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Gramschatz
Sportholzfäller Stefan Stark: Warum der Forstwirt aus Unterfranken gerne Bäume umhaut
Eher zufällig wurde der Waldarbeiter aus Gramschatz zu einem der Top-Sportholzfäller in Deutschland. Wie er trainiert er? Und was ist der Reiz, wenn Bäume fallen?
Auf dem Trainingsplatz in Gramschatz (Lkr. Würzburg): Stefan Stark lässt das Holz krachen. 'Underhand Chop' heißt die Disziplin, bei der die Sportholzfäller auf einem Holzblock stehen und ihn mit der Axt  zerteilen.
Foto: Fabian Gebert | Auf dem Trainingsplatz in Gramschatz (Lkr. Würzburg): Stefan Stark lässt das Holz krachen. "Underhand Chop" heißt die Disziplin, bei der die Sportholzfäller auf einem Holzblock stehen und ihn mit der Axt  zerteilen.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:37 Uhr

Die Axt kracht gegen den Stamm. Einmal, zweimal gräbt sich die Schneide ins Holz. Dann fliegt der erste Keil zur Seite. Stefan Stark greift um, die Muskeln an den Unterarmen treten hervor. Er holt wieder Schwung. Das Holz splittert. Nächster Schlag, nächster Keil. Es knirscht, die obere Hälfte des Stamms bricht ab. Stark lässt die Axt sinken. Der breite Brustkorb pumpt, der Mund zieht sich zu einem Lächeln.

Stefan Stark ist Sportholzfäller. 2005 hat er seinen ersten Wettkampf bestritten, seitdem nimmt der Mann aus Gramschatz (Lkr. Würzburg) regelmäßig an nationalen und internationalen Turnieren teil. Drei Mal wurde er Dritter bei der deutschen Meisterschaft. Aber eigentlich, sagt der 56-Jährige, sei es  eher Zufall gewesen, dass er zum Top-Athleten wurde.

Die Wurzeln des Sportholzfällens liegen in den USA, Kanada und Neuseeland

Nur zum Spaß habe er bei einer Talentsichtung mitgemacht – und kam frustriert zurück: "Da hieß es, bei mir sei das nichts gewesen." Aufgeben aber liegt dem Forstwirt nicht. Spontan fuhr er zu einem Trainingslager nach Holland, nahm dann mit neuer Motivation an den bayerischen Meisterschaften teil – und qualifizierte sich prompt für seine erste deutsche Meisterschaft. "Das war natürlich ein großer Act, das kannte ich nur aus dem Fernsehen – und plötzlich war ich dabei."

Um die 1,85 Meter lange Zugsäge gleichmäßig durch den Stamm zu ziehen, braucht es Kraft und Präzision.
Foto: Fabian Gebert | Um die 1,85 Meter lange Zugsäge gleichmäßig durch den Stamm zu ziehen, braucht es Kraft und Präzision.

Holzfällen als Sport, das gibt es in den USA, in Kanada oder Neuseeland schon lange. In Europa hat der Motorsägen-Hersteller Stihl seine Meisterschaftsserie Stihl Timbersports Series etabliert. Dabei treten die Sportler jeweils in sechs Disziplinen an. In Deutschland besteht eine Saison aus zwei Qualifikationswettkämpfen sowie der deutschen Meisterschaft.  Daneben gibt es kleinere Wettkämpfe.

Auch auf Starks T-Shirt prangt der Name Stihl. Die starke Präsenz des finanzkräftigen Sägen-Herstellers in seinem Sport ist nicht zu übersehen. Der Rummel, die VIP-Zelte, Shows und das Mediengroßaufgebot, seien ihm selbst aber manchmal fast zu viel, sagt der Gramschatzer.

"Wenn so ein mächtiger Baum anfängt zu fallen – das ist faszinierend."
Stefan Stark, Forstwirt und Sportholzfäller

"Ich bin ein Waldmensch", sagt der 56-Jährige. Schon als kleiner Junge nahm ihn der Vater mit zum Brennholz-Machen:  "Er hat mich geschnappt, als ich die richtige Größe hatte – da hab' ich mir immer gedacht: In den Wald gehst du nie." Nach dem Hauptschulabschluss fehlte ihm für eine Schreinerlehre jedoch die Erfahrung, und "da ich unbedingt etwas mit Holz machen wollte, wurde ich Waldarbeiter".

Ein bisschen müsse man zum Forstwirt gemacht sein, sagt Stark. Raus bei Wind und Wetter, körperlich hart arbeiten. Seine Hände sind mit Schwielen übersät. "Aber wenn so ein mächtiger Baum anfängt zu fallen – das ist faszinierend." Starks Augen leuchten. "Da muss man einfach hinschauen. Und wenn man richtig dicke Bäume fällt, dann ist das umso faszinierender."

