
Radiergummi, Schreibblock, Hefte, Stifte, ein neues Mäppchen – in Unterfrankens Schreibwarenabteilungen und Schreibwarenläden geht zur Zeit die Post ab. Kostentechnisch bewegen sich die meisten Produkte, die für das neue Schuljahr gebraucht werden, weitgehend zwischen 15 Cent und vier Euro. Bis auf Füller und Malkasten, die mit wesentlich mehr zu Buche schlagen, sind das alles Beträge, die in vielen Familien als Kleinigkeiten verbucht werden.
123 Euro? Für ein paar Schulsachen?
Doch spätestens an der Kasse, zieht es dann doch den meisten Eltern regelmäßig die Schuhe aus: 123 Euro? Für ein paar Hefte, Pinsel und Stifte? Wir haben doch keinen Ranzen gekauft, nur Kleinkram! Das kann nicht sein! Der erste Blick auf den Kassenzettel bestätigt das. Da sind doch nur Kleckerlesbeträge aufgelistet! Okay, dazwischen ist auch das Fineliner-Paket für 7,49 Euro, eine Zeichenmappe A 3 für 4,79 Euro, zwei Marken-Schreibblöcke für je 2,59, Klebestifte mit Pferden drauf für 1,99 Euro, Wachsmalstifte für 3,99 Euro, der fällige Füller für 19,99, das sehnlichst gewünschte Mäppchen mit Pferden drauf – und sehr, sehr viele Kleinstbeträge, die sich am Ende eben doch zu einer beachtlichen Summe zusammenläppern.
Tausend Hefte und neue Turnschuhe
Und dabei beschränkt sich der Einkauf letztlich doch nur auf das, was auf der berühmten Materialliste steht, die zumindest Grundschullehrer den Kindern üblicherweise mit nach Hause geben. 60 Euro für anfallendes Bastelmaterial, Kopien und mehr gehören da zusätzlich auch noch dazu. Und die geforderten Hallensportschuhe mit heller Sohle und Klettverschluss. Auch ein jährlich neu zu kaufender Posten.
Wie bewältigen Familien mit mehr als ein oder zwei Schulkindern diese Materialschlacht? Und die Kosten? 55 Einzelposten und mehr müssen beispielsweise in der Grundschule pro Kind am ersten Schultag vorhanden sein. Allesamt mit Namen beschriftet und mit den passenden Hüllen versehen. „Der September tut vielen Familien finanziell richtig weh!“, sagt Andrea Gaßmann, Vorsitzende des Verbandes kinderreicher Familien in Bayern, auf Anfrage dieser Redaktion. Das Thema erhitze jedes Jahr aufs Neue die Gemüter.
Vielen Familien tut das richtig weh
Gaßmann spricht aus eigener Erfahrung: Sie ist Mutter von neun Kindern, darunter aktuell noch vier Schulkinder. Jakob, der Jüngste im Bunde, kommt in die fünfte Klasse, die Älteste, Julia, ist 28 Jahre alt. „Am Bedarf, den Wünschen und den Kosten zu Schulbeginn hat sich im Lauf der Jahre nicht viel geändert“, sagt sie. Gaßmann rechnet heuer mit Schulmaterialkosten zwischen 400 und 500 Euro. „Und es kommt im Lauf der nächsten Wochen und Monate ja noch mehr dazu!“ Ausflüge, neue Arbeitshefte, verlorene Schulsachen nachkaufen – das läppere sich. „Die passenden Arbeitshefte zu den jeweiligen Schulbüchern schlagen richtig zu Buche. Die sind Pflicht, können nur einmal verwendet werden und kosten gleich mal zehn oder zwölf Euro.“
Beihilfe für Schulausstattung
Zwar gibt es das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung, das auch die Übernahme von Schulmaterialien beinhaltet, antragsberechtigt sind hier aber nur Bezieher von Arbeitslosengeld II, Bezieher von Sozialhilfe oder Sozialgeld, Berechtigte von Kinderzuschlag nach § 6a BKGG (Bundeskindergeldgesetz) und Wohngeldberechtigte. Schülerinnen und Schüler erhalten dann zweimal jährlich eine Pauschale für die Schulausstattung. Diese beträgt derzeit jeweils 30 Euro zum 1. Februar und 70 Euro zum 1. August eines Jahres.
Sparsam mit Ressourcen umgehen, so Gaßmann, sei für viele Familien, die die Kosten alleine stemmen müssten, oberstes Gebot. Es lasse sich tatsächlich einiges einsparen, wenn man konsequent die Materialen durchforste. „Da sind viele Hefte fast unbeschrieben und können wiederverwendet werden, Buntstifte kann man auch noch verwenden, wenn sie schon kürzer sind“.
