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WÜRZBURG
Schönheitschirurg für finanzielle „Kunstfehler“ angeklagt
Einst hofierte er die feine Gesellschaft. Jetzt sitzt ein Würzburger Schönheitschirurg in weniger feiner Gesellschaft in einer Zelle – und bald auf der Anklagebank.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 11.12.2019 10:16 Uhr

Einst war er ein Liebling der feinen Gesellschaft, die sich von ihm hofieren und einladen ließ. Aber seit sechs Monaten sitzt ein bekannter Schönheitschirurg, der auch als Sponsor und Schöngeist gerne im Licht der Öffentlichkeit stand, in weniger feiner Gesellschaft in einer Zelle der JVA Würzburg. Bald sitzt er auf der Anklagebank.

Enttäuschte Freunde

Seit Jahren gab es Gerüchte um finanzielle Ungereimtheiten bei seinen Geschäften mit der nachgebesserten Schönheit. Aber manche seiner Freunde hatten noch bis vor ein paar Wochen im Gespräch mit der Redaktion gehofft, die Berichte über dubiose Geld-Transaktionen und Millionenschulden des in Würzburg und München aktiven Gesellschaftslöwen würden sich als übertrieben oder unwahr herausstellen.

Sie sehen sich vorerst so getäuscht wie jene Freunde und Investoren, von denen er angeblich ungehemmt große Summen borgte und lieh – ohne sie zurückzuzahlen. Betrogen fühlen sich auch Angestellte des Arztes, die zusehen mussten, wie er mit vollen Händen Geld ausgab – aber sie auf ihre Löhne warten ließ. Dies belegt das Urteil eines ehemals bei ihm angestellten Mediziners, der vor dem Arbeitsgericht seine Forderungen auf Nachzahlung von Lohn und Versicherungsbeiträgen per Urteil druchsetzte. Er bekam aber nur wenige Euro, zu dem Zeitpunkt hatte sein Arbeitgeber bereits kein Geld mehr.

Anklage erhoben

Natürlich gilt für ihn bis zu einer Verurteilung die Unschuldsvermutung. Aber schon die Festnahme zur Jahreswende war ein Zeichen dafür, wie ernst die Ermittlungsbehörden die Vorwürfe inzwischen nehmen. Jetzt bestätigt Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen wesentliche Punkte unserer Recherche: Die Staatsanwaltschaft hat am 31. Mai Anklage zum Landgericht Würzburg erhoben.

Die Anklagevorwürfe lauten auf den Verdacht des Betruges in 19 vollendeten Fällen – hiervon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung – versuchten Betrug in zwei weiteren Fällen und vorsätzliche Insolvenzverschleppung. Der hierdurch verursachte Betrugsschaden soll vier Millionen Euro knapp übersteigen, sagt der Oberstaatsanwalt.

Gefälschter Bankauszug über zehn Millionen

Beim Verdacht der Urkundenfälschung geht es wohl um einen Bankauszug des Doktors, der unserer Redaktion in Kopie vorliegt: Der täuscht ein angeblich vorhandenes Vermögen von fast zehn Millionen Euro vor – um ein paar hunderttausend bei einer Frankfurter Kollegin zu leihen, sagen Ex-Mitarbeiter.

Die Schulden des Schönheitschirurgen bei Freunden, Kollegen und namhaften Vertretern der feinen Gesellschaft in Mainfranken sollen nach Angaben aus seinem Umfeld weit höher als die strafrechtlich relevanten vier Millionen sein. Dies steht – auch wenn es Oberstaatsanwalt Raufeisen nicht bestätigt – nach unseren Informationen in der Anklageschrift: Die Aussagen von Zeugen ließen den Schluss zu, dass der Arzt Schulden „von deutlich über zehn Millionen Euro“ habe. Dies bestätigt frühere Aussagen von Zeugen gegenüber dieser Redaktion.

Gläubiger schweigen

Viele, die dem Chirurgen Geld geliehen hatten, schwiegen aus Scham, auf einen mutmaßlichen Betrüger hereingefallen zu sein. Oder sie können nicht zur Polizei: Sie müssten dann dem Finanzamt erklären, woher das Geld stammt, erklärt ein mit den Ermittlungen vertrauter Zeuge.

Jahrelang versuchte der Chirurg, seinen Freunden in besseren Kreisen zu imponieren, indem er sich spendabel zeigte: Beim Oktoberfest lud er regelmäßig Schauspieler, Politiker und Modemacher in seine Loge im Hippodrom. Zum 50. Geburtstag gratulierten 2012 Bischof Friedhelm Hofmann und „Mutter Beimer“, beim Benefizkonzert in der Residenz kamen 25.000 Euro für die Kinderkrebsstation Regenbogen der Uni-Kliniken zusammen.

Geld für guten Zweck

Die Eröffnung seiner neuen Klinik in Würzburg wurde 2011 zur Promi-Gala mit Schauspielerin Katja Riemann, Claudia Effenberg und 120 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Showbusiness. Der Mediziner verband dies mit einem guten Zweck - einer Sommer-Gala zugunsten einer Unicef-Aktion.

Besonders den Chef einer Liechtensteiner Treuhandgesellschaft soll er so beeindruckt haben, dass der ihm 3,5 Millionen Euro gab – aber nicht wiedersah. Er erstattete Anzeige. Sein Fall ist der größte Brocken der Anklage. Aber auch Kollegen und private Freunde soll er angepumpt haben - mit dem Versprechen, das Geliehene zu verdoppeln.

Essensausgeber

Inzwischen macht er sich in der JVA Würzburg in der nicht ganz so feinen Gesellschaft beliebt: Er arbeitet als Essensausteiler, ein angesehener Job im Knast, versichern Insider.

Die Verteidiger Bernhard Löwenberg und Norman Jacob junior wollen den Fall jetzt erst einmal mit ihrem Mandanten besprechen und äußerten sich auf Anfrage nicht zu Details der Anklage. Er muss – wenn ihm die Staatsanwaltschaft die Delikte beweisen kann – mit einem jahrelangen Job als Essensausgeber hinter Gittern rechnen: Die Staatsanwaltschaft erwartet eine Haftstrafe „im hohen einstelligen Bereich“, sagt einer, der die Anklage kennt.

 
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