Perfekter hätte es nicht laufen können an diesem Samstagabend beim "Kultursommer Schweinfurt", dem Open Air auf dem Kessler Field: trockenberuhigtes Wetter, laue Temperatur, ein gut gestimmtes Publikum in den locker gefüllten Reihen, Sonnenschein sogar.
Nebel gab es nur auf der Bühne, dafür so reichlich, dass nach zwei Stunden auch das umliegende Gelände ordentlich in Schwaden gehüllt war.
Und dann die Musik: Das Singer-Songwriter-Paar "Carolin No", in Waldbüttelbrunn bei Würzburg ansässig, betrat die Bühne. Und sofort war da eine Atmosphäre von angenehmer Intensität, von Fasziniertheit und Spannung, von multiinstrumentaler Vielfalt und stilistischer Abwechslung.
Carolin (42) und Andreas Obieglo (43), unter anderem Kulturpreisträger der Stadt Würzburg, freuten sich riesig über ihren erst zweiten Auftritt nach den langen Monaten der Zwangspause für die meisten Kulturschaffenden. Bei Andi, dem gebürtigen Niederbayern, hört sich das dann so an: "I gfrei mi unbandig." Und diese Freude übertrug sich auf die Zuhörer.
Feinsinnige Bilder entstehen
Beziehungsreich sind die Songs, die das Paar schafft, wobei da zuerst an den Texten gearbeitet wird, wie Andi erläutert. Da heißt es "Oft war da nur ein neuer Tunnel am Ende des Lichts", oder "die Zukunft ist offenes Meer", was unausweichlich Assoziationen an die Monate des Lockdowns mit all seinen Aufs und Abs hervorruft.
Feinsinnig auch das Bild im Lied "Rückenwindstill": Die Luft hält den Atem an – welch schöner Vergleich, welch gelungenes Einfangen eines Lebensgefühls, dazu ein bisschen Neil Young-Feeling, als Carolin die Mundharmonika zückt.
Die Sängerin kann verzaubern, nicht nur durch ihre wunderbar wandelbare und klare Stimme, sondern auch durch ihre Bühnenpräsenz: Ruhig ruht sie in der Musik, lebt Steigerungen ganz einfach durch große Körperspannung aus und vermag dadurch mehr zu fesseln, als es manchem durch übergroße Bewegungsfreude gelingt.
Wie eine mehrköpfige Band
Sie ist, genauso wie Andi, immer wieder auch als Percussionistin im Einsatz. Beide gehen mit Kürbistrommel, Cajon, Gitarren, Piano und elektronischen Sounds so gekonnt und unauffällig um, dass man sich der Illusion einer mehrköpfigen Band hingeben kann.
Beide sind Vollprofis, haben Musik studiert, das merkt man nicht nur, wenn Andi souverän in die Tasten greift. Die Musik ist in diesem Duo, die Kompositionen sind stimmig, die Texte haben Tiefgang. "Ehrlich gesagt", der Titel ihres vorletzten Studioalbums, rüttelt an der Einstellung, das Leben einfach passieren zu lassen und in Lethargie zu verfallen.
"Muss i denn ..."
Ums Leben im Hier und Jetzt geht es beim Lied vom Mauerblümchen, das sich ganz einfach zwischen den Mauern von Vergangenheit und Zukunft angesiedelt findet. Und auch ein wenig melodramatisch wird es zwischen all den balladenhaften, rockigen oder jazzigen Nummern, wenn Andi als Solist am Piano dem Volkslied "Muss i denn zum Städtele hinaus" die eigentliche Botschaft vom melancholischen und endgültigen Lebensabschied entlockt.
Sympathisch ist auch der Umgang mit dem Publikum, das gerne zum Mitwirken im Background-Chor bereit ist, mitklatscht oder den Refrain übernimmt. Großen Applaus im Stehen gab's natürlich zum Schluss, gefolgt von einer ekstatisch ausgelebten Zugabe, die nochmal tief unter die Haut ging – und zwei weiteren.