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Würzburg
Schwimmabzeichen: Immer weniger Kinder können schwimmen
Wer sich bei den Temperaturen in das kühle Nass stürzen kann, ist ein Glückspilz. Umso besser, wenn man ein Schwimmabzeichen hat. Doch immer weniger Kinder machen es.
Früher für ein Grundschulkind selbstverständlich, heute meist hart erkämpft: das Seepferdchen.
Foto: Rüdiger Arbes | Früher für ein Grundschulkind selbstverständlich, heute meist hart erkämpft: das Seepferdchen.
Melanie Jäger
Melanie Jäger
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:31 Uhr

"Hey, aus dem Weg, jetzt komm ich!" Platsch! Mit einer Arschbombe versinkt der neunjährige Luki im tiefen Becken des Würzburger Dallenbergbads.  Auch ein paar Kleinere erklimmen langsam den Turm zum Dreimeterbrett. "Das hab ich mich letztes Jahr auch noch nicht getraut", tröstet Luki ein kleines, schmächtiges Mädchen, das wieder kehrt macht."Sie ist noch nicht so sicher im tiefen Becken, sie hat gerade erst das Seepferdchen gemacht", erklärt die Mutter der Kleinen. Und dass das eine große Leistung für ihre sechsjährige Tochter gewesen sei. "Jetzt ist sie stolz, dass sie ohne Schwimmflügel ins Wasser darf."

Drittklässer Luki im Dallenbergbad nickt. "Bei uns gibt es welche in der Klasse, die können sich nicht mal ein paar Meter weit über Wasser halten." Ins Schwimmbad würden die selbst an so einem heißen Tag nicht gehen. "Das ist ja auch irgendwie voll peinlich, wenn man in dem Alter mit Schwimmflügeln rumläuft. Oder nicht mit ins Wasser gehen darf." Er selbst bewegt sich selbstbewusst im Wasser, seit er im vergangenen Sommer das Jugendschwimmabzeichen in Bronze gemacht hat. "Das Raufholen von dem Ring fand ich am schwersten. Dafür habe ich immer trainiert", erzählt der Neunjährige.

Wasserspaß im Dallenbergbad. Wer schwimmen kann, ist auch im flachen Becken sicherer. 
Foto: Fabian Gebert | Wasserspaß im Dallenbergbad. Wer schwimmen kann, ist auch im flachen Becken sicherer. 

"Das Tauchen fällt vielen Kindern anfangs schwer", weiß der erfahrene Würzburger Schwimmmeister Andreas Oehrlein, der schon etliche Seepferdchen-Prüfungen abgenommen hat. Das Seepferdchen und der Jugendschwimmschein in Bronze gehörten zu den beliebtesten Abzeichen: Laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) sind im vergangenen Jahr allein 47 000 Seepferdchen-Abzeichen in den Händen stolzer Kinder gelandet. Danach lässt das Interesse bei Eltern und Kindern in der Regel stark nach. Insgesamt haben 2018 deutschlandweit  88 357 Schwimmern eine der drei Jugendprüfungen abgelegt und bestanden. Im Rückblick ist diese Zahl erschreckend. 1975 hatte sie DLRG noch stolze 878 000 Jugendschwimmabzeichen verteilt, 2015 nur 139 000.

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Schwimmkurse: Haifisch Sharki trifft auf Pirat und Frosch

Dabei ist das Angebot an Schwimmkursen groß. In Unterfranken bieten zum Beispiel die DLRG, die Wasserwacht des Bayerischen Roten Kreuzes, Schwimmvereine und private Schwimmschulen verschiedene Trainingsvarianten an. Die tragen dann lustige Namen wie Wasserfloh oder Wassermäuse.  Denn mittlerweile hat das Seepferdchen Gefährten bekommen. Den Frosch etwa. Den Piraten. Oder Seehund Trixi. Haifisch Sharki mischt heute im Becken mit. 

Wir schaffen das! Schwimmkurs im Geomaris in Gerolzhofen. 
Foto: Thorsten Wozniak | Wir schaffen das! Schwimmkurs im Geomaris in Gerolzhofen. 

