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Würzburg
Straßenausbaubeiträge: Alles, was Sie wissen müssen
Durch eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes müssen Anlieger künftig kein Geld mehr für den Straßenausbau bezahlen. Bekommen die Bürger nun ihr Geld zurück?
Durch eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes hat der Landtag die Straßenausbaubeiträge rückwirkend zum 1. Januar 2018 abgeschafft. Doch was bedeutet das genau für Bürger und Kommune?
Foto: David-Wolfgang Ebener | Durch eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes hat der Landtag die Straßenausbaubeiträge rückwirkend zum 1. Januar 2018 abgeschafft. Doch was bedeutet das genau für Bürger und Kommune?
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:34 Uhr

Der Landtag hat die umstrittenen Straßenausbaubeitragssatzungen in Bayern durch eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes rückwirkend zum 1. Januar 2018 abgeschafft. Haus- und Grundbesitzer können aufatmen, denn sie müssen nicht mehr für die Sanierung oder den Ausbau von Straßen, Wegen oder Durchfahrten aufkommen. Doch können sie das wirklich? Was die Gesetzesänderung genau für Bürger sowie Kommunen bedeutet - und was sie mit Fußball zu tun hat, erklären Stadtkämmerer Robert Scheller und Matthias Schrauth, Abteilungsleiter der Fachabteilung Beiträge, Wohnungsbauförderung und Umlegung der Stadt Würzburg.

Stadtkämmerer Robert Scheller.
Foto: Katrin Heyer | Stadtkämmerer Robert Scheller.

Warum gab es überhaupt eine Gesetzesänderung?

"Die Ausbaubeiträge waren sehr in der Diskussion, weil nach vielen Jahren oft bei einigen Eigentümern große Beträge zusammen gekommen sind, wenn die Straße ausgebaut oder saniert werden musste", sagt Robert Scheller. So habe sich in den letzten Jahren viel Verärgerung angestaut. Andererseits gab es Gemeinden, die keine Beiträge verlangt haben, weil sie es beispielsweise nicht nötig hatten. "Es gab eine große Ungleichbehandlung." Kurz vor Weihnachten 2017 haben die Freien Wähler Bayern beschlossen, gemeinsam mit Verbänden und Bürgerinitiativen eine Unterschriftensammlung für die Zulassung eines Volksbegehrens zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zu starten. Am 14. Juni beschloss dann der Landtag die Abschaffung der Beiträge.

Was genau ändert sich für den Bürger? Was für die Kommune?

Die neue Gesetzeslage sagt, dass der Anlieger nicht mehr zur Kasse gebeten werden darf, wenn eine Straße ausgebaut werden soll. Die Kommune darf den Bürger nicht mehr zum Kostenbeitrag heranziehen und muss zunächst einmal selber für die Kosten aufkommen. Sie bekommt dabei eine Ausgleichszahlung vom Freistaat. In Würzburg wurden in den letzten Jahren im Durchschnitt 2,3 Millionen Euro pro Jahr über Ausbaubeiträge vom Bürger eingenommen. "Wenn jetzt die neue Unterstützung von Seiten des Freistaats kommt, können wir mit maximal 900 000 Euro rechnen", sagt Scheller. "Das heißt, es ist weniger Geld da, um Straßen auszubauen und zu sanieren." Genau genommen fehlen 1,4 Millionen Euro.

Wer kommt nun für die Kosten auf?

"Es heißt, die Straßenausbaubeiträge wurden abgeschafft, nun muss der Bürger nichts mehr zahlen. Das ist aber falsch", macht Schrauth deutlich. Denn nur die Zahlungsweise habe sich verschoben. Bislang musste der unmittelbar betroffene Grundstückseigentümer für die Straßenausbaubeiträge aufkommen. Einen gewissen Prozentsatz hat jedoch die Stadt auch schon in der Vergangenheit bezahlt. Jetzt zahlt die Stadt jedoch keinen Anteil mehr, sondern 100 Prozent. Und die müssen finanziert werden, "das heißt also durch Steuergelder." Somit kommen nun alle Bürger Würzburgs für die Straßenausbaubeiträge auf. 

Wird die Stadt überhaupt die Mittel haben, selbst für die Kosten des Straßenausbaus aufzukommen?

"Das wird schwierig werden", so der Stadtkämmerer. Mit der Gesetzesänderung sei eine verlässliche und planbare Refinanzierung weggefallen. Das Geld, das nicht aus den Ausgleichsleistungen des Freistaates kommt, muss nun aus dem Haushalt kommen - und dort "haben wir natürlich unglaublich viele Begehrlichkeiten."

Werden Straßenausbauten deshalb jetzt verzögert?

Dies könne eine Konsequenz sein, macht der Stadtkämmerer deutlich. "Es ist einfach weniger Geld im Spiel, das man investieren kann." Deshalb können sich Ausbauten hinziehen, teilweise könne weniger gemacht werden, und es werde manchmal länger dauern.

