
Neben der Pest ist Lepra eine der bekanntesten und ältesten Krankheiten der Welt. Auch, wenn die bakterielle Infektion in Europa lange überwunden ist, stellt sie in vielen Ländern des Globalen Südens wie Indien oder Äthiopien weiterhin eine große Herausforderung dar. Durch das "Mycobacterium leprae" werden Nerven zerstört und befallen, ohne eine schnelle medizinische Behandlung kann es zu schweren Behinderungen kommen.
Um auf die Krankheit aufmerksam zu machen, lädt die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) mit Sitz in Würzburg am Welt-Lepra-Tag, 26. Januar, zu einem historischen Spaziergang "Auf den Spuren der Lepra in Würzburg" ein. Die Bildungsreferentin der DAHW, Saanika Amembal, die selbst aus Indien stammt, führt den Rundgang, informiert über historische Hintergründe und bindet die Gegenwart mit ein. In unserem Listicle stellen wir die ehemaligen Standorte von sogenannten Siechenhäusern in Würzburg vor. Heute ist Lepra mit einer speziellen Antibiotika-Kombinationstherapie heilbar – jedoch immer noch eine Gefahr in den ärmsten Ländern der Welt.
1. Spitalhof

Wie Saanika Amembal erklärt, befand sich auf dem Gelände des ehemaligen Spitalhofs in der Stephanstraße Richtung Peterplatz Ende des 11. Jahrhunderts das erste nachweisbare Siechenhaus in der Region. "Hier wurden Lepra-Betroffene abseits der Gesellschaft isoliert, um eine Ausbreitung zu verhindern. Sie wurden regelrecht ausgesetzt." Insgesamt gab es in Bayern 220 sogenannte Leprosorien, fünf davon in Würzburg. Noch heute seien Lepra-Patienten - beispielsweise in ihrem Heimatland Indien mit rund 100.000 Neuansteckungen im Jahr - stigmatisiert. Mit viel Aufklärungsarbeit werde versucht, dem entgegenzuwirken, so Amembal.
Damals, erklärt sie, konnten die Leprakranken zwar das Siechenhaus zum Betteln und Almosen sammeln verlassen, "aber sie mussten sich auffällig kleiden und mit einer lauten Holzklapper, der Lazarus, bemerkbar machen". Das Leben in der Ächtung sei schlimm gewesen, aber laut Amembal waren die Erkrankten auch geschützt, sie wurden versorgt, hatten ein Dach über dem Kopf und wurden oft mit alternativer Medizin behandelt. "Sie galten als Kinder Gottes und waren besser gestellt als Obdachlose."
2. Ehehaltenhaus

Nicht weit entfernt des Eingangs zur Stadt am Sandertor befand sich am heutigen Ehehalten-Haus ab dem 13. Jahrhundert ein Siechenhaus. Überliefert ist, so die Bildungsreferentin, dass der Name "Siechenhaus St. Nikolaus“ war. Aus den Recherchen gehe hervor, dass dort ab Ende des 13. Jahrhunderts bis ins 16. Jahrhundert hinein Lepra-Kranke aufgenommen wurden, bevor das Leprosorium dann mit dem Siechenhaus am Zeller Tor zusammengelegt wurde.
Eine wichtige Rolle, erklärt Amembal, komme der Nikolauskapelle zu, die als Schleuse diente, um den Erkrankten beispielsweise Essen zu bringen oder auch Almosen. "Diese Funktion ist uns aus der Zeit der Pest überliefert, es liegt aber nahe, dass die Kapelle auch für die Menschen, die an Lepra erkrankt waren, diese Funktion hatte", so die Bildungsreferentin. Interessant, dass viele Adlige und Bürgerliche großzügig spendeten: "Sie erhofften sich davon positive Auswirkungen auf ihr eigenes Seelenheil, denn nach der Bibel hatte sich auch Jesus um die Aussätzigen gekümmert und sie geheilt." Das sei auch Grund dafür, dass die Siechenhäuser zwar am Stadtrand errichtet wurden, aber an ausgewählten Orten, die "in den Blick fielen, um nicht vergessen zu werden".
3. Zeller Tor

