
So eine "lebhafte" Bürgerversammlung hat Lenz Antretter (CSU/Freie Zeller Bürger) noch nicht erlebt. Und der zweite Bürgermeister der Gemeinde Zell war schon bei vielen dabei. Gut 100 Zeller interessierten sich für das Geschehen im Ort. Sonst sind es weniger. "Vielleicht 35 bis 40 Bürger", schätzt Bürgermeisterin Anita Feuerbach (CSU/Zeller Freie Bürger) einige Tage nach der Bürgerversammlung.
Dass so viele gekommen waren, hat einen Grund: Der Flächennutzungsplan, mittlerweile 40 Jahre alt, soll überarbeitet werden. "Er soll Perspektiven aufzeigen, damit wir die Zukunft so gut wie möglich gestalten können", sagt die Bürgermeisterin. Sie hat das Gefühl, dass der Ort gespalten sei. Und deshalb sorge sie sich auch um den Frieden in der Gemeinde. Wenige Tage vor der Bürgerversammlung hatte die Ortsgruppe Zell des Bund Naturschutzes (BN) der Bürgermeisterin 1215 Unterschriften von Bürgern übergeben, die eine Änderung des Flächennutzungsplans ablehnen. Stein des Anstoßes: 7,35 Hektar in der Zeller Flur sind für Wohnbebauung vorgesehen.
Mehr als 260 Einwendungen zum Flächennutzungsplan
Bis zum 3. Dezember lag der Flächennutzungsplan aus. Bürger und Träger öffentlicher Belange konnten ihre Stellungnahmen dazu abgeben. Eine Möglichkeit, die von den Zellern reichlich genutzt wurde. 269 Einwände von Privatpersonen gingen im Rathaus ein. Davon nutzten 178 die Vorlage des Bund Naturschutzes, erläutert Feuerbach auf Nachfrage.

Bei der Bürgerversammlung warb die Bürgermeisterin um Verständnis. "Die gewählten Vertreter einer Gemeinde sind verpflichtet, sich um weitaus mehr Dinge als lediglich um den Naturschutz zu kümmern. Wir müssen verantwortlich handeln und dürfen nicht in Populismus verfallen", sagte Feuerbach. In Richtung BN merkte sie an: "Einfache Lösungen gibt es nicht und schon gar nicht, wenn es kaum Leerstände gibt."
Kaum Leerstände im Altort und viele freie Bauplätze
Zell soll moderat wachsen können - das ist grob zusammengefasst das Ziel, das die Gemeinde mit einer Änderung des Flächennutzungsplanes verbindet. Freilich werden dadurch noch keine Baugebiete ausgewiesen, betonte die Bürgermeisterin. Norbert Herrmann, Vorsitzender der BN-Ortsgruppe, unterstützt das auch. Er sagt aber, dass es dafür nicht notwendig sei, die Natur in der Zeller Flur zu verbauen – sondern weist auf die vielen Möglichkeiten hin, die es innerorts noch geben würde.
Feuerbach kennt zehn Leerstände im Zeller Altort. Allerdings würden drei Anwesen davon in Zusammenhang mit dem Nachbarhaus genutzt, zwei Hausbesitzer würden gerade renovieren, ein anderes Haus sei sehr eng mit dem Nachbarhaus verwoben und ein Hausbesitzer habe mittlerweile nach einem finanziellen Zuschuss aus dem kommunalen Förderprogramm gefragt, erläutert Feuerbach. Dazu kommen 57 freie Bauplätze, die aber von den Grundstücksbesitzern nicht verkauft werden.
Verkehrsgutachten und Tempo-30-Markierungen auf dem Asphalt
Eifrig diskutierten auch die Zeller über den geänderten Flächennutzungsplan, wie aus dem Protokoll der Versammlung hervorgeht. Jessica Hecht merkte an, dass viele Familien mit ihren Unterschriften einen zukunftsweisenden Flächennutzungsplan für ihre Kinder haben möchten. Susanne Mannheim ging auf Bürgermeisterin Feuerbach ein und erwiderte, dass mit der Unterschriftenaktion keine Spaltung des Ortes beabsichtigt ist, sondern das Stimmungsbild der Zeller wiedergebe. Eva Schmitteckert möchte, dass im neuen Flächennutzungsplan der Bereich am "Brückle" in Verlängerung der Neuen Straße nicht als Wohnbaufläche vorgesehen wird, weil dieses Gebiet ökologisch wertvoll sei und den Zellern als Naherholungsgebiet diene. Außerdem habe ihr zweiter Bürgermeister Antretter versichert, dass es dort ohnehin nicht zu erwarten sei, dass ein Bebauungsplan genehmigt werden könnte. In der Bürgerversammlung erwiderte Antretter, dass er nur eine Stimme im Gemeinderat habe, die Beschlüsse aber von der Mehrheit gefasst würden.
Frank Stößel beantragte, ein Verkehrsgutachten in Auftrag zu geben, das für die im Flächennutzungsplan vorgesehene Wohnbaumöglichkeiten ökologische, umweltrechtliche Natur- und Kinderschutz-Aspekte berücksichtigt werden sollen. Stößel regte auch an, in der Hauptstraße mit entsprechenden Markierungen auf Tempo 30 und an entsprechenden Stellen im Ort auf Radarkontrollen hinzuweisen.
Abstimmen oder nicht?
Für Irritationen bei vielen Bürgern sorgte das Vorgehen der Verwaltung. Sie ließ über die einzelnen Anträge aus der Bürgerschaft alle Anwesenden abstimmen. Norbert Herrmann beantragte, dass die Anträge generell angenommen werden, wie es in der Vergangenheit auch üblich gewesen sei. Dazu erklärte der geschäftsleitende Beamte Christian Öder, dass die Kommunalaufsicht empfohlen habe, Anträge der Bürgerversammlung im Gemeinderat zu behandeln und nicht die Anträge einzelner Bürger.
"In einer Bürgerversammlung werden gemeindliche Angelegenheiten erörtert. Werden im Rahmen dieser Erörterung Anträge von Teilnehmern gestellt, aus denen sich Empfehlungen für den Gemeinderat ergeben sollen, muss hierüber Beschluss gefasst werden", erklärt die Pressestelle des Landratsamtes auf Nachfrage dieser Redaktion. Die Anträge müssten dann innerhalb einer Frist von drei Monaten vom Gemeinderat behandelt werden, wobei das Gremium an die Empfehlung nicht gebunden sei. In der Praxis würden aber immer auch Anliegen oder Anregungen von einzelnen Versammlungsteilnehmern vorgetragen, über die kein Beschluss zu fassen ist. "Solche Wortmeldungen können aufgegriffen und an den Gemeinderat weitergegeben werden", so das Landratsamt.