
"Es ist kein Hexenwerk. Es ist im Grunde wirklich ganz einfach", sagt Annette Wolz und lacht laut. Und wenn man sie da so sitzen sieht, vor Energie und Tatendrang strotzend, ist man fast geneigt, zu glauben, dass es tatsächlich keine große Sache ist, was sie in den letzten 23 Jahren auf die Beine gestellt hat. Im Grunde aber ist es außergewöhnlich.
36 Stunden die Woche arbeitet die Erzieherin hauptberuflich als Leiterin der offenen Ganztagsschule an der Mönchbergschule. Und quasi im Nebenberuf leitet sie den inklusiven Verein "Annettes Kinderturnen", in dem sie pro Woche zehn Stunden Kinderturnen, elf Stunden Schwimmen, acht Stunden Qigong und Taiji sowie zwei Stunden Reha- und Neurosport betreut. Hinzu kommen noch die Schwimmkurse, die die Würzburgerin extra für Frauen – meist Migrantinnen – anbietet. Warum ist ihr gerade Inklusion so wichtig? "Ich bin schon immer der Meinung, wir sind bunt. Ich möchte, dass alle, gesunde und kranke, sich bewegen. Und ich muss einfach so gut sein, dass ich für jeden Menschen eine Möglichkeit finde, sich zu bewegen."
Für ihr außerordentliches Engagement wurden Annette Wolz und ihr Verein nun mit dem Hauptpreis der Main-Post-Aktion "Vorstand des Jahres" ausgezeichnet, der mit 1000 Euro dotiert ist und kürzlich in feierlichem Rahmen im Felix-Fechenbach-Haus übergeben wurde. Unterstützt wird die Vorsitzende Annette Wolz von ihrem Vater, der als Kassenwart fungiert, dem Behindertenbeauftragten Sebastian Sauer und Dr. Lena Klinkenberg, die sich vor allem um den Internetauftritt kümmert. Die Hauptlast aber trägt Annette Wolz.
Auf jede Einschränkung individuell eingehen
Egal welche Behinderung oder Beeinträchtigung ein Mensch mitbringt, bei ihr sind sie alle willkommen. Die Herausforderung, die unterschiedlichen Fähigkeiten und Ansprüche unter einen Hut zu bekommen, nimmt sie mit Freude an. "Man muss kreativ sein. Wenn man nicht kreativ ist, kann man das nicht machen", sagt sie. Jede Einschränkung sei anders, auf jede Behinderung müsse man individuell eingehen.

Da ist zum Beispiel der Junge in ihrem Schwimmkurs, der keine Finger hat. "Dem haben wir einfach was gebastelt, damit er Schwimmen lernen kann", sagt Annette Wolz mit sichtbarer Begeisterung. Probleme sind für sie da, um gelöst zu werden – Hürden, um sie zu überwinden. "Was nicht passt, wird passend gemacht. So bin ich einfach", sagt die Mutter einer erwachsenen Tochter und erinnert sich, wie alles begann. Damals, als sie fand, dass ihr dreijähriges Kind sich in der Turngruppe viel zu wenig bewege und sie kurzerhand eine eigene Turnstunde auf die Beine stellte.
"Es macht mir einfach Spaß. Und man bekommt so viel zurück", sagt sie heute über ihre Arbeit. Ihr Highlight ist die jährliche Teilnahme am Residenzlauf, bei dem inzwischen über zweihundert Kinder, Jugendliche und Erwachsene für ihren Verein auf die Strecke gehen.

Ruhige Momente gibt es außerhalb der Ferienzeiten kaum für Annette Wolz. Immer wieder kündigt das Piepsen des Handys Nachrichten an, unterbrechen Anrufe das Gespräch, weil irgendjemand eine Nachfrage hat oder noch schnell etwas geregelt werden muss. Die Antworten und Anweisungen, die sie gibt, sind kurz und prägnant. Zeit, um den heißen Brei herumzureden, hat sie nicht. "Meine ganze Woche ist durchgetaktet, inklusive Fahrzeiten. Ein großer Stau darf nicht dazwischen kommen", erklärt Annette Wolz und lacht. Sie wohnt und arbeitet in Würzburg, bietet aber auch eine wöchentliche Sportstunde in Eisingen an, zu der Kinder aus unterschiedlichen Landkreisgemeinden kommen.
Ihr Verein hat inzwischen 360 Mitglieder. Tendenz steigend. "Leider", sagt Annette Wolz. Nicht, weil sie nicht helfen möchte, sondern weil sie sehr viel mehr als das, was sie schon macht, nicht mehr anbieten kann. Außer ihrem gebe es "keinen Verein in Würzburg, der die Kinder mit Einschränkungen überhaupt annimmt. Ich habe im Schwimmkurs zurzeit sogar Kinder aus Nürnberg und Frankfurt." Die Mitglieder ihres Vereins zahlen 60 Euro Beitrag pro Jahr. Zusätzliches Geld kommt über Förderungen des Projektes Erlebte Inklusive Sportschule (EISs) des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbandes Bayern, das beim Bayerischen Staatsministerium des Inneren, für Sport und Integration angesiedelt ist.
Das Geld ist knapp: Freude über Spenden
Für acht ihrer Kurse hat Annette das entsprechende Siegel erhalten. "Und ich könnte noch locker drei mehr anmelden", sagt sie. Doch das Geld sei knapp, eine weitere Förderung vorerst nicht möglich. Was sie bekommt, ist im Grunde auch schon gleich wieder ausgegeben: für Schwimmbad- und Hallenmieten. Da freut sich Annette Wolz, die auch Mitglied im Würzburger Sportbeirat ist, dass es immer wieder mal Spenden gibt.

Schwächeln will sie bei all ihrem Engagement nicht. "Ich kann nicht sagen, ich bin jetzt ewig krank oder so. War ich zum Glück auch noch nie", erklärt die engagierte Frau und wirkt bei der Vorstellung, sie müsse mehrere Tage oder Wochen das Bett hüten, fast irritiert. Den jüngsten Residenzlauf hat sie mit gerissenen Bändern absolviert: "Ich kann nicht zu einem meiner Kinder sagen ,Lauf' und dann selbst schwächeln. Das funktioniert halt einfach nicht." Urlaub hat Annette Wolz nur dann, wenn Ferien sind. Und beim Reisen kann sie auftanken, manchmal stundenlang nur dasitzen und das Meer anschauen. Dann kommt sie nach Hause und hat wieder Kraft für ihre Aufgaben.

Ein Ende ist nicht in Sicht. "Vielleicht, wenn ich hundert bin oder so", sagt Annette Wolz. Bis dahin dürften noch viele von ihrem Engagement profitieren.
Bei der Main-Post-Aktion "Vorstand des Jahres" wurden für das Jahr 2024 Vorstände bzw. Aktive von fünf Vereinen aus Stadt und Landkreis Würzburg in verschiedenen Kategorien ausgezeichnet. Die Aktion wird in Zusammenarbeit mit der Stadt Würzburg und dem Landratsamt organisiert, die Preisgelder stiftet die Sparkasse Mainfranken Würzburg.
Alle geehrten Vorstände und die Geehrten in der Kategorie "Guten Seelen im Verein" stellt diese Redaktion in den nächsten Tagen in gesonderten Beiträgen ausführlich vor.