
Seine Tätigkeit hat etwas vom Existenzkampf eines Eichhörnchens: der Zapfenpflücker und Saatgutsammler Werner Sennert erntet derzeit Kiefernzapfen in eng begrenzten zertifizierten Bereichen innerhalb des deutschlandweit größten Schwarzkiefernbestandes. Das, was er dabei in den kleinen Jute-Säcken in bis zu dreißig Meter Höhe sammelt, ist nach seiner Überzeugung "nicht einmal gegen einen Schubkarren voll Gold erhältlich."
Diese Aussage verwundert zunächst, bringt aber die Wertschätzung für das immer rarer werdende Saatgut zum Ausdruck. Der Schwarzkiefernwald bei Leinach – es ist der größte zusammenhängende in Deutschland – ist durch Trockenheit und Hitze gefährdet. Die korsische Variante könnte dabei helfen, den Wald zu erhalten. Die aktuelle Zapfenernte erfolgt in dafür zertifizierten Bereichen am Eichelberg - im Bereich des Geländes der Leinacher Waldweihnacht und am Gaigel.
Werner Sennert ist seit vier Jahrzehnten professioneller Saatgutsammler
Besonders dramatisch scheint die Situation am Volkenberg zu sein. Neben einer Fläche auf Gemarkung der Gemeinde Leinach ist dort auch eine kleine Teilfläche der Gemeinde Erlabrunn zertifiziert zur Sammlung von Saatgut. Nur ist dieser Bestand derart geschwächt, dass die nur noch wenigen gesunden Bäume offensichtlich ihre ganze Kraft in ihre Existenz investieren. Nur wenige Zapfen und kaum welche mit Saatgut sind zu finden, wie die vor der Ernte übliche Sichtung durch den Zapfenpflücker ergab.

Der mittlerweile 68-jährige Sennert ist seit vier Jahrzehnten professioneller Saatgutsammler. "Kiefernzapfen zu sammeln und damit Teil der besonderen Geschichte zu sein, das wollte ich in meiner langen Laufbahn einfach noch erleben", sagt er. Erst im vergangenen Jahr konnte eine gentechnische Untersuchung belegen, dass es sich in Teilen des Schwarzkiefernbestandes auf Leinacher Gemarkung um die korsische Variante handelt.
Aus der derzeitigen Sammlung der Zapfen ergibt sich aber auch eine Besonderheit. Generell darf Saatgut nur in dafür zertifizierten Bereichen gewonnen werden. "Die Vorgaben dafür sind immens und typisch deutsch. Ohne Dokumentation und Bürokratie geht absolut nichts", so Werner Sennert. Zwar ist der Bereich am Eichelberg zertifiziert, jedoch nur hinsichtlich der bisher angenommenen österreichischen Herkunftsvariante (Pinus nigra subsp. Nigra).
Für die im Vorjahr im Umfeld nachgewiesene korsische Variante existiert laut stellvertretenden Bürgermeister Walter Klüpfel noch keine Zertifizierung. Das hat zur Folge, dass deren Saatgut nicht in Umlauf gebracht werden darf. Deshalb fordert Klüpfel: "Es wird Zeit, dass das AELF (Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg) schnellstens in die Gänge kommt und die Zertifizierung vornimmt." Dabei hat er auch den wirtschaftlichen Aspekt im Blick: während die Gemeinde für das herkömmliche Saatgut nur eine geringe Entschädigung von etwa 20 Cent je Kilogramm Zapfen erhält, könnte für Saatgut der korsischen Variante ((Pinus nigra subsp. Laricio) ein deutlicher höherer Preis erzielt werden, sofern es erhältlich ist.
Eine Zapfen-Schnittpobe dient zur Qualitätsbeurteilung
Derweil ist der Aufwand für professionelle Zapfenpflücker wie Werner Sennert erheblich. Auf Basis des Saatgutvermehrungsgesetzes muss jeder Baum, von dem Saatgut gesammelt wird, zunächst farblich markiert und registriert werden. Jedes Jahr wird dabei eine andere Farbe benutzt, um eine einfache Unterscheidung erkennen zu können. Zudem muss eine Zapfen-Schnittprobe erfolgen. Sie dient zur Qualitätsbeurteilung und lässt die Anzahl der zur Vermehrung vorhandenen und geeigneten Samen erkennen. Darüber hinaus muss zur Überprüfung des Saatgutes für jeden Baum eine Zapfenprobe von 15 Stück abgepackt werden.
Als Sammler ist Sennert zudem verpflichtet, zur Dokumentation ein Ernteprotokoll sowie ein akribisches Sammelbuch zu führen. Daraus ergibt sich für den gewonnenen Samen und die späteren Jungpflanzen ein so genanntes Stammzertifikat. Das jeweilige Zertifikat begleitet die Zapfen-Chargen bei der Weiterverarbeitung von der Samengewinnung, über die Nachzucht bis hin zur Pflanzung der jungen Bäume. Einen geschulten Blick hat sich Werner Sennert während seiner 40-jährigen Tätigkeit als Saatgutsammler angeeignet, um innerhalb der zertifizierten Waldflächen mit einem Fernstecher die besten Bäume für die Ernte zu erkennen. Erst dann, wenn es sich zu lohnen scheint, erklimmt er geschickt den Baum bis in die Baumkrone. Denn dort befinden sich die hellen, jungen Zapfen des aktuellen Jahres. Die dunklen Zapfen aus dem Vorjahr bleiben beim Sammeln außen vor.
Die gesammelten Zapfen kommen zur Weiterverarbeitung und Saatgutgewinnung in den Forstservice-Betrieb Steingaesser nach Miltenberg. Dort werden die Zapfen maschinell getrocknet, um an den darin versteckten Samen zu gelangen. Von dem seit 1813 existierenden Forst-Betrieb sind neben Saatgut auch Forstpflanzen mit Stammzertifikat erhältlich.