Auf seinem Trainingsplatz in Gramschatz (Lkr. Würzburg) lässt Stefan Stark das Holz krachen. Bei den Wettkämpfen müssen Sportholzfäller sowohl im Hacken als auch im Sägen bestehen.
Foto: Fabian Gebert | Auf seinem Trainingsplatz in Gramschatz (Lkr. Würzburg) lässt Stefan Stark das Holz krachen. Bei den Wettkämpfen müssen Sportholzfäller sowohl im Hacken als auch im Sägen bestehen.

Sein Trainingsplatz ist am See in Gramschatz. Stark ist bekannt im Ort, wer vorbeifährt, grüßt. Aus den Schrebergärten nebenan "feuern sie mich manchmal sogar an, während sie grillen".

Der Boden des Trainingsplatzes ist übersät mit Spänen. Weich federn die Turnschuhe darauf, es riecht würzig nach Holz. Ein Stapel kreisrunder Scheiben liegt neben einer eingespannten Pappel. "Trainingsspuren" vom letzten Jahr, erklärt Stark.

Bei der deutschen Meisterschaft gibt es drei Axt- und drei Sägedisziplinen

In drei Axt- und drei Sägedisziplinen treten die Sportholzfäller bei den Wettkämpfen der Stihl Timbersports Series an. So müssen beispielsweise ein senkrecht und ein waagrecht verankerter Holzblock mit der Axt durchgeschlagen werden. Mit einer Einmann-Zugsäge gilt es eine komplette Scheibe aus einem schmalen Bereich von einem Stamm abzusägen. Und mit einer Motorsäge zwei Scheiben. "Das übt man, so dass man es fast blind beherrscht", sagt Stark. Vorletztes Jahr habe er dabei einen Rekord geschnitten.

Stark ist keiner, der mit seinen Erfolgen protzen will. Seine Medaillen liegen alle in einer Kiste. Aber wichtig ist ihm das Holzfällen trotzdem, ab und an absolviert er bei Messen oder Dorffesten Vorführungen, um "unseren Sport zu zeigen".

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Das Interesse ist meist groß, die Wettkämpfe locken tausende Fans. Spektakulär sind vor allem die Disziplinen "Springboard", bei dem sich die Sportler mit Trittbrettern einen Baumstamm hocharbeiten, und "Hot Saw". "Da nutzen wir eine selbstgebaute Säge mit einem Motorrad- oder Schneemobilmotor", sagt Stark. 27 Kilo schwer, bis zu 80 PS stark. Mit dem Startschuss reiße man die Säge hoch und trenne dann drei Scheiben aus 15 Zentimetern Stamm. Unter fünf Sekunden liegt der Weltrekord. Aufgestellt hat ihn Robert Ebner, der aus Ottelmannshausen (Lkr. Rhön-Grabfeld) stammt, 2021 bei der deutschen Meisterschaft.

Einen festen Trainingsplan hat Stefan Stark nicht

Stark wurde damals Vierter. "Die, die ganz nach vorne wollen, die geben alles und gehen volles Risiko", sagt er und fährt mit der Hand behutsam über einen Pappelstamm. Generell möge er das Sägen lieber als das Hacken. Geübt würden alle Disziplinen, aber "das Training kommt meistens zu kurz". Ohnehin gehe die Saison erst im Juni los. "Jetzt versuche ich, Kondition aufzubauen und fahre regelmäßig Mountainbike."

Im Wettkampf muss mit der Zugsäge eine komplette Scheibe von einem Stamm mit 46 Zentimetern Durchmesser abgesägt werden.
Foto: Fabian Gebert | Im Wettkampf muss mit der Zugsäge eine komplette Scheibe von einem Stamm mit 46 Zentimetern Durchmesser abgesägt werden.

Stark setzt die 1,85 Meter lange Zugsäge an, es quietscht und schabt. Gleichmäßig fressen sich die Zähne in den Stamm. Frische Späne pudern Boden und Schuhspitzen. Was leicht und flüssig aussieht, verlangt enorme Kraft und Präzision. Rumpf-, Oberschenkel- und Armmuskulatur - nach fünf bis sechs Trainingsscheiben "weiß man, was man gemacht hat", sagt Stark.