Auch am historischen Eingang zur Stadt, dem Zeller Tor, wurde etwa im 14. Jahrhundert ein Siechenhaus errichtet. Wie Amembal erklärt, weist die Nische, die noch heute am Platz der Brieftaube zu sehen ist, darauf hin, dass hier eine prachtvoll gestaltete Gedenktafel angebracht war, "die um 1360 für die einstige Kapelle am dortigen Siechenhaus gefertigt wurde", so Amembal. Heute befindet sich das historische Überbleibsel in der Pfarrkirche St. Burkard im Mainviertel.
Um 1631 plünderten wohl die in Würzburg einmarschierten Schweden das Siechenhaus, das medizinisch gut ausgestattet war, erklärt Amembal weiter. Ein neues Spital für Leprakranke wurde dann unterhalb der Weinberge am Stein gebaut, "auch hier wieder von vielen Punkten der Stadt aus gut sichtbar".
4. Pfarrkirche St. Burkard

In der Kirche St. Burkard ist der sogenannte Leprosenstein zu finden, der ursprünglich für die Kapelle des Siechenhauses am Zeller Tor gefertigt wurde. Wie Amembal sagt, stiftete diesen eine Würzburger Patrizierfamilie im 14. Jahrhundert. "In Gedenken an Jesus, der die Aussätzigen heilt und rettet." Das Stifterpaar sei auf dem Stein verewigt, der Pelikan am Kopf der Gedenktafel füttere sein Kind und symbolisiere die Gnade Jesu.
5. Am Stein

Der Nachfolgebau des Siechenhauses am Zeller Tor wurde, wie die Bildungsreferentin berichtet, am Fuße des Würzburger Steins angesiedelt. "Unseres Wissens nach wurde das dortige Leprosorium etwa um das Jahr 1663 eingerichtet. Es diente dann noch gute zwei Jahrhunderte als Unterkunft für von Lepra Betroffene." Es soll den Unterlagen nach das letzte Würzburger Siechenhaus für Lepra-Erkrankte gewesen sein.
Mitte des 19. Jahrhunderts gingen das Siechenhaus, die Kapelle und ein kleiner Weinberg an den Bayerischen Staat über - "und der ließ es abreißen und baute eine neue Bahnlinie", so die Informationen Amembals. Leider lasse sich der genaue Standort nicht nachvollziehen, "es liegen wie bei den anderen Siechenhäusern auch, nur wenige historische Dokumente und Daten vor".
6. Wöllriederhof

Das heutige Gut Wöllried in Rottendorf fungierte im 13. Jahrhundert ebenfalls als Leprosorium, erklärt Bildungsreferentin Amembal. Auf dem Gelände befindet sich heute eine beliebte Event-Location. Nachvollzogen werden kann die damalige Nutzung als Siechenhaus im Zeitraum von 1245 bis circa 1364. Wie der heutige Eigentümer des Gut Wöllried, Wolfgang Roth, dieser Redaktion berichtet, findet sich darüber Auskunft in einem „breve“ (Brief) des Papstes Innocenz IV. (1243-1257) vom 13. November 1245. Der Papst beauftragt hierin den Verantwortlichen des Würzburger Minoritenklosters, einen Bruder zu bestimmen, die Beichte der unglücklichen Leprosenkranken in Wöllried zu hören, ihnen die Sakramente zu spenden und Sorge für ihr Begräbnis zu tragen. Eine weitere Urkunde von 1252 bestätigt die Aufgabe des Wöllriederhofes als Leprosenhaus.
Im Jahr 1340 wurde die Aufsicht des Siechenhauses dem Bürgerspital unterstellt, so Amembal. "1364 starb wohl der letzte Lepra-Kranke, der dort untergebracht war, denn es lässt sich nachvollziehen, dass das Bürgerspital dann wieder den sogenannten Zehntpfennig ans Domkapitel zahlen musste." Diese Abgabe war während der Nutzung als Leprosorium entfallen. Das Haus sei danach als Gutshof wieder landwirtschaftlichen Zwecken zugeführt worden.
Startpunkt des Rundgangs: Sonntag, 26. Januar 2025, 11 Uhr, Adalbero-Kirche. Der Spaziergang endet im Mainviertel. Zusätzlich gibt es die Ausstellung zum Welt-Lepra-Tag im Caritas-Don Bosco Berufsbildungswerk, Am Schottenanger 15. Öffnungszeiten: 10 bis 17 Uhr. Anmeldung zum Spaziergang per Mail an kommunikation@dahw.de oder spontanes Kommen.