Auch die Schwimmaufsicht ist heute mehr gefordert als früher. An heißen Tagen, wenn sich Horden kreischender und hüpfender Kinder und Jugendlicher in den Becken oder im Badesee tummeln, können darunter eben auch immer jene sein, die sich im Zweifelsfall nicht selbst über Wasser halten können. Die nicht einmal die Mindestanforderung eines Seepferdchens erfüllen und die damit beim Toben im Wasser, Springen und Rutschen höchst gefährdet sind. Das Dilemma geht weiter: Schon jetzt fehlen vielerorts auch in Unterfranken Schwimmmeister und Rettungsschwimmer, die den Job am Beckenrand übernehmen könnten. Freilich sind die Anforderungen des  Rettungsabzeichens nicht ohne, Absolventen werden dringend gesucht.

Die Abzeichen bauen aufeinander auf, das heißt, je weniger Kinder und Jugendliche ein Schwimmabzeichen machen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es künftig genügend Rettungsschwimmer geben wird. 81 803 sind es aktuell, die eine dazu passende Prüfung abgelegt haben. Das reicht nach Ansicht der Experten nicht aus, um die Sicherheit in Bädern, Seen und überwachten Fluss-Stellen zu gewährleisten.      

Den Ernstfall trainieren: Ehrenamtliche der Wasserwacht Ebern im Landkreis Haßberge. 
Foto: Michael Will/BRK | Den Ernstfall trainieren: Ehrenamtliche der Wasserwacht Ebern im Landkreis Haßberge. 

Im Erwachsenenbereich ist der Ehrgeiz, ein Schwimmabzeichen in Bronze, Silber oder Gold abzulegen, gering. Gerade mal 6495 Prüfungen wurden im vergangenen Jahr deutschlandweit abgelegt. Damit das Seepferdchen und seine Gefährten nicht sterben, gibt es auch in Unterfranken seit Jahren vielerorts Rettungsmaßnahmen in Form von Initiativen, auch und gerade in Schulen.

Ertrinken ist zweithäufigste Todesursache bei Kindern 

So trainierte etwa Franziska van Almsick zuletzt in Bad Kissingen mit Zweitklässlern der Sinnberg Grundschule im Wasser. Die mehrfache Olympia-Medaillengewinnerin hat eine Stiftung ins Leben gerufen, um auf die Bedeutung von Schwimmtraining aufmerksam zu machen. Denn Ertrinken sei die zweithäufigste Todesursache von Kindern, so van Almsick. Aktiv ist auch Würzburgs bekanntester Schwimmer, der Weltmeister und Olympiasieger Thomas Lurz. Er hat gemeinsam mit Stadt und Landkreis Würzburg das Projekt "Tauch´ nicht ab! Lern´ Schwimmen" ins Leben gerufen. Denn: "Schwimmen macht fit und es kann Leben retten!"

Doch nicht nur das: "Schwimmen und Tauchen, das ist doch auch voll cool!", sagt der neunjährige Luki im Dallenbergbad. Das Seepferdchen-Abzeichen trugen Kinder schon früher mit Stolz an Badeanzug oder Badehose. Das ist heute nicht anders. Auf Lukis blauer Badehose indes ist an diesem Tag nichts zu sehen. Der Grundschüler winkt ab. "Ich hab mir das nicht dran gemacht." Und wo ist das Bronzeabzeichen? Luki grinst. "Das ist auf meiner kurzen Schwimmbadehose. Aber ich zieh im Dalle lieber lange Badeshorts an." Spricht's und klettert wieder die Leiter hoch. Sichere Abkühlung per Arschbombe.  

Häufig gestellte Fragen zu Schwimmabzeichen
Dürfen bei der Prüfung von Seepferdchen oder Jugendschwimmabzeichen Schwimm- oder Taucherbrillen verwendet werden?

Laut Prüfungsordnung sind alle Übungen und Prüfungen grundsätzlich ohne Hilfsmittel durchzuführen. Da bei Tauchprüfungen und Übungen zum Tauchen das wesentliche Ziel die Orientierung unter Wasser ist, ist die Schwimmbrille an dieser Stelle als Hilfsmittel anzusehen, da sie die Orientierung unter Wasser erheblich erleichtert.

Darf ich als Sportlehrer Schwimmabzeichen abnehmen?

In der Vereinbarung über die Gültigkeit der Prüfungsordnung in Verbänden und Schulen ist geregelt, dass Lehrer mit der Lehrberechtigung zur Erteilung von Schwimmunterricht die Schwimm- und Jugendschwimmabzeichen abnehmen dürfen.

Wie finde ich heraus, wo in meiner Nähe der nächste Schwimmkurs / Rettungsschwimmkurs stattfindet?

