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Ochsenfurt
Ochsenfurt: Das Palatium wird wieder zum Wohnheim für Geflüchtete
Die große Solidarität mit Geflüchteten aus der Ukraine stößt zunehmend an praktische Grenzen. Es fehlen Wohnungen, Sprachkurse und Kita-Plätze.
Das Palatium in Ochsenfurt soll erneut als Wohnheim für Geflüchtete genutzt werden. Die Fluchttreppe am Südgiebel und die Sanitärcontainer im Hof sind bereits montiert. 
Foto: Gerhard Meißner | Das Palatium in Ochsenfurt soll erneut als Wohnheim für Geflüchtete genutzt werden. Die Fluchttreppe am Südgiebel und die Sanitärcontainer im Hof sind bereits montiert. 
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 14.08.2022 02:27 Uhr

Wie schon während der Flüchtlingswelle in der Zeit nach 2015, haben seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine erneut Hunderte von Flüchtenden eine vorübergehende Bleibe im Landkreis Würzburg gefunden. Insgesamt sind derzeit 1612 Flüchtlinge aus der Ukraine im Landkreis registriert. So der Stand Anfang August. Unter ihnen sind 805 Frauen, 240 Männer, 412 Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren und 155 Kinder im Kindergartenalter.

118 Geflüchtete leben in Ochsenfurt, allesamt in privaten Wohnungen, oftmals im Kreis der Familie, die sie aufgenommen hat. "Das ist ein tolles Zeichen der Solidarität", sagt Ochsenfurts Bürgermeister Peter Juks. Doch diese Solidarität stoße langsam an ihre Grenzen. Und auch über die Wohnungsfrage hinaus sieht der Bürgermeister Probleme und erwartet mehr Entgegenkommen von staatlicher Seite.

Wohnungsvermittlung mangels Angebot eingestellt

Was die Vermittlung von Wohnplätzen angeht, lobt Juks das Landratsamt. "Die Zusammenarbeit hat sehr gut funktioniert", sagt er. Die Stadt habe die Angebote der Wohnungseigentümer weitergeleitet, um alles weitere kümmerte sich das Amt. So war es zumindest bislang. "Das Landratsamt hat über Monate hinweg und mit großem Erfolg Wohnungen an Flüchtlinge vermittelt, zwischenzeitlich musste dieser Service aber mangels Angebot eingestellt werden", heißt es dazu aus der Pressestelle.

Auch die Möglichkeiten der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SWG seien angesichts der allgemein hohen Nachfrage begrenzt, so Bürgermeister Juks. Immerhin habe man zuletzt fünf städtische Wohnungen an ukrainische Familien vergeben können, auch weil geplante Renovierungen verschoben wurden. Den Bedarf könne dies aber bei weitem nicht decken.

Im Juli startete die VHS Ochsenfurt einen zweiten Deutsch-Grundkurs für Geflüchtete aus der Ukraine. Für eine Ausweitung des Kursangebots werden Dozentinnen und Dozenten gesucht.
Foto: Melanie Greiner (VHS) | Im Juli startete die VHS Ochsenfurt einen zweiten Deutsch-Grundkurs für Geflüchtete aus der Ukraine. Für eine Ausweitung des Kursangebots werden Dozentinnen und Dozenten gesucht.

Im Landratsamt hat man das Problem ebenfalls erkannt. Als vorübergehende Lösung kommt jetzt wieder das Palatium in der Ochsenfurter Kellereistraße ins Spiel. Die ehemalige Außenstelle des Landratsamtes war bereits Ende 2015 monatelang als dezentrale Notunterkunft für Geflüchtete genutzt worden. Nun wird sie erneut für die Unterbringung von Flüchtlingen ertüchtigt. Die ehemaligen Büros lassen sich leicht zu kleinen Wohneinheiten zusammenfassen, sagt Bürgermeister Peter Juks, und eignen sich deshalb besonders für Kleinfamilien.

Bis zu 75 Wohnplätze im Palatium

Weil das Gebäude nicht über ausreichende Fluchtwege verfügt, wurde am Südgiebel bereits eine behelfsmäßige Fluchttreppe installiert. Für den Sanitärbereich wurden im Hof Container aufgestellt. Das Landratsamt plant mit bis zu 75 Personen, die in dem alten Amtsgebäude untergebracht werden könnten. "Für welche Flüchtlinge das Palatium genutzt werden wird, steht aktuell noch nicht fest, wird aber in den nächsten Tagen entschieden", teilt die Pressestelle dazu mit. "Unter anderem hiervon ist der Zeitraum der Maßnahme abhängig, der deshalb noch nicht benannt werden kann." Aktuell laufen die letzten Vorbereitungsarbeiten, wann die Unterkunft bezogen werden kann, stehe aber noch nicht genau fest.