Matthias Schrauth, Abteilungsleiter der Fachabteilung Beiträge, Wohnungsbauförderung, Umlegung der Stadt Würzburg.
Foto: Guido Chuleck | Matthias Schrauth, Abteilungsleiter der Fachabteilung Beiträge, Wohnungsbauförderung, Umlegung der Stadt Würzburg.

Kann ein Bürger seine bereits entrichteten Beträge zurück verlangen?

Unterschiedlich. Der Freistaat hat den Stichtag auf den 1. Januar 2018 festgelegt. Das heißt, alle Beiträge, die vorher gezahlt wurden, kann der Bürger nicht zurück verlangen. Es sei denn, es sind nur Vorauszahlungen erbracht worden, die Maßnahme ist noch nicht ganz durchgeführt und noch nicht komplett abgerechnet worden. "In dem Fall machen wir eine Fiktiv-Abrechnung. Wir tun also so, als ob wir die Maßnahme abrechnen würden und stellen einen fiktiven Beitrag fest", sagt Matthias Schrauth. Ist die Vorauszahlung höher, als das, was der Bürger hätte zahlen müssen, bekommt er wieder Geld zurück. "Der Landtag hat das auf eine ganz einfache Formel gebracht: Bescheid ist Bescheid, und gezahlt ist gezahlt", so der Fachabteilungsleiter. Das bedeutet: Alles, was vor 2018 an Bescheiden herausgegangen ist, muss der Bürger noch zahlen. "Nur alles, was nicht an Bescheiden erlassen worden ist, muss der Anlieger ab 2018 nichts mehr zahlen." Und kann dementsprechend auch nichts mehr zurückfordern.

Außerdem gibt es noch eine Regelung für Härtefälle: Da bei einer Stichtagsregelung neue Ungerechtigkeiten entstehen, gibt es einen Härtefallfond auf Ebene des Freistaats. 50 Millionen Euro sollen insgesamt zurückerstattet werden - an bayerische Eigentümer, die zwischen 2014 und 2017 Straßenausbaubeiträge bezahlen mussten und dabei besonders hart getroffen wurden.

Was passiert mit den Straßen, die für einen Ausbau vorgesehen sind, bei denen nun aber keine Beteiligung mehr möglich ist?

Hier sei weiterhin Handlungsbedarf gegeben, dieser müsse nun aber anders finanziert werden. "Wir gehen da auch ran, aber im Rahmen der jetzt verfügbaren Mittel", so Scheller. Dies könne länger dauern, und einige Projekte würden sich hinziehen müssen.

Wie setzt die Stadt die neue Gesetzeslage um?

Die Stadt setzt die neue Gesetzeslage konsequent um, obwohl sie diese verfassungsrechtlich für äußert bedenklich hält. "Der Gesetzgeber kannte diese Ungerechtigkeiten, aber in dieses Verfahren sind nun mal auch viele wahltaktische Gründe mit eingeflossen", so Schrauth. "Im Zuge der Landtagswahl wollte man die Bürger ab 2018 nicht mehr mit einem Beitragsbescheid belasten." Schraut erklärt die Gesetzesänderung anhand eines Fußballspiels: Ein Spiel dauert 90 Minuten, dann steht das Ergebnis fest. So ähnlich sei es bislang auch mit den Beiträgen gewesen. "Als die Maßnahme abgeschlossen war, stand fest, wie viel gezahlt werden musste." Nun sei die Regelung so, dass manche Spiele, die zu Ende gespielt wurden, nicht mehr gewertet werden. "Das sind die Beitragsmaßnahmen, die vor mehreren Jahren beendet worden sind, bei denen kein Bescheid-Erlass erfolgt ist." Im Fußball sei dies undenkbar, "bei den Beiträgen hat man das gemacht."

Wie hätte man die Situation besser regeln können?

Die Stadt habe über den Städtetag angeregt, die Vorauszahlungen von nicht abgeschlossenen Maßnahmen zurückzuzahlen. Allerdings mit Erstattung des Freistaats, so dass die Kommune das Geld trotzdem hätte behalten dürfen. "Wir wollten klipp und klar haben, dass die Maßnahmen, die abgeschlossen sind, auch abgerechnet werden; die Maßnahmen, die noch nicht fertig gestellt wurden, sollten nicht mehr abgerechnet werden", sagt Schrauth. "Das wäre vom Rechtlichen her sauber und richtig gewesen", ergänzt Scheller. Um beim Beispiel Fußball zu bleiben: "Man hätte sich jedes Spiel anschauen und die 90 Minuten abwarten müssen, bis man das Ding abpfeift. Die Gesetzgeber haben in der Mitte gepfiffen - egal ob das Spiel vor 20, 30 oder 85 Minuten angefangen hat. Das ist die Problematik dabei."

 
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