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WÜRZBURG/NÜRNBERG
Sechs LKA-Beamte müssen auf die Anklagebank
Attacke: Der Ex-Spitzel Mario W. (mit Verteidiger Norman Jacob, links) sagt: Das LKA wusste von seinen Straftaten
Foto: Wagner | Attacke: Der Ex-Spitzel Mario W. (mit Verteidiger Norman Jacob, links) sagt: Das LKA wusste von seinen Straftaten
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:30 Uhr

Bisher jagten sie Verbrecher, ab Dienstag stehen sechs erfahrene Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) selbst in Nürnberg vor Gericht: Ein Spitzel beschuldigte sie in einem Prozess in Würzburg, bei seinen Straftaten beide Augen zugedrückt zu haben

Bei den „Bandidos“ eingeschleust

Im Polizeijargon heißen die zwielichtigen Figuren aus dem kriminellen Milieu, die als Spitzel gewonnen werden, V-Personen. V steht für das Vertrauen, dass die Ermittler in den gerade aus dem Gefängnis entlassenen Spion Mario W. setzten, als sie ihn 2011 bei der Rockerbande „Bandidos“ einschleusten, um Hinweise auf Straftaten zu bekommen. Ob die Beamten in der heiklen Zusammenarbeit mit dem Spitzel aus Münnerstadt (Lr. Bad Kissingen) zu weit gingen, soll nun das Landgericht Nürnberg entscheiden.

Er wähnte sich geschützt

Der mehrfach vorbestrafte Mario W. wähnte sich nach seiner Anwerbung geschützt vor Strafverfolgung. Er wurde während dieser Tätigkeit immer wieder bei Straftaten auf eigene Rechnung erwischt – und aus unangenehmen Situationen herausgeholt.

Zwei Ermittlern der Nürnberger LKA-Außenstelle wird Beteiligung am Diebstahl von Baggern in Dänemark durch den V-Mann und die Rocker vorgeworfen, einem Beamten uneidliche Falschaussage, einem anderen Betrug und uneidliche Falschaussage in drei Fällen. Vier Beamten wird zur Last gelegt, von der Beteiligung des V-Mannes an dem Baggerdiebstahl gewusst zu haben.

Tacho zurückgedreht?

Neben diesen Anklagen gibt es eine eher profane: Ein Mietwagen für den Spitzel wäre dem LKA im Nachhinein teuer gekommen. Denn der war mit dem Mercedes viel mehr unterwegs als gedacht. Das hätte teure Nachzahlungen bedeutet – wenn nicht der Tacho wie bei einem betrügerischen Autohändler zurückgeschraubt worden wäre. Davon soll einer der Beamten gewusst haben.

Als W. im Herbst 2011 bei der Einreise aus Tschechien mit Drogen erwischt wurde, war die Zusammenarbeit abrupt zu Ende. Aus der Untersuchungshaft drohte er dem LKA zunächst mit der Offenlegung seiner Tätigkeit als V-Mann, wenn er nicht freigelassen werde und in ein Zeugenschutz-Programm komme. Als sich der Staat nicht erweichen ließ, machte er seine Drohung wahr.

Schlechter Bericht für den Landtag

Als das Innenministerium den neugierig gewordenen Abgeordneten des Landtages einen (vom LKA vorbereiteten) unvollständigen und in Teilen falschen Bericht zur Zusammenarbeit mit dem V-Mann lieferte, war die Affäre komplett. Sogar der Verdacht politischer Mauschelei keimte. Doch die von manchen Medien kolportierte Einflussnahme eines LKA-Beamten auf das Verfahren über zwei unterfränkische Landtags-Abgeordnete zu Innen-Staatssekretär Gerhard Eck stellte sich als Seifenblase heraus. Von einem Untersuchungsausschuss ist im Landtag schon lange nicht mehr die Rede.

Aber interne Ermittler der Nürnberger Kripo stießen reihenweise auf erklärungsbedürftige Vorgänge in dem Graubereich, in dem sich Einsätze solcher Spitzel oft bewegen: Es entstand der Eindruck, das LKA habe dem V-Mann zunächst zu lange Leine gelassen. nachher habe man dies dies mit Hilfe manipulierter Akten und falscher Aussagen vor Gericht zu vertuschen versucht.

Geheimnistuerei

Zunächst hatte das LKA mit Geheimnistuerei den Verdacht, hier sei etwas faul, eher vertieft als entkräftet. LKA-Beamte wurden im Würzburger Prozess gegen den Ex-Spitzel nur geheim vernommen, hatten selbst da nur eine begrenzte Aussagegenehmigung und schwiegen zu den Erzählungen des Angeklagten weitgehend. Dafür gaben Prozessbeobachter des LKA insgeheim Details aus dem Verfahren weiter, um Aussagen abstimmen zu können.

Nichts protokolliert

Selbst über das, was ihre Kollegen im Zeugenstand überhaupt zur Rolle des Spitzels (und ihre eigene) sagten, gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Weil die Aussagen in Würzburg 2012 und 2016 nicht wörtlich protokolliert wurden, muss sich das Nürnberger Gericht jetzt auf Jahre zurück liegende Erinnerungen und persönliche Notizen von Beteiligten stützen.