Gedanken macht sich Ochsenfurts Bürgermeister Juks um die Integration der Geflüchteten. Die meisten der Erwachsenen seien sehr daran interessiert, zu arbeiten und selbst für ihren Unterhalt aufzukommen, vor allem aber daran, möglichst schnell die deutsche Sprache zu erlernen. Unterstützt durch die Stadt Ochsenfurt hat die VHS deshalb bereits im April einen Deutschkurs für Geflüchtete aus der Ukraine angeboten, über zehn Wochen an jeweils einem Vormittag pro Woche.

Dozentinnen und Dozenten für Deutschkurse gesucht

Die zwölf Plätze waren schnell ausgebucht, sagt VHS-Leiterin Carmen van Musscher. Im Juli startete ein weiterer Grundkurs mit 15 Plätzen und ab September wird es einen weiteren Kurs für Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Vorkenntnissen geben. Die Nachfrage wäre groß genug, um weitere Kurse anzubieten, "doch dafür fehlen uns die Dozenten", so van Musscher. Ihr Aufruf richtet sich deshalb an potenzielle Kursleiterinnen und Kursleiter, sich bei der VHS zu melden. "Die meisten Teilnehmer würden am liebsten einen Kurs in Vollzeit belegen", sagt die VHS-Leiterin weiter. Doch das sprenge die Möglichkeiten der Ochsenfurter VHS.

Staatlicherseits ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAMF für Integrations- und Sprachkurse zuständig. Wie das Landratsamt mitteilt, meldete das Jobcenter im Landkreis Würzburg zwar regelmäßig den Bedarf ans BAMF, eine weitergehende koordinierende Rolle komme dem Jobcenter aber nicht zu.

Zu wenig Kita-Plätze für geflüchtete Kinder

Die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine dürfen uneingeschränkt einer Arbeit nachgehen, für die große Zahl von Müttern ist dafür allerdings eine Kinderbetreuung die Voraussetzung. Und da tun sich in Ochsenfurt neue Schwierigkeiten auf: Es fehlen Kita-Plätze. Problem dabei sei weniger der Platz als das Personal, sagt Bürgermeister Peter Juks.

Das Gesetz schreibt einen Personalschlüssel im Verhältnis 1:11 vor. Das heißt, jeweils elf gebuchten Betreuungsstunden muss mindestens eine Arbeitsstunde einer Betreuerin oder eines Betreuers gegenüberstehen. "Wenn wir diesen Schlüssel reißen, müssen wir Kinder abweisen, weil uns sonst die staatliche Förderung verlorengeht", sagt Juks. "Ich kann das Personalproblem nicht lösen, indem ich jemanden einstelle, weil der Arbeitsmarkt leergefegt ist." Im neuen Kindergartenjahr könnten zumindest sieben Kinder aus der Ukraine neu in die städtischen Kitas aufgenommen werden.

"Ich kann das Personalproblem nicht lösen, indem ich jemanden einstelle, weil der Arbeitsmarkt leergefegt ist."
Peter Juks, Bürgermeister

Wie hoch der zusätzliche Betreuungsbedarf tatsächlich ist, kann auch die zuständige Fachstelle am Landratsamt nicht sagen. "Die Lage ist aufgrund des Fachkräftemangels seit langem angespannt", heißt es dort. Vielerorts würden Wartelisten geführt oder Kinder müssen in weiter entfernte Einrichtungen ausweichen. In vielen Kitas sei die Betriebserlaubnis sowohl baulich als auch personell ausgereizt.

Bürgermeister Juks plädiert deshalb dafür, den Personalschlüssel in Ausnahmen zumindest befristet außer Kraft zu setzen. "Wenn wir beispielsweise in einem zweigruppigen Kindergarten für eine gewisse Zeit fünf Kinder mehr aufnehmen könnten, wäre uns schon sehr geholfen", sagt er.

Landratsamt sieht Aufweichung des Betreuungsschlüssels kritisch

Der Fachbereich am Landratsamt verweist darauf, dass es eine solche Regelung bereits gibt. Wenn die zusätzliche Aufnahme geflüchteter Kinder dazu führt, dass der Mindestpersonalschlüssel und die Fachkräftequote nicht eingehalten werden kann, dann habe dies zurzeit keine förderrechtlichen Folgen. Allerdings gilt diese Ausnahmeregelung derzeit nur noch bis Ende August, hat also für das kommende Kindergartenjahr keine Wirkung mehr. 

Generell sieht man eine Aufweichung des Betreuungsschlüssel beim Landratsamt kritisch. "Notgruppen und Notplätze wurden in der Vergangenheit vielfach genehmigt, um die örtliche Versorgung sicherzustellen." Die Aufnahme von geflüchteten Kindern dürfe deshalb nicht zu Lasten der Betreuungsqualität gehen. "Insbesondere ist darauf zu achten, dass das bereits sehr belastete pädagogische Personal nicht überlastet wird", so das Landratsamt weiter.

 
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