Die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest in Osteuropa hält Landwirte und Jäger auch hierzulande in Atem, wie zuletzt in Gelchsheim, wo sich rund 100 Jäger trafen, um vom Leiter des Würzburger Veterinäramts Otto Erb eine fachmännische Einschätzung über die Ausbreitungsgefahr und die Bekämpfungsstrategie zu erhalten.
Eingeladen hatte die Kreisgruppe Ochsenfurt des Bayerischen Jagdverbands. Eines machte der Amtstierarzt dabei deutlich: Eine drastische Dezimierung der deutschen Wildschweinbestände hätte nur mäßigen Einfluss auf die Verbreitung der Seuche. Die größte Gefahr, dass das Virus über weite Strecken weitergetragen wird, geht vom Menschen aus.
Seit 2014 in der EU
2014 hat der Erreger die Ostgrenze der EU überschritten. 2017 wurde der erste Fall im östlichen Tschechien bekannt. Das Virus ist hochinfektiös und tötet betroffene Tiere, egal ob Wild- oder Hausschwein, in der Regel innerhalb von zehn Tagen, so Erb. Kot und Urin bleiben aber noch über Monate hinweg ansteckend, und auch in verarbeiteten Fleisch überlebt das Virus lange Zeit, in gepökeltem Schinken bis zu 140 Tage, in Gefriergut sogar über Jahre.
Ein achtlos weggeworfenes Wurstbrötchen würde ausreichen, um die hiesige Wildschweinpopulation mit dem Erreger zu infizieren. Das für Tierseuchen zuständige Friedrich-Löffler-Institut schätzt deshalb das Risiko hoch ein, dass das Virus entlang der Fernstraßen durch kontaminierte Schweinefleischerzeugnisse verbreitet wird oder durch Verunreinigungen an Transportfahrzeugen, Kleidung und Schuhen.
Hinweisplakate an Autobahnraststätten
Zu den Präventionsmaßnahmen, die im Freistaat Bayern ergriffen wurden, gehören deshalb mehrsprachige Hinweisplakate an den Autobahnraststätten und die Umrüstung auf verschließbare und standsichere Müllbehälter, die nicht in der Nacht von hungrigen Wildschweinen oder Vögeln geplündert werden können.
Dass die Seuche durch die natürliche Wanderung des Wilds schnell in Richtung Westen vordringt, sei hingegen unwahrscheinlich. Amtstierarzt Otto Erb beziffert die natürliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der Krankheit auf 25 bis 30 Kilometer pro Jahr.
Verschiedene Gefahrenzonen
Die Krisenszenarien befassen sich deshalb vorrangig mit der Bekämpfung eines akuten Ausbruchs. Ein erster Schritt wäre die Einrichtung einer Gefahrenzone um den Fundort, in dem ein Betretungsverbot und ein Jagdverbot verhängt werden und man die Tiere nötigenfalls sogar füttert, erläutert Otto Erb. Damit soll verhindert werden, dass eine infizierte Rotte durch die Flucht vor Jägern versprengt wird oder sich über weite Strecken auf Futtersuche begeben muss.
In einem gefährdeten Bezirks im Radius von 15 Kilometern um den Ausbruchsherd und in einer weiteren Pufferzone von 30 Kilometern würde man anschließend versuchen, die Wildschweinpopulation möglichst stark zu reduzieren. Jagdrechtliche Regelungen wie Schonzeiten und Schutzgebiete würden dazu außer Kraft gesetzt und auch der bislang verpönte Einsatz von Nachtsichtgeräten könnte dabei hilfreich sein.
Jäger können vorbeugen
Das Maßnahmenpaket baut also darauf, dass sich Jäger in großer Zahl an der Bekämpfung eines Ausbruchs beteiligen, betont Erb. Doch auch zur Vorbeugung können die Waidmänner beitragen, etwa indem sie Blut oder Fleischproben von verendeten Tieren oder von erlegten Wildschweinen mit erkennbaren Auffälligkeiten ans Veterinäramt weiterleiten. 20 Euro zahlt der Freistaat seit vergangenem Herbst für jede Fallwild-Probe.
Seit 2012 bereits läuft in Bayern bereits ein Monitoringverfahren, bei dem es neben der Afrikanischen Schweinepest auch um die Europäische Schweinepest und die Aujeszkysche Krankheit geht. Die Jäger sind hierbei aufgerufen, neben Proben von verendeten oder auffälligen Tieren auch von gesund erlegten Wildschweinen Blutproben zu nehmen und einzusenden.
Den Jagdtourismus in betroffene Gebiete sieht Otto Erb kritisch, vor allem dann, wenn Trophäen mitgebracht werden. Ebenso wie die Lockfütterung (Kirrung) mit Aufbruch und Fleischresten. Zur gefahrlosen Beseitigung von Tierkadavern will der Landkreis Würzburg feste Sammelstellen einrichten. Eine davon soll in Röttingen entstehen. Besondere Vorsicht müssen Landwirte walten lassen, die Hausschweine halten und gleichzeitig zur Jagd gehen.
Nur eine Frage der Zeit
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen hält es Otto Erb angesichts des internationalen Personen- und Warenverkehrs nur für ein Frage der Zeit, bis auch in Deutschland der erste Fall der Afrikanischen Schweinegrippe auftaucht. „Und wenn sich die Afrikanische Schweinepest erst einmal in einem Gebiet etabliert hat, wird es lange dauern, sie wieder los zu werden.“
Letztmals in Westeuropa war die Erkrankung 1986 in den Niederlanden aufgetreten. Die Folgen für Schweinehalter in den betroffenen Gebieten wären verheerend, wenn es hierzulande dazu käme. Doch auch die Jäger rechnen mit erheblichen Schäden.
Für den Menschen völlig ungefährlich
Die Verunsicherung der Verbraucher würde dazu führen, dass nicht nur Wildschweine, sondern auch Rehe und anderes Wildbret kaum noch verkäuflich wären, fürchtet der Vorsitzende der Jäger-Kreisgruppe Gerhard Klingler. Das „Schießen für die Tonne“, zu dem die Jäger gezwungen wären, führe zudem in ein erhebliches ethisches Dilemma. Dabei betont auch Amtstierarzt Otto Erb, dass das Virus für Menschen absolut ungefährlich ist.