Selbstbewusst sein, sich nicht genieren
Ganz wichtig, so Gaßmann, sei es, selbstbewusst als Eltern aufzutreten, sich nicht zu genieren und stopp zu sagen, wenn die Kosten und Forderungen seitens der Lehrer die Schmerzgrenze der Familien überschreiten. „Viele haben nicht im Blick, dass sich die Kosten bei einigen Eltern verdreifachen oder vierfachen.“
Im Schnitt berappen Familien 100 Euro für den Schulbeginn ihres Kindes, schätzt Anton Link, Abteilungsleiter in der Galeria Kaufhof in Würzburg. Dort erwartet man den größten Ansturm am Dienstag, dem Beginn des neuen Schuljahres in Bayern.„Dann haben alle ihre Materialliste bekommen und dann muss es schnell gehen, weil die Schulsachen gleich benötigt werden.“ Das Thema Ranzen, Rucksäcke und Schultüten indes sei bereits durch.
Auch in der Filiale der Drogeriekette Müller in Schweinfurt herrscht in der Abteilung für Schulbedarf derzeit Hochbetrieb. „Eltern achten schon beim Kauf von Schulsachen auf gute Qualität, das ist auch sinnvoll, bevor man ständig etwas austauschen muss“, sagt Abteilungsleiterin Evi Kober. Aber natürlich ließen sich auch viele Kinder und Eltern von Trends beeinflussen. Ob Eiskönigin oder Star Wars – die Wünsche seien vielfältig. Die Kosten für den Ranzen indes überstiegen häufig die Vorstellung vieler ABC-Schützen-Eltern. Wer etwa einen Ultra-Leicht-Ranzen brauche, weil das Kind klein und zart sei, könne schnell mit 200 Euro dabei sein.
10 495 ABC-Schützen in Unterfranken
Auch auf Kober rollen heuer erstmals Schulkosten zu: Ihr Sohn gehört zu den 10 495 ABC-Schützen in Unterfranken. Davon kommen laut Regierung von Unterfranken 3037 aus der Region Bayerischer Untermain, 3880 aus Würzburg und Umgebung sowie 3578 aus der Region Main-Rhön.
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Ralf Volk aus Würzburg ist vierfacher Vater und kennt die Problematik vieler Familien zu Schulbeginn. Dennoch, ganz so negativ sieht der Psychiater und Netzwerker im Verband kinderreicher Familien die Sache mit den Materialkosten nicht. „Ich halte es grundsätzlich für angemessen, dass Bildung eben ihren relativ hohen Preis hat. Die langen Besorgungslisten sind meiner Erfahrung nach von den Schulen hinsichtlich Weiterverwendbarkeit gut überprüft.“
Mit Kindern über Werte sprechen
Kostenfallen seien nach wie vor Marken- und Trendartikel. „Das erfordert sehr oft die Bereitschaft, mit den Kindern über Werte zu sprechen und auch Kompromisse einzugehen, damit sie immer die Möglichkeit haben, sich wohlzufühlen, egal welche Marke draufsteht.“ Natürlich koste das aber ganz viel wertvolle Zeit. „Ich finde jedoch, dass sich eine solche Werteorientierung gerade auch zum Schulanfang lohnt und sich längerfristig auch auf andere Lebensbereiche überträgt.“
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Dennoch: Eine zusätzliche finanzielle Unterstützung vom Staat gerade für den deutlichen Mehraufwand in kinderreichen Familien sei wünschenswert, zumindest im Hinblick auf eine Annäherung der Startbedingungen ins Schulleben für alle Kinder. Rund 20 000 kinderreiche Familien leben in Unterfranken, darunter auch zunehmend Alleinerziehende. Als kinderreich gilt, wer mindestens drei Kinder hat. 1,4 Millionen solcher Großfamilien gibt es deutschlandweit.
Umso "höher" die Schule um so teurer aufgrund vorrausgesetzter Extras.
Auch umweltpolitisch rückständig finde ich die Plastikumschlägeflut + extra Schnellhefter...
Ich halte es für Geldmacherei der Verläge mit diesen "Arbeitsheften".
Aber man hat praktisch keine Chance diese Sachen irgendwie zu Umgehen, Lobby und Politik sind sich da einig.
Die Sauerrei ist die eingeschränkte Lehrmittelfreiheit. Diese gilt in BY nur für Bücher, in ärmeren Bundesländern gilt die auch für diese dubiosen Arbeitshefte.
Arbeitsblätter als Kopien werden durch Leasingverträge auch relativ teuer,
wenn man bedenkt das 500 Blatt Kopierpapier grad mal 5,- kosten.
Natürlich gibt es "Standards" und teure Extras, trotzdem denke ich das zu Lasten der Kinder, über den Geldbeutel der Eltern, manche Kinder aussortiert werden sollen.
Und bevor man sich x Kinder anschafft, muss man halt auch drüber nachdenken, ob ich das finanziell schaffen kann und den Kindern einen ordentlichen Standard bieten kann, anstatt nur zu jammern und nach öffentlicher Unterstützung rufen.
Dass Eltern für ihre Leistung der Kindererziehung (ink. Versorgung) eigentlich viel zu wenig staatliche Unterstützung bzw. Erleichterungen (bspw. MwSt. Reduzierung für Windeln und sonstiges Kinder- und Babyzubehör) bekommen, das ist leider so und auch keine Besserung in Sicht, solange die großen Wahlgeschenke immer nur an die wahlberechtigten Rentner gehen!