Zwischen Erotik-Shop, der Akademie für Handel und Stift Haug steht Würzburgs sonderbarstes Parkhaus. Wer hier parken will, muss Aufzug fahren. Denn zu den Parkdecks gelangt man nur mit einem der zwei Aufzüge. Das ist einmalig in Würzburg. Die Idee dazu, Aufzüge statt ein Spindel ins Parkhaus zu bauen, hatte der Würzburger Architekt Bertram Schweser. Die knapp 3600 Quadratmeter werden so optimal genutzt.
Nur das große blaue "P" auf der Bahnhofstraße weist auf das Parkhaus hin. Hinter dem gelben Wohnhaus an der Bahnhofstraße liegt die Seinsheimgarage. Die knapp zwei Meter hohe Einfahrt unter dem Wohnhaus sieht nach einer privaten Einfahrt aus. Der Eingang zum gelben Wohnhaus ist ein Meter von der Parkhaus-Einfahrt entfernt. Während man vor der geschlossenen Schranke ein Ticket zieht, gehen die Bewohner dort ein und aus. Nach einer öffentlichen Parkgarage sieht das nicht aus.
Parkhaus im Hinterhof
Die rot-weiß gestreifte Schranke geht hoch. Der Blick wandert über das Armaturenbrett des Autos nach vorne auf das hohe, weiße Gebäude. Erhellt vom Tageslicht wirken die bunt aufgemalten Blätter auf der weißen Fassade wie die bunten Klettergriffe an einer Kletterwand. In Schritttempo fährt man aus der überdachten Einfahrt über den hellen Innenhof auf die Hausfassade zu. Die pulverbeschichteten Aufzugtüren öffnen sich. Sie führen ins Innere des Parkhauses.
Da, wo früher der Stiftshof "Seinsheim" war, kann man heute schon ab 1,10 Euro pro Stunde parken. Auf sieben Ebenen, die über die zwei großen Lastenaufzüge erreichbar sind. Einparken mit dem Aufzug ist ungewohnt und irgendwie seltsam. Doch dafür ist die Seinsheimgarage nicht so eng wie das Parkhaus am Markt und genauso günstig wie das Parkhaus Pleich. Und das mitten in der Würzburger Altstadt.
Die Aufzugtüren öffnen sich. Das blaue Schild rechts vom Aufzug leuchtet auf, "Bitte einfahren". In dem Aufzug flackert eine grelle LED-Röhre an der Decke. Der Innenraum sieht aus wie der Lastenaufzug im Krankenhaus. Zwei Meter hoch und so breit, dass ein SUV reinpasst. Der Motor springt wieder an. Vorsichtig die Kupplung kommen lassen, der rechte Fuß liegt schon über der Bremse. Das Auto rollt wenige Meter auf die geöffneten Aufzugtüren zu. Mitten im Aufzug blickt man auf eine geschlossene Aufzugtür und das flackernde Neonlicht. Lieber mal den Gang rausnehmen und die Handbremse ziehen. Sicher ist sicher.
Wer hier parkt, kennt sich aus
Wer hier parkt, ist Stammparker. Von den 163 Stellplätzen sind 93 für Dauerparker belegt. Von Montag bis Freitag fahren hier rund 230 Autos rein und raus. Am Wochenende sind es etwa die Hälfte. Wer hier parkt, weiß das. So wie Dalma Czuczor aus Unterspießheim, die gerade mit Tüten beladen von einer Shoppingtour zurück kommt. Einen Parkplatz findet sie hier immer."Wenn ich nach Würzburg fahre, parke ich immer hier. Es ist zentral und freie Parkplätze gibt es auch."
Das meint auch Alfred Geißendörfer. Wenn er in die Stadt hinein fährt, parkt er immer hier, "es ist günstig und ein Parkplatz ist hier immer frei", sagt der 63-Jährige. Der Aufzug macht ihm nichts mehr aus "mittlerweile finde ich es sogar angenehmer, als im Kreis zu fahren. Man muss ja nur warten und kommt gleich auf die Parkebene, wo auch was frei ist", sagt er.
20 Sekunden Klaustrophobie
Im Rückspiegel schließen sich jetzt die Aufzugtüren. Mulmig wird einem schon dabei. Unter dem Lenkrad fangen die Füße an, nervös zu wippen. Wann bewegt sich jetzt endlich dieser Fahrstuhl? Hätte man was drücken müssen? Fährt er nach oben oder nach unten? Nirgendwo ist ein Schild, das einem die Jungfernfahrt in dem Parkhaus erleichtert. Stattdessen klebt auf den geschlossenen Aufzugtüren ein unscheinbares Hinweisschild, auf dem in roten Großbuchstaben "Videoüberwacht. Sofort zu melden! Polizeiliche Anzeige!" steht.
Angeschnallt im Auto, eingeschlossen in einem Quader aus Stahl - was kann man jetzt noch tun, was zu einer Anzeige führen könnte? Der Radioempfang lässt nach. Der David Guetta-Song im Radio verkommt zu einem Rauschen, also Radio ausmachen. Es ist still im Auto und still im Aufzug. Die Hände pressen sich unbewusst auf das Lenkrad - warten, bis sich der Aufzug in Bewegung setzt. Der Blick wandert hektisch von links nach rechts und wieder nach vorne, überall nur verschmutzter Stahl. Noch nie hat sich der Innenraum eines Autos so klein und eng angefühlt. Das Herz schlägt schneller, im Anorak wird es wärmer. Die Luft fühlt sich im Auto plötzlich viel stickiger an als sonst.
Nach 20 Sekunden ist alles vorbei. Nichts gespürt. Keinen Druck. Kein Geräusch, dass den schweren Aufzug in eine der oberen oder unteren Etagen hievt. Alle Panik war umsonst. Als sich die Stahltüren vor der Motorhaube öffnen, dämmert es auch warum. Das Auto ist noch immer im Erdgeschoss. Ebenerdig gibt es nämlich auch Parkplätze.
In einer früheren Version des Artikels hieß es, der Randersackerer Architekt hatte die Idee zum Parkhaus. Richtig ist der Würzburger Architekt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.