Eine Schülerin löste vor einigen Jahren eine Diskussion mit der Feststellung aus, sie könne zwar eine Gedichtanalyse in vier Sprachen schreiben, habe aber keine Ahnung von Steuern, Rente und Versicherungen. Sie steht mit ihrer Einschätzung nicht allein da. Ähnlich geht es den Schülern der Klasse M 10 der Mittelschule Kürnachtal in Estenfeld (Lkr. Würzburg). Die meisten haben bereits einen Ausbildungsplatz, aber von Finanzthemen kaum eine Ahnung. Das soll sich ändern.
Wenn es im Unterricht um Rente und Altersvorsorge geht, können sich Lehrer Unterstützung holen – durch Referenten der Deutschen Rentenversicherung. Rentenblicker.de nennt sich diese bundesweite Aktion aller Rentenversicherungsträger. "Was braucht man alles zum Berufsstart", fragt Stefanie Schäfer, Beraterin der Rentenversicherung Nordbayern, die Schüler. Ein Girokonto, damit der Lohn auch ausbezahlt werden kann, eine Krankenversicherung sowie eine Steueridentifikations- und Sozialversicherungsnummer. "Wir wollen junge Menschen informieren, was die Rentenversicherung ist und welche Leistungen sie erbringt. Und wir wollen zeigen, warum es wichtig ist, sich schon früh um die Altersvorsorge zu kümmern", sagt Schäfer.
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Große Mehrheit für finanzielle Allgemeinbildung
Umfragen zeigen, dass Jugendliche ihre Kenntnisse zu Finanzthemen wie Sparkonten, Versicherungen, Fonds, Aktien, Krediten, Altersvorsorge und Verzinsung selbst oft als mangelhaft einschätzen. Die fehlende Finanzbildung der Schüler sorgte bereits mehrfach für Schlagzeilen. So fragte im Jahr 2010 das Bundesverbraucherschutz-Ministerium nach wirtschaftlichen Grundkenntnissen von Zehntklässlern. Dabei wusste rund die Hälfte der Befragten nicht, was ein Girokonto ist. Viele Eltern und Schüler wünschen sich eine finanzielle Allgemeinbildung in der Schule. Laut einer Umfrage im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) setzen sich sogar 84 Prozent für die Vermittlung von Finanzthemen in der Schule ein.
"Schüler müssen bereits nach dem Verlassen der Schule die ersten Finanzentscheidungen treffen. Darauf sollten Sie vorbereitet sein", sagt Klaus Morgenstern, Mitglied des Sprecherkollegiums beim DIA. Mit der aktuellen Umfrage will das DIA für dieses Thema sensibilisieren. "Die Finanzbildung in den Schulen ist nach Meinung vieler Experten und Betroffener unzureichend", sagt Morgenstern. Ziel einer weiteren Studie wird es sein, die bestehenden Plattformen und Kanäle der Finanzbildung zu untersuchen und festzustellen, auf welche Weise die Finanzbildung verbessert werden kann.
Wie das Rentensystem funktioniert
Der „Rentenblicker“ will das Rentenversicherungssystem jugendgerecht und verständlich darstellen. Verwendet werden verschiedene Medien: eine Internetseite, eine Broschüre, ein Unterrichtspaket, einen regionalen Referentenservice für Schulen."Die Jugendlichen sollen erkennen, dass die Deutsche Rentenversicherung ein Wegbegleiter in den verschiedenen Lebensphasen bis zum Alter ist", sagt Referentin Stefanie Schäfer von der Rentenversicherung Nordbayern. Ausbildung, Studium, Arbeit, Kindererziehungszeiten, Freiwilligendienst oder Arbeitslosigkeit – all diese Daten sind wichtig, wenn es um die Rente geht.
Die Schüler der Klasse M 10 erfahren, dass jeder Arbeitnehmer ein Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung hat, auf dem diese Informationen gesammelt werden. Der „Rentenblicker“ will das Rentenversicherungssystem jugendgerecht und verständlich darstellen und das Vertrauen junger Menschen gegenüber den Leistungen der Rentenversicherung stärken. "Die Beitragszahler von heute kommen für die Rentner von heute auf", erklärt die Rentenberaterin. Aber wie funktioniert das eigentlich genau?
