
Für die Würzburger CSU kommt der Schritt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Kurz vor den Landtagswahlen, bei denen die CSU mit einer schweren Schlappe rechnen muss, hat mit Thomas Schmitt, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, ein prominentes Mitglied die Partei verlassen. Wie erst jetzt bekannt wurde, hat Schmitt seinen Entschluss dem CSU-Kreisvorsitzenden Oliver Jörg bereits Anfang August mitgeteilt.
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Austritt ist am Montag Thema in der CSU-Fraktionssitzung
Offenbar war im inneren Zirkel der Partei zunächst Stillschweigen über den Entschluss Schmitts vereinbart worden. Wie die CSU-Fraktionsvorsitzende Christine Bötsch gegenüber dieser Redaktion sagte, wolle man nun am Montag in der CSU-Stadtratsfraktion über die Problematik sprechen.
Thomas Schmitt wollte sich gegenüber dieser Redaktion nicht äußern und den Austritt weder bestätigen noch dementieren: "Da rede ich nicht drüber."
"Ich bedauere den Schritt sehr, weil ich Thomas Schmitt wahnsinnig schätze."Christine Bötsch, CSU-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat
Kreisvorsitzender Oliver Jörg bestätigte dagegen den Austritt. Dieser sei "vor vier oder fünf Wochen" erfolgt - per schriftlicher Mitteilung. "Das Schreiben ist im Prinzip zweigeteilt - mit einem Riesenlob an die Würzburger CSU. Aber er hat eben Vorbehalte in der kommunikativen Art und auch inhaltlich, was unseren Parteivorsitzenden anbelangt."
Jörg macht Austritt "nachdenklich und traurig"
In dieser Woche habe er ihm geantwortet, so Jörg, und in dem Brief "all das, was er gemacht hat, gewürdigt". Er würde sich wünschen, wenn Schmitt den Reformprozess in der CSU "aus der Partei heraus" begleiten würde. Das betreffe auch den sozialpolitischen Ansatz, den die CSU brauche und für den Schmitt stehe. Er jedenfalls bedauere den Parteiaustritt "aufs Äußerste" und sei "nachdenklich und traurig". Mit dem Austritt Schmitts verliere die Würzburger CSU einen "begnadeten Intellektuellen". Dass Schmitt mit seinem Entschluss nicht an die Öffentlichkeit gegangen sei, begründete Jörg mit dem Wunsch Schmitts, der Würzburger CSU im laufenden Wahlkampf nicht zu schaden.
"Ich bedauere den Schritt sehr, weil ich Thomas Schmitt wahnsinnig schätze", sagte Fraktionschefin Christine Bötsch. Offen ist jetzt, ob Schmitt nach dem Parteiaustritt stellvertretender Fraktionsvorsitzender bleibt. "Er hat von sich aus gesagt, dass er sich das überlegen will. Das möchte ich auch mit der Fraktion besprechen. Die weiß das nämlich im Moment noch nicht. Aber Thomas Schmitt hat klar gesagt, dass er weiterhin die Politik der CSU im Stadtrat unterstützt, dass er da keinen Dissens sieht und dass er sich da weiter einbringen möchte."
Auch ihr gegenüber habe er seinen Schritt mit seiner Kritik an Parteichef Horst Seehofer begründet. "Er hat mir gesagt, dass für ihn da jetzt ein gewisses Maß erreicht ist. Ich habe das aber nicht als grundsätzliche Abkehr von der Partei oder als Hinwendung zu einer anderen Partei verstanden."
Respekt vom politischen Gegner für die Entscheidung
Thomas Schmitt führte von 2008 bis 2014 die CSU-Fraktion. Sein damaliger direkter Gegenspieler von der SPD, Hans Werner Loew, macht bei Schmitt einen "längeren Entfremdungsprozess mit der CSU" aus. Er selbst habe Schmitt immer als "sehr sachlich orientiert" und "ohne Engstirnigkeit und Bissigkeit" erlebt.
