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Würzburg
Der Rücken-Operateur, der sich nicht selbst operieren konnte: Wie der Würzburger Arzt Dr. Alfen "Rückenschmerzen weltweit eliminieren" möchte
90 Prozent der Rückenoperationen könnten vermieden werden, sagt der Würzburger Arzt Dr. Florian Alfen. Über sein Therapiekonzept hat er nun ein Buch geschrieben.
Der Würzburger Orthopäde Dr. Florian Maria Alfen hat Geräte entwickelt, mit denen man die tiefe Rückenmuskulatur trainieren kann.
Foto: Thomas Obermeier | Der Würzburger Orthopäde Dr. Florian Maria Alfen hat Geräte entwickelt, mit denen man die tiefe Rückenmuskulatur trainieren kann.
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 24.03.2025 10:14 Uhr

Dr. med. Florian Alfen gilt als erfahrener Rückenoperateur – und doch setzt er alles daran, Operationen zu vermeiden. Seine eigene Leidensgeschichte führte ihn zu einem völlig neuen Ansatz in der Behandlung von Rückenschmerzen. Statt zu operieren, entwickelte er spezielle Trainingsgeräte, die gezielt die tiefe Rückenmuskulatur stärken und so die eigentliche Ursache vieler Rückenprobleme bekämpfen sollen.

Seine Erkenntnisse und Erfahrungen hat er nun in einem Buch festgehalten. Im Interview erklärt er, wie es seiner Meinung nach gelingen kann, Rückenschmerzen ohne OP in den Griff zu bekommen und ob das bedeutet, sein Leben lang trainieren zu müssen.

Herr Dr. Alfen, Sie sind ein Rückenoperateur, der sich gegen Rücken OPs ausspricht, wie passt das zusammen?

Dr. Florian Alfen: Meine eigene Geschichte hat mich dazu gebracht. Als Orthopäde dachte ich, ich wüsste alles über die Wirbelsäule – jedes Detail. Doch dann bekam ich plötzlich starke Rückenschmerzen. Diagnose: Bandscheibenvorfall. Ich hatte alle gängigen Therapien ausprobiert – Krankengymnastik, Physiotherapie, Massagen. Da ich mich nicht selbst operieren konnte, stand ich vor einer Herausforderung. Ich hatte die endoskopische Technik eingeführt und war auf diesem Gebiet einer der erfahrensten Experten. Doch es gab damals keine Kollegen mit vergleichbarer Erfahrung, die den Eingriff so durchführen konnten, wie ich es mir gewünscht hätte. In meiner Verzweiflung begann ich, mit speziellen Trainingsmaschinen zu arbeiten. Das war der Wendepunkt. Aus dieser Erfahrung heraus entwickelte sich meine Forschung der letzten 15 Jahre und ich wurde schmerzfrei. Heute können wir durch unser Konzept 90 Prozent der Operationen vermeiden. Das bedeutet nicht, dass ich grundsätzlich gegen Operationen bin.

Was ist die eigentliche Ursache von Rückenschmerzen?

Dr. Alfen: Zunächst gibt es viele Ursachen für Rückenschmerzen. Alle degenerativen Veränderungen – zu denen auch Bandscheibenvorfälle gehören – entstehen nicht einfach zufällig. Der Krankheitsmechanismus dahinter steht in einem engen Zusammenhang mit dem Abbau der tiefen Rückenmuskulatur. Der Rücken besteht aus zwei Muskelschichten – einer oberflächlichen und einer tiefen. Während die oberflächliche Muskulatur willentlich angesteuert werden kann, ist das bei der tiefen Muskulatur nicht der Fall. Sie muss isoliert trainiert werden, was mit herkömmlichen Übungen nicht möglich ist.

Was hat Sie dazu bewegt, Ihre persönlichen Erfahrungen mit einem Bandscheibenvorfall in einem Buch zu teilen?