So funktioniert die Rentenversicherung
Man könne sich die Rentenkasse wie ein großes Sammelbecken vorstellen. In dieses Becken fließen jeden Monat die Rentenbeiträge aller Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die Beiträge werden aber nicht zurückgelegt, sondern sofort an die derzeitigen Rentner ausgezahlt. "Das nennt man Umlageverfahren. Und weil ihr Beiträge zahlt, habt ihr einen Anspruch darauf, dass die nächste Generation später auch eure Rente finanziert", sagt Schäfer. Aber: Durch den demografischen Wandel geben es schon jetzt immer mehr Rentner und immer weniger Beitragszahler.
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Sozialversicherungen und das Rentensystem sind eigentlich Thema in der neunten Jahrgangsstufe, erklärt die Klassenlehrerin der M 10 Anne Gröger-Durchholz. Doch weit in die Tiefe könne man im Unterricht nicht gehen. Viele Schüler wüssten wenig bis gar nichts über Finanzthemen und Altersvorsorge. Auch im Elternhaus werden solche Themen oft nicht genügend besprochen. "Das Angebot der Rentenversicherung finde ich toll", sagt die Lehrerin. In den zwei Unterrichtsstunden gehe es nicht nur um Rente, sondern um den demografischen Wandel und die Notwendigkeit zur privaten und betrieblichen Altersvorsorge.
Braucht es ein eigenständiges Fach?
Sollte finanzielle Allgemeinbildung ein eigenes Schulfach werden? Eine Mehrheit von 60 Prozent spricht sich in der Umfrage des DIA dafür aus, dass Finanzthemen in die Lehrpläne bereits vorhandener Unterrichtsfächer gelangen. In Frage kämen dafür zum Beispiel Sozialkunde, Wirtschaft und Recht oder Politik. Für ein eigenständiges Fach Finanzbildung plädiert ein Viertel in der Umfrage. Auch Alexander Forster (16) hätte nichts gegen mehr Finanz- und Steuerthemen im Unterricht. "Nach dieser Unterrichtsstunde weiß man genau, was alles vom Bruttolohn abgezogen wird. Das fand ich ziemlich interessant", sagt der 16-jährige Schüler.
Das Fach Wirtschaft ist an allen weiterführenden Schulen in Bayern ein Pflichtfach – und zwar schon seit Langem, sagt Sabine Lauterbach, Sprecherin beim Bayerischen Kultusministerium. "Alle bayerischen Schüler lernen in der Schule wichtige grundlegende Zusammenhänge der Wirtschaftswelt und sind so auch in diesem Bereich gut auf einen Start in Studium und Beruf vorbereitet", sagt Lauterbach. Fächerübergreifend gehe es im Unterricht auch immer wieder um Fragen wie 'Wie gehe ich mit Geld um?', ' Welche Altersvorsorge ist wichtig?', 'Welche Fallen lauern in Handy-Verträgen?' Vor diesem Hintergrund bestehe aus Sicht des Kultusministeriums keine Notwendigkeit für ein eigenständiges Fach "Finanzielle Allgemeinbildung", so die Sprecherin.
Hilfe aus der Wirtschaft ist willkommen
Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft sagt, dass neben der Schule auch die Eltern gefordert sind ökonomische Kenntnisse weiterzugeben: "Die ökonomische Bildung ist wichtig, denn sie bildet die Grundlage für das Verständnis der sozialen Marktwirtschaft, auf der unser Land aufgebaut ist." Brossardt fordert, dass Verbraucherbildung noch stärker als fächerübergreifendes Prinzip in den Schulen und operativ im täglichen Unterrichten umgesetzt wird.
Angebote von Banken oder Versicherungen, Unterstützung bei der Finanzbildung zu leisten, so die Erfahrung, lehnen Schulen meist ab. Sie erscheinen Schuldirektoren und Lehrern offenkundig zu stark interessengeleitet. Unter den Eltern herrscht aber keineswegs verbreitete Ablehnung solcher Mitwirkung. Immerhin 61 Prozent der in der Umfrage befragten Bürger vertraten die Auffassung, dass die Wirtschaft Lehrer bei der Vermittlung von Finanzthemen unterstützen sollte.
Sollten Finanzen ein eigenes Unterrichtsfach in der Schule werden? Diskutieren Sie mit.
Danke fürs durchfüttern
Am besten noch ergänzen mit einem Kurs Kindererziehung, da ist die Lücke im Kenntnisstand vermutlich ebenso groß.