Alexander Kolbow, aktuell SPD-Fraktionschef im Rathaus, schätzt an Schmitt, "dass er sich für humanitäre Entwicklungen und Zusammenhänge stark macht". Er könne die Entscheidung durchaus verstehen, zumal die CSU unter Horst Seehofer immer weiter nach rechts gerutscht sei. "Dass sich Thomas Schmitt von der CSU entfernt hat, war in den letzten Wochen und Monaten immer wieder zu merken."
Als "Paukenschlag" bezeichnete Grünen-Fraktionschef Matthias Pilz die Nachricht. Er habe Respekt vor der persönlichen Entscheidung, die "Ausdruck eines tieferen Konflikts in der CSU" sei. "Thomas Schmitt ist jemand, mit dem man Diskurse führen kann. Und da ist es natürlich schade, wenn gerade solche Menschen die CSU verlassen."
Schon länger Kritik an CSU-Chef Seehofer
Der 1957 geborene Schmitt hatte schon als junger Mensch zur CSU gefunden: 1974 war er Mitgbegründer der Schülerunion in Uffenheim (Lkr. Neustadt an der Aisch). Danach übte er verschiedene Funktionen aus - durch Ortswechsel bedingt zeitweilig auch in der CDU. 1999 wurde er Mitglied im CSU-Kreisvorstand Würzburg-Stadt, von 2008 bis 2014 war er Fraktionsvorsitzender.
Thomas Schmitt hatte schon seit Längerem mit öffentlichen Äußerungen, oft auf seiner Facebookseite, klar Stellung gegen Politik und Auftreten von CSU-Parteichef Horst Seehofer bezogen. Kritik übte er insbesondere am von Seehofer provozierten Konflikt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage.
Anfang Juli hatte Schmitt gegenüber dieser Redaktion von einem Amoklauf gegen die Kanzlerin gesprochen und mit Blick auf Seehofer bekannt: "Ich habe fertig mit dem Kerl." Einen CSU-Austritt hatte er damals jedoch noch ausgeschlossen.
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Ja was soll das denn???
Nur ein Niedergang der Partei bei den nächsten Landtagswahlen könnte ein Neuaufbruch sein. Inhaltlich, vor allem aber personell muss sich die Partei neu aufstellen. Dazu gehört der Austausch der kompletten Führungsspitze der Partei. Denn es ist ja nicht nur Seehofer, der die Republik in Atem hält. Es ist auch ein krankhaft ehrgeiziger Ministerpräsident, der zu Schmutzeleien neigt. Und auch den konservativen Revolutionär Dobrindt (jetzt lässt er sich sogar einen Bart wachsen) , der als Verkehrsminister vor allem durch Inkompetenz geglänzt hat, wollen wir nicht vergessen.
Ich kenne Fälle, da ist es genau andersrum passiert.
Die CSU hat ihn groß gemacht, jetzt wendet er sich ab. Herr Schmitt sollte in aller Konsequenz auch sein Stadtratsmandat zurückgeben.
...wer unter Willy Brandt in die SPD eingetreten ist muß spätestens jetzt wg. Frau Nahles austreten!
MfG
Wenn doch jetzt auch nur Herr Jörg und Frau Stamm noch austräten...
Das ist eines der Probleme heutzutage, die Bevölkerung vermag nicht mehr zu differenzieren. Egal ob Fakten oder Parteien in unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen.
Das merkt man auch daran dass die afd versucht stimmen zu fangen mit anti - Merkel Plakaten obwohl selbige nichts mit den Landtag in Bayern zu tun hat.
Mehr politische Bildung täte hier weiten Teilen der Bevölkerung gut.
Aber Ihr Beitrag ist ein schönes Beispiel, für das was ich meine. Danke dafür.
Wie oft schon hätte ich aus der Kirche austreten müssen, weil mir der Papst, der Bischof oder der Pfarrer nicht gepasst haben?
Ich habe es nicht getan, und das war auch gut so.