"Meistens gehe ich los und will nicht Letzter werden."
Stefan Stark, mit 56 Jahren einer der ältesten Athleten in Deutschland

Manche der Scheiben finden sich als Dekoration in seinem Haus wieder. Andere landen im Ofen. "Wir heizen das ganze Jahr mit Holz", sagt Stark. Seit 1993 lebt er mit seiner Frau und den beiden Kindern am Ortsrand von Gramschatz, neben seinem Elternhaus, fest verwurzelt, in einem Holzhaus. Der Gramschatzer Wald ist nur wenige Minuten Fußweg entfernt.

Seit fünf Jahren arbeitet Stark dort im Walderlebniszentrum, führt Besuchergruppen oder hält Lehrgänge. Samstags macht er für Freunde oder Bekannte "ab und an Bäume runter", gibt Sicherheitsschulungen oder Motorsägenkurse. Andere Hobbys? Stark runzelt die Stirn. Nein, eigentlich nicht. Nur das Holz.

Stefan Starks erster Baum fiel nicht so um, wie geplant

Stark ist einer von den Menschen, bei denen man merkt, dass sie genau das tun, was sie tun wollen. Von einem kauzigen Einsiedler hat er dabei – außer vielleicht den Bart – nichts an sich, im Gegenteil. "Ich rede gerne viel", sagt er von sich selbst. Auch, ganz uneitel, über kleine und große Missgeschicke wie seinen ersten gefällten Baum. Da habe er aus Versehen die Leiste vergessen, die den Baum beim Fallen in die richtige Richtung lenke. "Ich habe von hinten einfach geschnitten, bis nichts mehr da war – und rumms lag er da."

Fast vier Jahrzehnte ist das her. Verletzt habe er sich in all der Zeit selten. Einmal mit der Axt in den Finger gehackt, Bänder und Gelenke zeigen Verschleißspuren. Aber das gehöre dazu. Sportholzfällen ist körperbetont. Und typisch männlich? Überwiegend, sagt Stark. Es gebe nach wie vor wenige Frauen in der Szene. "Sie sind meist leichter und das ist ein Nachteil, weil wir viel mit dem Körpergewicht arbeiten."

Nach wenigen Sekunden fliegt mit der Motorsäge die erste Holzscheibe auf den Boden.
Foto: Fabian Gebert | Nach wenigen Sekunden fliegt mit der Motorsäge die erste Holzscheibe auf den Boden.

Mühelos hebt stark Stark seine Kiste mit Äxten aus dem Auto. Zwölf besitzt er insgesamt, dazu vier Sägen. Damit sei er eher Purist, viele jüngere Kollegen hätten weit mehr. Billig ist das nicht, eine Wettkampfaxt kostet um die 500 bis 650 Euro, eine Zugsäge drei Mal so viel. Stark setzt sich eine dunkle Brille auf und stülpt Ohrenschützer über.

"Im Wettkampf kämpfen wir vor allem gegen die Zeit." Die Motorsäge röhrt auf, Stark führt das Sägeblatt ruhig durch den Stamm. Nach wenigen Sekunden fliegt die erste Scheibe auf den Boden, kurz danach die zweite. Präzise und schnell müsse man mit der Motorsäge sein, ein schiefer Schnitt kann den Sieg kosten.

Der deutsche Meistertitel ist nicht das Ziel

Der deutsche Meistertitel? "Das ist für mich unrealistisch", sagt Stark. Andere Athleten würden teils deutlich mehr trainieren. "Die müssten schon großes Pech haben." Und mit 56 Jahren sei er einer der ältesten Sportler, das macht die Zielsetzung pragmatisch. "Meistens gehe ich los und will nicht Letzter werden."

Wettkampf-Saison 2022 der Sportholzfäller

Start der Stihl Timbersports Series 2022 in Deutschland ist am 18. Juni mit dem "Ford Ranger Cup" in Oelde in Nordrhein-Westfalen. Am 30. und 31. Juli kommen die Sportholzfäller nach Unterfranken: In Mellrichstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) steht der "Ford Transit Cup" als zweite Qualifikationsrunde an. Am 3. und 4. September wird dann die deutsche Meisterschaft in Wernigerode in Sachsen-Anhalt ausgetragen.
Nationale Timbersports-Meisterschaften finden in mehr als 15 Ländern weltweit statt. Seit 2015 gibt es eigene Frauen-Wettkämpfe. Die Saison endet mit der Weltmeisterschaft im Herbst.
Weitere Sportholzfäller aus Unterfranken sind erfolgreich, wie etwa Steffen Graf aus Leutershausen, der Nachwuchssportler Denny Vielwerth aus Nordheim (beide Lkr. Rhön-Grabfeld) oder der mehrfache deutsche Meister Robert Ebner, der aus Ottelmannshausen (Lkr. Rhön Grabfeld) stammt und seine Karriere 2021 beendet hat.
Quelle: Stihl/sp
 
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