde Geldzahlungen früher als andere durch Sachleistungen mithilfe einer Bezahlkarte ersetzen, sagte Ministerpräsident Markus Söder der "Bild am Sonntag". "Unsere Bezahlkarte kommt schneller und ist härter", sagte der CSU-Chef. ...

    Die "Bayern-Karte" soll deutlich weniger Bargeldabhebungen ermöglichen, als es in anderen Bundesländern vorgesehen sei. Sie solle nur in der Nähe der Unterkunft genutzt werden können und für ein stark eingeschränktes Warensortiment gelten. "Es können nur noch Waren in Geschäften des täglichen Gebrauchs gekauft werden", sagte Söder. "Wir stoppen Online-Shopping, Glücksspiel und Überweisungen ins Ausland. Bargeld gibt es nur noch als kleines Taschengeld bis 50 Euro."....

    Quelle: Süddeutsche Zeitung/Reuters, 04.02.2024
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  • Hélène Moreau
    Wenn ich aus einem Land fliehen müsste, aus welchem Grund auch immer, so wäre ich dem Land, das mich aufnimmt und mir ein Leben in Frieden und Freiheit gewährt, unendlich dankbar, auch für eine Bezahlkarte.
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  • Martin Deeg
    Auch Flüchtende müssen sich nicht devot und unterwürfig verhalten nur weil manche unbedingt jemanden brauchen, auf den sie herabblicken können.

    Wer ein solches Schicksal ertragen muss wie die meisten Flüchtlinge hat vor allem eines verdient: Respekt!
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  • Rüdiger Schmitt
    Respekt sollte man sich durch gute Manieren verdienen. Also sollte man sich auch so verhalten wie man es hier eigentlich gewohnt ist. Das hat nix mit "unterwürfig" zu tun, benehmen sollte man sich können
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  • Martin Deeg
    Es geht um das Menschenbild, das hier immer wieder zum Ausdruck kommt.

    ...."unendliche Dankbarkeit" einfordern ist weitaus mehr als "gute Manieren" (?) erwarten. (Manieren lassen momentan eher Ur-Deutsche vermissen....).

    Und nein: Respekt- und Würde - stehen grundsätzlich jedem Menschen zu, ohne "Vorleistung".
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  • Stefan Wolz
    Herr Pecoraro ist auch keine Alternative!
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  • Helga Scherendorn
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Manfred Englert
    "Mut zeigt und sich auf die Seite der Menschlichkeit stellt" und "es wird sich zeigen ob der OB dem Druck aus München standhalten kann", wo leben S I E denn!?
    Ja, natürlich, in der "proasyl Blase", ein gemeinnütziger Verein mit Steuervergünstigungen, der sich offensichtlich gegen das Bestreben des Staates stellt, diese immensen Summen, sprich Ausgaben, für zu uns Flüchtende etwas einzudämmen.
    Fragen Sie sich, Herr Pecoraro, eigentlich nicht selbst, weshalb der Zuzug nach Deutschland, sehr oft nicht legal, am höchsten in Europa ist?
    Oder sehen Sie vielleicht in einer Minderung des Zuzugs Ihr Geschäftsmodell schwinden?
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  • Barbara Fersch
    was bitte hat die Bezahlkarte mit Ausgrenzung zu tun? Wieviele Menschen sind längst bargeldlos unterwegs ?
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  • Dietmar Eberth
    Was gäbe es in Deutschland für einen Aufschrei, wenn es eine Pflicht zum bezahlen mit Bezahlkarte gäbe und pro Monat nur noch ein bestimmter Maximalbetrag bar bezahlt werden dürfte.
    Warum schaffen wir nicht einfach das Bargeld ab, wenn es doch so viel praktischer ist. Stichworte Hygienischer, keine Taschendiebe, keine Bargeldautomaten, keine Fälschungen, Umweltfreundlichkeit, uvm.
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  • Stefan Krug
    keine Automaten Sprengungen..
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