Allein an über 2000 DLRG-Stellen bundesweit werden Schwimmkurse oder Kurse zum Rettungsschwimmabzeichen angeboten. Über die Homepage der DLRG etwa kann man die nächstgelegenen Ortsgruppen finden, die Auskunft über entsprechende Kurse geben können.

Wie lange dauert ein Kurs zum Erwerb eines Rettungsschwimmabzeichen?

Die Prüfungsordnung Schwimmen / Rettungsschwimmen schreibt einen Umfang von mindestens 16 Lerneinheiten a 45 Minuten vor. Der Organisationsrahmen (Wochenendkurs, wöchentlich usw.) ist dabei von den Gegebenheiten vor Ort (z.B. Verfügbarkeit von Wasserfläche) abhängig. Für die Rettungsschwimmabzeichen Silber und Gold muss ein Erste Hilfe Kurs (9 LE) absolviert werden.

 
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  • Doedi.wue
    Typisch - das eigene Unvermögen auf die Schule abwälzen.Auch lernten wir Schwimmen ohne daß jeder Stadtteil sein eigenes Schwimmbad und jedes Kind seinen persönlichen Schwimmlehrer hatte.
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  • giacomo
    Das mit dem "Seepferdchen" ist so eine Sache. Es suggeriert, dass ein Kind schwimmen kann. Allerdings kommen viele gerade mal so 25 m weit. Wäre das Becken nur 2 m länger, hätten viele Kinder schon ein Problem. Die Eltern geben sich damit zufrieden, dass das Kind ja nun schwimmen kann. Das ist eine krasse Fehlannahme. Wenn ein Kind in den Main oder einen See fällt, wird das problematisch!! Es kommt nämlich dann die Angst oder der Schreck dazu. Um wirklich sicher schwimmen zu können, sollten die Eltern "dran" bleiben und häufig mit den Kindern ins Bad gehen. Nur Regelmäßigkeit bringt Sicherheit. Sicher können einige Eltern den Kindern selbst das Schwimmen beibringen. Ich halte davon aber gar nichts. Fehler, die von Eltern beim Schwimmen gemacht werden, werden auch dem Kind beigebracht. Viele Erwachsene schwimmen nämlich nicht richtig!! Außerdem sind Kinder viel aufmerksamer, wenn Fremde ihnen das Schwimmen beibringen.
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  • lisbeth128
    EIn weiterer Grund liegt beim Schulschwimmen. Mein Sohn hatte "Schwimmen" von der zweiten bis vierten Klasse durchgehend. Ebenso durchgehend blieb er NIchtschwimmer (bzw. wäre es geblieben), denn: "Schwimmen LERNEN ist im Unterricht nicht möglich, es ist nur eine Lehrkraft pro Klasse dabei." KLartext: entweder das Kind kann bereits schwimmen, dann wird es gefördert und lernt auch andere Schwimmstile usw. oder es kann nicht schwimmen, dann plantscht es drei Jahre lang ...
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  • Jeanrichard
    Wie wäre es, wenn Sie sich die Zeit nehmen und Ihrem Kind schwimmen beibringen. So jhaben wir es gehalten.
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  • lisbeth128
    Haben wir ja ("wäre geblieben"). Dennoch finde ich die Vorgehensweise in den Schulen skurril.
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  • andres.irmi@gmx.de
    Schauen sie sich docn nur das Schaulaufen des Landrats usw. zum neuen Schwimmbad in Versbach/Lindleinsmühle an. Da werden Steuergelder verschwendet weil man Jahrelang das von den selbständigen Gemeinden Versbach/Lengfeld finanzierte Bad/Lindleinsmühle verkommen hat lassen. Nun baut man ein neues Bad, (" Namen Pfütze") und sonnt sich in diesem Erfolg. Der DLRG kann, wie die letzten Badeunfälle zeigen , dieser Badkonstruktion keine Trainingsmöglichkeit bringen.
    Hoffentlichhaben die sog. Verantwortlichen, wenn sie bei der Einweihung beim Einspringen auch einen Helm auf dem Kopf, denn durch Schaden wird man klug. (Ob das was nutzt ??)
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  • SebastianRoth
    Man könnte fast vermuten, dass das mit der Halbierung der Schwimmbad-Wasserflächen in Bayern zu tun haben könnte...
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  • Lebenhan1965
    Da werden Sie wohl

    Recht haben.
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