
Größer als der Wille einer Gruppe junger Würzburger, Flüchtlingen in Not zu helfen, schien im Jahr 2015 nur ihre Blauäugigkeit zu sein. Das erste Gespräch mit einem von ihnen, dem 21-jährigen Kinderkrankenpfleger Christian Ludwig, ließ den Reporter damals ratlos zurück. Ludwig berichtete vom Plan, Lebensmittel, Decken, Zelte, Kleidung und was sonst nötig ist zu sammeln und zu Flüchtlingen zu schaffen, die in improvisierten Lagern auf der Balkanroute festsitzen. Finanzierung, Lagerung und Transportfahrzeuge, Zollpapiere, Versicherung, Kooperationspartner – zu nichts konnte Ludwig Genaues sagen, alles blieb im Ungefähren. Diese Redaktion beschloss damals, erst zu berichten, wenn der Wille zur Tat geronnen war. Dutzende Berichte sind es geworden. Am Sonntag bekommt die mobile Flüchtlingshilfe "Hermine" den Würzburger Friedenspreis.
Bedrückende Zustände an der slowenisch-kroatischen Grenze
Im November 2015 fuhren sie zum Beispiel mit vier vollgepackten Kleinbussen los. An der slowenisch-kroatischen Grenze trafen sie auf bedrückende Zustände. Ludwig berichtete: "Die Menschen, die dort ankommen, sind so erschöpft, dass sie kaum noch stehen können." Seit Monaten seien sie unterwegs. "Die Füße sind wund, die Schuhe kaputt, durchnässt und beginnen zu stinken. Es ist ein schreckliches Gefühl, jemandem, dem man die Hoffnung auf ein neues Paar Schuhe gemacht hat, mitzuteilen, dass keine mehr da sind." Die Helfer litten mit: "Wir müssen uns zusammenreißen."
Eine Geschichte aus dem Jahr 2016 hatte diese Redaktion überschrieben mit "Palettenweise Boxen mit Liebe". Die Würzburger hatten bundesweit aufgerufen, zu Weihnachten Kartons für Kinder in griechischen Flüchtlingscamps zu packen. Sie sammelten die Pakete und lieferten sie mit zwei Lkw in den Lagern ab.
Gespräch mit Flüchtlingshelfer Christian Ludwig
Frage: Das war ein solches Chaos am Anfang. Wie haben Sie das geschafft?Christian Ludwig: Wir sagen immer: einfach machen. Das war das Grundprinzip von Anfang an. Da ist etwas, das dich stört, das du nicht akzeptieren kannst oder akzeptieren willst. Und wenn du willst, dass sich etwas ändert, dann musst du selber anpacken. Da ist nicht zwingend notwendig, dass du von Anfang an den Vollplan haben musst. Kein Meister fällt vom Himmel.
Ludwig: Ja, wussten wir nicht. Wissen wir teilweise heute noch nicht. Aber das schreckt uns nicht ab. Wenn man ein Ziel hat, einen Traum, dann soll man nicht so lange darüber grübeln, sonst ist die Motivation schnell weg, weil man dann sieht: "Oh Gott, ist das kompliziert." Einfach machen, einfach anfangen, mit der Zeit wird das. Und so war das bei uns auch.
Ludwig: Wenn man in die Lager kommt, da hat man dann selbst daran zu knabbern. Da wächst man aber auch rein, oder auch nicht. Manche sind auch wieder raus.
Ludwig: Nein. Wenn man das erst mal drin hat, dass alles möglich ist und dass man ankommt, wenn man anfängt, dann geht das. So sind wir eigentlich alle gestrickt.
Heute besteht die Mobile Flüchtlingshilfe aus rund 40 Leuten, fast ausnahmslos junge Menschen, in der Mehrzahl Frauen. Sie fahren die Transporte nicht mehr selbst, sondern sammeln bundesweit und schicken die Hilfslieferungen mithilfe von Geldspendern in die Flüchtlingscamps und Elendslager auf den Straßen. Dieses Projekt haben sie "Hermine" getauft, und dafür bekommen sie am Sonntag, 21. Juli, um 11 Uhr im Mainfranken Theater den Würzburger Friedenspreis.