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WÜRZBURG
Stadtjugendring: Politik für Jugendliche von Jugendlichen
Die Jugend will bei der Stadtpolitik mitentscheiden. Das kann sie beim Stadtjugendring in Würzburg. Foto: Stadtjugendring
| Die Jugend will bei der Stadtpolitik mitentscheiden. Das kann sie beim Stadtjugendring in Würzburg. Foto: Stadtjugendring
Lucas Kesselhut
Lucas Kesselhut
 |  aktualisiert: 15.06.2017 03:45 Uhr

Egal ob Trumps Ausstieg aus dem Klima-Abkommen, die verzwickten Vorgänge beim Brexit oder selbst der Bürgerentscheid zum Faulhaber-Platz vor der eigenen Haustür: Politisch ist derzeit viel los, doch inwiefern interessiert das die Jugendlichen? Die aktuelle Shell-Studie zeigt: Immer mehr Jugendliche zeigen politisches Interesse und damit auch die Bereitschaft zur eigenen Beteiligung an politischen Aktivitäten. Die Politikverdrossenheit bleibt aber hoch. Wie gelingt es dann, Jugendliche zum Mitmachen zu bewegen und ihnen politisch Gehör zu verschaffen? Möglichkeiten dazu bieten die Jugendringe, also die Zusammenschlüsse von mehreren Jugendverbänden.

Auch in Würzburg gibt es einen Stadtjugendring, der mit 44 Verbänden und über 30 000 Mitgliedern sogar der größte in Unterfranken ist. Er ist eine Dachorganisation und der freiwillige Zusammenschluss aller Jugendorganisationen und der offenen Jugendarbeit in Würzburg. Damit gilt er als politische Interessenvertretung für alle Kinder und Jugendlichen in der Stadt, für die Jugendorganisationen und die Jugendarbeit insgesamt. Vorstandsvorsitzender André Fischer erklärt es in einem Satz: „Dort, wo sich junge Menschen organisiert zusammenschließen, haben wir den Anspruch, ideell und gedanklich dabei zu sein.“

Zu den Mitgliedern zählen beispielsweise die Wanderjugend im Rhönclub, die Evangelische Jugend oder auch die Bayerische Fischerjugend. Vom Staat bekommt der Jugendring die Aufgabe der Jugendhilfe mit allen Rechten und Pflichten übertragen, er ist also eine Körperschaft des öffentlichen Rechts – das ist in Bayern einzigartig.

Finanzen, Sprachrohr, Netzwerk

Doch was haben die Verbände davon, Mitglied beim Stadtjugendring zu sein? „Ein pragmatischer Grund ist, dass es für die Jugendarbeit staatliche Zuschüsse gibt“, erläutert Fischer. Insgesamt kann der Jugendring im Jahr auf ein Budget von 500 000 Euro zurückgreifen, etwa 160 000 Euro davon stammen aus der Kasse des städtischen Haushalts. Doch nicht nur das Finanzielle sei ein Grund für die Mitgliedschaft im Jugendring: „Es macht einen Unterschied, ob ein kleiner Verein mit zehn Personen etwas sagt oder ein Verband, hinter dem 30 000 Menschen stehen“, so der Vorstandsvorsitzende.

Der Stadtjugendring ist aber nicht nur Ansprechpartner für die Verbände, sondern organisiert auch eigene Projekte. Diese sind darauf ausgelegt, die Werte und das Verständnis des Stadtjugendrings mitzutragen. Internationalität, liberales Denken, Abwehr von Faschismus und die Förderung der Demokratie seien laut Fischer die Säulen, auf denen der Jugendring basiert. Vergangenes Jahr veranstaltete er zum ersten Mal den „Run 4 Freedom & Tolerance“, einen Lauf für mehr Weltoffenheit und Toleranz. Aufgrund des Erfolgs findet er dieses Jahr am 8. Oktober erneut statt.

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Ein anderes Projekt wurde aufgrund des Wunsches der Stadtpolitik ins Leben gerufen. Sie wünschte sich, dass Jugendliche die Möglichkeit bekommen sollen, sich politisch mehr zu beteiligen. Das war die Geburtsstunde der „Stadtteil-Checker“. Dort sollen junge Menschen die Möglichkeit bekommen, der Verwaltung und dem Stadtrat zu erklären, wo in ihrem Stadtteil der Schuh drückt. Gefördert wird das auf drei Jahre befristete Projekt mit 120 000 Euro von der „Aktion Mensch“. Der bisher größte Erfolg ist der geplante Bau einer Parcour-Anlage in der Lindleinsmühle. Unklar ist jedoch, wie es mit dem Projekt weitergeht, da es dieses Jahr ausläuft. „Wir suchen derzeit nach Möglichkeiten, wie wir die Aktion erfolgreich weiterführen können“, sagt Fischer.

Jugendarbeit ist Beziehungsarbeit

Ganz aktuell ist der Stadtjugendring mit den Planungen für das „Umsonst & Draussen“-Festival beschäftigt, das bereits an diesem Donnerstag beginnt. Dort wird es darum gehen, die einzelnen Verbände vorzustellen und auf sie aufmerksam zu machen. Und genau das sei heutzutage besonders wichtig. „Es wird zunehmend schwieriger, sich als junger Mensch ehrenamtlich zu engagieren“, so der 38-Jährige. Die gestiegenen Ansprüche an die Produktivität eines Menschen sieht er als Grund dafür. „Meistens können sich Ehrenamtliche nur kurzfristig und punktuell engagieren, jedoch nicht auf längere Sicht“, fügt er weiter hinzu. Da Jugendarbeit aber eine Beziehungsarbeit sei, die die Begleitung der Jugendliche über mehrere Jahre erfordert, stelle das ein aktuelles Problem dar.

Für die Zukunft stehen keine neuen Projekte beim Stadtjugendring an, damit bereits laufende Projekte verlängert und weiter umgesetzt werden können. Voraussetzungen dafür sei die gute Zusammenarbeit mit der Stadt und der Verwaltung. „Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, haben wir gemeinsam das Ziel, uns für Würzburg einzusetzen“, so Fischer. Und so setzen sich auch die Jugendlichen weiterhin in den Vereinen und Verbänden ein.

Denn wie die Projekte des Jugendringes zeigen: Junge Leute wünschen sich die Erfahrung der politischen (Selbst-)Wirksamkeit. Sie wollen spüren, dass sie Dinge verändern können. In Würzburg jedenfalls können sie das. Da mögen Trump, Brexit oder der Faulhaber-Platz vielleicht nicht an erster Stelle stehen, doch wenn es beispielsweise um die Gestaltung des eigenen Stadtteils geht, dann sind die unterfränkischen Jugendlichen jedenfalls engagiert dabei.

 
 
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