Ob sich auf der Grundlage eine Falschaussage vor Gericht beweisen lässt, muss sich zeigen.

Immenser Flurschaden

Der Flurschaden für das LKA ist immens. Jegliche V-Mann-Tätigkeit in heiklen Bereichen wie Drogenhandel oder Extremismus soll praktisch zum Stillstand gekommen sein, sagen Insider. Der Fall nagt an der Glaubwürdigkeit der Elite-Ermittler. Und sechs erfahrene Kriminalisten dort, darunter der zeitweilige Untersuchungsleiter zur Oktoberfest-Ermittlung, werden plötzlich Gegenstand von Nachforschungen wie die kleinen und großen Gauner, gegen die sie jahrzehntelang ermittelten.

Spitzel als Kronzeuge

In Nürnberg soll der V-Mann – der vergangene Woche nach Verbüßen seiner Strafe freigelassen wurde – Anfang Dezember seinen großen Auftritt als Kronzeuge der Anklage haben. Wo er nach seiner Entlassung untergetaucht ist, blieb geheim. Er fürchte die Rache der Rocker, hatte er immer wieder betont. In den Zeugenstand müssen wohl auch zahlreiche Juristen und Strafverfolger aus Würzburg sowie die Verteidiger des V-Mannes.

Für den Prozess sind 30 Verhandlungstage angesetzt. Mit einem Urteil ist im März 2018 zu rechnen.

 
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  • P. v.
    Arcus Sorgen oder sinnlose Nörgeleien????Könnte der Bänker Sohn noch Leben hätte man nach normalen Verstand ermittelt????
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  • B. S.
    es wird der Eindruck vermittelt,dass da eine Menge schief gelaufen ist.bzw...aus dem Ruder.
    Nicht mehr, nicht weniger-für den aussenstehenden Betrachter.

    Eine hoch komplexe brisante Geschichte mit grosser Aussenwirkung.
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    Bayrischer Rundfunk Redaktion Mittelfranken
    „Keiner der Beamten sitzt in Untersuchungshaft. Sollten sie verurteilt werden, könnten sie im besten Falle mit Geld- bzw. Bewährungsstrafen rechnen. Für den Prozess sind bislang 30 Termine geplant. Ein Urteil könnte im März kommenden Jahres fallen. Der Prozess wird vor dem Landgericht in Nürnberg verhandelt, weil die Zentralstelle für V-Mann-Einsätze des LKA Bayern in Nürnberg sitzt“
    Es wird der Eindruck vermittelt, dass einfache Bürger bei solche Vorwürfen in Untersuchungshaft säßen.
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    Wenn eine bayrische Staatsanwaltschaft gegen 6 LKA Beamte eine Klage zulässt, ohne ein Joda daran zu ändern, müssen die Vorwürfe schon mehr als handfest sein.
    Die politischen Mauschelein zwischen Innenstaatssekretär Eck und der CSU Direktkandidatin vom Landkreis KT und Ehefrau eines der Hauptangeklagten, sind nach Ansicht zumindest einiger, durchaus seriöser Zeitungen, bisher keineswegs ausgeräumt.
    Morgen ist ja der erste Prozesstag. Schön wäre es, wenn die Main-Post, die anders als die normalen Bürger, über die Prozesstermine vorab informiert wird, die Termine auch veröffentlicht.
    Gespannt bin ich auf den Prozessverlauf. Wird er doch zeigen, dass sich die kriminelle Energie von zwielichtigen LKA Beamten kaum von der anderer Bürger abweicht. Insofern muss das LKA besser kontrolliert werden.
    Sind wir gespannt was der morgige Tag bringt. Neben der überregionalen Presse sind hoffentlich auch genügend Zuschauer im Gerichtssaal.
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  • M. S.
    Welche Rechnung auch immer Sie mit Wiesenbronn offen haben - das Ist nicht der Platz , um es auszutragen. Dafür ist dieser Fall zu ernst.
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    @sailor...der Fall ist äußerst ernst. Deshalb gehört er auch in die Öffentlickeit.
    Wer weiß, was beim LKA sonst noch alles unter dem Mantel der Verschwiegenheit abläuft. Nicht nur in diesem Fall hat sich das LKA nicht mit Ruhm bekleckert. Denken wir an die NSU Morde, denken wir an das Oktoberfestattentat. Zumindest im letzteren ist eine Verquickung von Politik und polizeilicher Arbeit wahrscheinlich und immer noch nicht geklärt.
    Auch in diesem Fall sind noch nicht alle Zweifel ausgeräumt. Nur eine interessierte Öffentlichkeit kann dafür sorgen, dass Fehlverhalten (und in diesem Fall sprechen wir nicht von Kavaliersdelikten) von LKA Beamten aufgedeckt und wie in anderen Fällen auch bestraft wird. Sonst verlieren die Bürger in einer immer komplexeren Welt das Vertrauen in die staatliche Polizeibehörde. Und das muss mit allen Mitteln verhindert werden.
    Es geht also nicht nur um den Herrn aus Wiesenbronn, der seine dienstlichen Möglichkeiten nutzte, um seine Nachbarn auszuspionieren.
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