
"Wenn mein Vater wüsste, was er damit angerichtet hat." Andreas Obieglo hält das kleine Keyboard hoch, das er als Bub geschenkt bekommen hat, und das diese unstillbare Neugier nach neuen Klängen und Rhythmen in ihm ausgelöst hat. Heute bildet Obieglo zusammen mit seiner Frau Carolin seit fast 20 Jahren das ebenso kreative wie erfolgreiche Singer-Songwriter-Duo Carolin No und entlockt Piano und Synthesizer Klänge und Rhythmen, die sich der damalige Bub in seinem niederbayerischen Heimatdorf nicht im Traum hätte vorstellen können.
Vier Rhythmen hat das kleine Keyboard, erklärt Obieglo auf der Bühne der Würzburger Theaterhalle am Dom beim zweiten von vier restlos ausverkauften Konzerten, die das Duo am Samstag und Sonntag spielte: Rock, Walzer, Swing und Latin. "Latin hatte ich spektakulärer in Erinnerung", sagt Obieglo. Latin bildet also – logischerweise – die rhythmische Grundlage des Songs "Die Straßen der Vergangenheit" aus dem neuen Album "On On", der sich mit genau diesem Phänomen beschäftigt: Wie verändert sich unsere Weltwahrnehmung, während wir uns Wege durchs Leben suchen?
Das ist alles so vital, so ehrlich, so warm, so herzlich
Vielleicht ist es das, was dem Duo diese treue, liebevolle, begeisterte Fangemeinde beschert hat: Die Nähe zum Leben und den Fragen, die es aufwirft. Die Wachsamkeit, gelegentlich auch Ratlosigkeit, gegenüber den eigenen Emotionen und – sehr wichtig! – denen der anderen. "Einfach so nach irgendwo" feiert das Fernweh, "Meine Revolution" die Selbstbestimmung: "Meine Revolution fängt mit all den Dingen an, die ich ändern kann". Und "Himmelspforten", gesungen von Andreas Obieglo in reinstem Niederbayerisch, stellt die Frage nach den letzten Dingen: "Kon scho sei, dass ois vorbei is".

Das ist alles so vital, so ehrlich, so warm, so herzlich. Und dabei kein bisschen betulich, belehrend oder kitschig. Weil die Texte so clever wie klug gereimt sind und immer wieder mit sprachlichen Winkelzügen überraschen. Etwa so: "Das Leben gibt, das Leben nimmt – seinen Lauf". Bezeichnend auch, dass Andreas Obieglo in Zeiten, in denen man von jeder dahergelaufenen Künstlichen Intelligenz geduzt wird, das Publikum in seinen mild selbstironischen und immer irgendwie anrührenden Zwischentexten siezt.
Und dann ist da natürlich noch die unglaublich gut gemachte Musik. Andy an Gitarren, Keyboards und Synthesizer, Caro an ihrem minimalistischen, aber höchst effektiven Percussion-Set. Vor allem aber ihre unverkennbare Stimme: hell, klar, völlig ungekünstelt und blitzsauber.
Für die Fans ist diese Musik Trost, Ansporn und Geschenk
Stilistisch bedienen sich Carolin No, heute wohnhaft in Caros Heimatort Waldbüttelbrunn im Landkreis Würzburg, aus dem gesamten Spektrum der Popularmusik von Gospel bis Reggae, von Swing bis Latin. Und finden dabei immer das richtige Verhältnis von Spannung und Entspannung. Die souligen Einwürfe von Caro, die Dissonanzen wie die satten Dur-Akkorde von Andy kommen immer genau zum richtigen Zeitpunkt.

Für die Fans, das ist ganz deutlich zu spüren, ist diese Musik Trost, Ansporn und Geschenk. Kein Wunder, dass der Saal nicht nur den gelegentlichen nonverbalen Refrain schon ab dem zweiten Song bereitwilligst mitsingt, sondern textsicher auch ganze Lieder.
Carolin No machen Songs, die die Menschen brauchen. Songs, die man am liebsten auch sehr vielen politisch verantwortlichen Personen vorspielen würde. "Wünsche", zum Beispiel: "Ich wünsch' dir, dass du Dinge veränderst / und, wenn es sein muss, akzeptierst / dass du immer mit Anstand / gewinnst oder verlierst".