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WÜRZBURG
Millionen-Schulden: Ein Schönheits-Chirurg mit zwei Gesichtern
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:39 Uhr

Bewunderer in Würzburg schwärmen noch immer davon, wie elegant Dr. B. „die Klinge zu führen verstand“ – als Schönheitschirurg wie als Schöngeist in kultivierten Gesprächen. Doch seit er in U-Haft sitzt und immer mehr Details über dubiose Arten der Geldbeschaffung in siebenstelliger Höhe bekannt werden, sehen viele den Arzt, der als spendenfreudiger Partylöwe immer wieder die Öffentlichkeit suchte, mit anderen Augen.

Bestätigt sich der Verdacht der Staatsanwaltschaft, so geht es nicht nur darum, dass der Arzt geliehene Millionen nicht zurückzahlen konnte. „Man prüft, ob Kontoauszüge einer Bank gefälscht wurden, um ein vorhandenes Millionenvermögen vorzutäuschen und so Geld leihen zu können“, sagen unabhängig voneinander zwei Insider der Redaktion.

Der Festgenommene soll sich „unter Vorspiegelung falscher Tatsachen“ Kredite bei einer Liechtensteiner Firma über 3,5 Millionen Euro erschlichen haben, bestätigt die Staatsanwaltschaft auf Anfrage.

Jahrelang verband der Arzt zusammen mit einem namhaften Vermögensverwalter aus Liechtenstein das Angenehme mit dem Nützlichen: Partys in besseren Kreisen, Förderung der Künste und Kontaktpflege mit gut betuchten Kunden.

3,5 Millionen Euro erschlichen?

Der Liechtensteiner hat eine Stiftung, die Nachwuchs-Künstler fördert – nicht zuletzt seine musikalisch begabte Tochter, wie Medienberichte zeigen. Sie durfte bei einem Auftritt in Würzburg 2011 vor erlesenen Gästen ihr Talent zeigen, als Dr. B. die Eröffnung seiner Schönheitsklinik feierte. Der Vater der Musikerin wollte über die vermissten 3,5 Millionen Euro mit der Redaktion auf mehrmalige Anfrage nicht reden. Auch die Verteidiger des Arztes, Norman Jacob und Bernhard Löwenberg, äußern sich nicht zu Details darüber, warum ihr Mandant in Haft ist.

Dagegen nehmen Ex-Mitarbeiter von Dr. B. kein Blatt vor den Mund. Das Personal nahm zur Kenntnis, wie der Chef mit Promis und Gästen rauschende Partys auf dem Oktoberfest und in einer Münchner Nobeldiskothek gab – aber über Monate Lohn schuldig blieb: 36 000 Euro waren es für einen etwa ein Jahr dort beschäftigten Mediziner. Er zog vors Arbeitsgericht und bekam Recht, wie seine Anwältin Angela Leschnig mit einem Urteil belegen kann.

Insolvenzverschleppung angezeigt

Auch die Beiträge für die Sozialversicherung waren ihm vom Lohn abgezogen, aber nicht einbezahlt worden. Er erstattete Anzeige wegen Betruges. Die Beiträge (etwa 5000 Euro) musste er aus eigener Tasche nachzahlen. Bei Dr. B. waren nur noch 3,50 Euro zu holen. „Ich habe zwar einen Titel, aber das nützt mir nichts“, zürnt der geprellte Ex-Mitarbeiter, der auch Anzeige wegen Insolvenzverschleppung gestellt hat. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigt: „Es liegen Anzeigen aus dem Umfeld des Inhaftierten vor.“

Offizielle Meldungen des Amtsgerichts bestätigten: Die Klinik-Gesellschaft ist insolvent, die Einrichtung der Praxis stand zum Verkauf, das private Wohnhaus zur Versteigerung. Unter den Gläubigern, die teils sechsstellige Beträge zurückhaben wollen, sind nach Recherchen der Redaktion Mediziner-Kollegen, eine Baufirma sowie ein bekannter Unternehmer – für die Nutzung seines Flugzeuges, das er dem standesbewussten Schönheitschirurgen zur Verfügung gestellt hatte.

Besuch vom Gerichtsvollzieher

Eine Ex-Angestellte des Chirurgen sah, wie einerseits bündelweise Geld gebracht wurde, das sich auf dem Schreibtisch des Chefs stapelte. Andererseits erinnert sich ein Mitarbeiter, wie der Medizinbetrieb Besuch vom Gerichtsvollzieher bekam und der Strom abgeschaltet wurde, weil Rechnungen nicht bezahlt waren.

Ein Praxismitarbeiter sei immer wieder als Bote mit Päckchen nach Frankfurt und Göttingen geschickt worden, erzählte ein Zeuge. Er und ein weiterer Zeuge erwähnen ungewöhnliche Besucher: zwei namhafte Vertreter des Rotlichts, aber auch ein bundesweit bekannter Finanzjongleur, der beim Anlagebetrug der Göttinger Gruppe (250 000 Geschädigte) eine tragende Rolle gespielt hatte.

Der habe bei Hochglanz-Prospekten geholfen, mit denen Investoren in glühenden Farben geraten wurde, ihr Geld bei dem Arzt zu investieren, sagt ein Ex-Freund des Arztes – dessen guter Ruf nach eigenen Angaben auch bei Dritten benutzt wurde, um sich Geld zu pumpen. Die Prospekte sind jetzt bei der Steuerfahndung.

Am Ende seien die Bemühungen, an Geld zu kommen, immer hektischer geworden: „Ihr kriegt die Außenstände verdoppelt,“ habe der Operateur versprochen – und von lohnenden Kontakten zum Königshaus von Thailand erzählt. Dr. B. habe bei einem Veranstalter für Mediziner-Fortbildung in Stuttgart um Vorauszahlung für künftige Vorträge gebettelt. Befreundete Zahnärzte aus Würzburg und Bad Kissingen hätten ihm Geld geliehen.

Viele Bekannte angepumpt

„Am Ende versuchte er sogar, mit einem verfälschten Kontoauszug über 9,8 Millionen Euro der Liga-Bank eine mit mir befreundete Ärztin in Frankfurt anzupumpen“, erinnert sich der Angestellte. Eine Kopie dieses Kontoauszuges liegt der Redaktion vor.

Ob es am Ende bei 3,5 Millionen Euro Schaden bleibt, ist ungewiss. Aus Angst vor dem Finanzamt werde sich nicht jeder Gläubiger dem Staatsanwalt offenbaren, sagt ein Kenner der Vorgänge. Er beziffert die Schulden des Schönheitschirurgen allein in seinem Umfeld auf zwölf Millionen Euro. Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen sagt auf Anfrage: „Die genaue Höhe ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen, sodass sich die Summe bis zur etwaigen Anklageerhebung nach oben oder unten verändern kann.

Die Ermittlungen sollen bis Ende Mai auf der Zielgeraden sein.

 
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