Dr. Alfen: Die Tatsache, dass kaum jemand dieses Wissen hat. Millionen von Menschen leiden unter Migräne – allein in Deutschland sind es rund acht Millionen Patienten. Doch unsere Forschung zeigt, dass bei 70 Prozent von ihnen eine Instabilität der Halswirbelsäule die Ursache ist. Und genau diese Instabilität lässt sich mit gezieltem Training beheben. Doch da dieser Zusammenhang mit der tiefen Muskulatur weitgehend unbekannt ist, macht es niemand. Meine Vision klingt vielleicht großspurig, aber sie ist klar: Ich möchte Rückenschmerzen weltweit eliminieren.

Bei der Therapie von Dr. Alfen handelt es sich um ein aktives Training, bei dem der Muskel bis zur maximalen Belastung gefordert wird. Dies geschieht, indem der Patient gegen einen Widerstand nach hinten drückt.
Foto: Thomas Obermeier | Bei der Therapie von Dr. Alfen handelt es sich um ein aktives Training, bei dem der Muskel bis zur maximalen Belastung gefordert wird. Dies geschieht, indem der Patient gegen einen Widerstand nach hinten drückt.
Sie beschreiben, wie das Training der tiefen Rückenmuskulatur Ihre Beschwerden linderte. Können Sie erläutern, warum diese Muskulatur so entscheidend für die Rückengesundheit ist?

Dr. Alfen: Die oberflächliche Muskulatur kann man willentlich anspannen – ähnlich wie den Bizeps. Die tiefe Rückenmuskulatur hingegen lässt sich nicht bewusst steuern. Deshalb muss sie auf völlig andere Weise trainiert werden als alle anderen Muskeln im Körper. Ein vergleichbares Beispiel ist der Herzmuskel – auch er kann nicht willentlich angespannt werden, ist aber essenziell für den Menschen. Normalerweise benötigt die tiefe Rückenmuskulatur kein gezieltes Training. Doch wenn durch Faktoren wie langes Sitzen oder einseitige Belastung ein Schmerzreiz entsteht, beginnt der Körper, diese Muskulatur abzubauen, die für die Stabilität der Wirbelsäule entscheidend ist. Studien zeigen, dass Schmerzen der Auslöser für diesen Abbauprozess sind. Bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen lässt sich der Rückgang der tiefen Muskulatur im Kernspintomografen deutlich erkennen. Die Folge: Die Stabilität der Wirbelsäule geht verloren.

Sie betonen, dass Ihr Therapieansatz nur wenige Minuten monatlich in Anspruch nimmt. Warum ist diese kurze Dauer dennoch so effektiv?

Dr. Alfen: Weil das Training gezielt und intensiv die Muskulatur beansprucht. Dabei handelt es sich um ein aktives Training, bei dem der Muskel bis zur maximalen Belastung gefordert wird. Dies geschieht sowohl an der Hals- als auch an der Lendenwirbelsäule, indem der Patient gegen einen Widerstand nach hinten drückt. Sobald der Muskel nach etwa 12 Wiederholungen ausgelastet ist, wird in der nächsten Einheit das Gewicht gesteigert. Dieser progressive Belastungsaufbau sorgt dafür, dass die Muskulatur schrittweise ihr optimales Leistungsniveau erreicht. Erstaunlicherweise genügen an der speziellen Maschine tatsächlich nur zwei Minuten Training pro Einheit. Noch beeindruckender ist, dass für den langfristigen Erhalt der Muskulatur nach dem Aufbau nur eine Trainingseinheit pro Monat ausreicht.

Heißt das aber, dass Patienten – auch wenn nur für zwei Minuten im Monat – ihr Leben lang trainieren müssen?

Dr. Alfen: Bei jungen Patienten kann das Erhaltungsprogramm oft nach drei bis vier Monaten ausgesetzt werden, da sie sich in der Regel wieder normal bewegen. Das eigentliche Problem liegt in unserer zunehmend unbewegten Gesellschaft – wer sich ausreichend bewegt, benötigt langfristig meist keine weitere gezielte Therapie.

Welche Rolle spielt die Prävention?

Dr. Alfen: Da wir eine Privatpraxis sind, kommen die meisten Patienten erst zu uns, wenn sie bereits zahlreiche andere Behandlungen hinter sich haben – von Krankengymnastik über Osteopathie bis hin zu verschiedensten Therapieansätzen. Doch ohne eine gezielte Stärkung der tiefen Rückenmuskulatur lässt sich keine nachhaltige Schmerzfreiheit erreichen, ganz gleich, welche Therapie oder welcher Sport zuvor angewendet wurde. Weder Kraulschwimmen, Planks noch das Training mit einem Wackelstab wirken gezielt auf diese Muskelgruppe. So sinnvoll und gesund diese Übungen auch sind – sie erreichen nicht die entscheidende Muskulatur, die für die Stabilität der Wirbelsäule notwendig ist.

Was möchten Sie mit Ihrem Buch bei Fachkollegen und der breiten Öffentlichkeit bewirken?

Dr. Alfen: Ich möchte einen absoluten Paradigmenwechsel anstoßen. Wir müssen dringend hinterfragen, warum so viele Eingriffe durchgeführt werden, anstatt nachhaltige, nicht-operative Lösungen in den Fokus zu rücken. Die bisherigen konservativen Therapien beeinflussen zwar die Symptome positiv, aber sie gehen nicht an die eigentliche Ursache heran. Es ist höchste Zeit, dass dieses Wissen für alle zugänglich wird, denn in der Politik und in unseren wissenschaftlichen Gremien hat es sich nicht durchgesetzt. In Deutschland ist die Therapie keine gesetzliche Kassenleistung. Alle bisherigen Versuche, sie als etablierte Therapie anzuerkennen, sind gescheitert. Doch wir können nicht einfach weitermachen wie bisher – es kann nicht sein, dass bereits Anfang 20-Jährige operiert werden, obwohl sie mit der richtigen Therapie völlig ohne OP auskommen könnten.

Dr. Alfen liest am 20. März um 19.30 Uhr im Hugendubel in Würzburg aus seinem Buch. 

 
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  • Martha Schäfer
    Gerhard Pfaff
    Bin seit 2019 bei Herrn Dr.Alfen in der Praxis und HR.Dr.Alfen war der einzige der meine Rückenschmerzen lindern bzw.fast beseitigen konnte
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  • Bernhard Roschlau
    Dass die tiefsitzende Muskulatur maßgeblich ist wurde mir schon vor einem Jahrzehnt auf meiner Reha beigebracht. Und es gibt gymnastische Übungen die helfen. Allerdings muss man (täglich) fleißig sein.
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  • Barbara Fersch
    die 2 minutige Übung an diesem Gerät kosten wahrscheinlich so viel wie Kiesertraining in einem Monat. Also Kieser Training ist mit Sicherheit eine sehr gute Alternative.
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  • Dietmar Eberth
    Sie übertreiben etwas
    https://www.kisssalis.de/rueckenzentrum
    https://gplus-wuerzburg.com/pricing/
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  • Rico Schmidt
    Ach der Herr Alfen, ist das "Konzept Kieser Training" nicht mehr so gefragt?
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  • Jutta Nöther
    Was für ein Zufall, dass die Therapien dieses Herrn (zB das hochgelobte Kieser-Training) für den Patienten ein teurer, und für ihn ein lukrativer Spaß sind.
    Honi soit qui mal y pense...
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  • Dietmar Eberth
    Auf der anderen Seite, wird in Deutschland nicht zu oft und zu schnell operiert?

    https://faktencheck-gesundheit.de/de/faktenchecks/faktencheck-ruecken/ergebnis-ueberblick-rueckenoperationen/index.html

    Was ist jetzt das Richtige?
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  • Jürgen Neuwirth
    Das trifft doch mit wenigen Ausnahmen auf alle Erfindungen zu. 15 Jahre Forschung wollen auch bezahlt werden.
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