
Am Dienstag wurde das Würzburger Missbrauchsgutachten vorgestellt. Zuerst den Menschen, die als Kinder und Jugendliche von Klerikern des Bistums Würzburg sexuelle Gewalt erleiden mussten. Anschließend fand die öffentliche Präsentation statt.
Wer die Veranstaltung per Livestream verfolgen wollte, hatte jedoch Pech. Aus technischen Gründen klappte die Übertragung nicht. Hunderte Menschen befanden sich in der Warteschleife. Selbst als die Pressekonferenz längst vorbei war, hatten noch über 100 Personen die Hoffnung nicht aufgegeben.
Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg (UKAM) entschuldigte sich. Seit Mittwoch steht die Aufzeichnung zur Verfügung.
Betroffene kritisiert, dass ihr Fall nicht untersucht wurde
Die UKAM ist Auftraggeberin des Gutachtens. Der Titel lautet: "Bestandsaufnahme und Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs in der Diözese Würzburg" im Zeitraum von 1945 bis 2019. Erarbeitet hat es der Wiesbadener Rechtsanwalt Hendrik Schneider mit einem Team.
Im öffentlichen Teil der Vorstellung des Gutachtens meldete sich eine Betroffene zu Wort. Sie berichtete emotional von ihrem Leid. Ihr Fall wurde jedoch nicht in dem Gutachten untersucht. Sie war bereits erwachsen, als sie von einem Geistlichen missbraucht wurde. Was sie seit über 20 Jahren erlebe, sei Machtmissbrauch, sagte sie.

An der nichtöffentlichen Vorstellung des Gutachtens für Betroffene im geschützten Rahmen nahmen fast 40 Leute teil, sagt Bernhard Rasche. Er ist Betroffener eines Ordensgeistlichen. Deshalb wurde sein Fall ebenfalls nicht in dem Würzburger Gutachten untersucht.
Ihm erschlossen sich trotz der Erläuterungen der Kommissionsmitglieder sowie des Gutachters nicht alle Kriterien der Studie. Auch die genannten Zahlen und die Aktenführung waren für ihn nicht immer klar. Wurde auch erforscht, was entfernt wurde und wer im Laufe der Jahre Einsicht hatte? Darüber hätte er gerne mehr Klarheit.
Betroffener will 800-Seiten-Gutachten bis Montag lesen
Ein anderer Betroffener, der anonym bleiben möchte, sagte, er werde bis Montag, 14. April, die 800 Seiten des Gutachtens anschauen, damit er eventuell dem Würzburger Bischof Fragen stellen könne. Bischof Franz Jung hatte angekündigt, er werde sich an diesem Tag zum Gutachten äußern.
Was der Betroffene bereits für sich erkannt hat: "Der Gutachter hat mit seinem Team die geforderte strafrechtliche Seite der sexuellen Gewalt sinnvoll und übersichtlich bearbeitet." Er hofft, das Bistum sei damit unter Druck gesetzt, "dass die hinausgeschobene Aufarbeitung endlich in der ganzen Diözese beginnt". Aufarbeitung bereite mehr Schmerzen, als sich nur mit Prävention zu beschäftigen, sagt er. Ohne Aufarbeitung bleibe sie nur Stückwerk.
Auch zu dem laut UKAM-Auftrag beabsichtigten engeren Täterbegriff äußert der Betroffene sich: Laut Auftrag sollten ja nur die strafrechtlich relevanten Fälle aufgearbeitet werden.
Die Zahl der Täter im Zeitraum 1945 bis 2019 hatte bei der Präsentation des Gutachtens für Nachfragen gesorgt. So wurden in der 2018 veröffentlichten MHG-Studie 62 beschuldigte Kleriker aus dem Bistum Würzburg genannt. Das aktuelle Gutachten identifizierte 51 Beschuldigte, darunter 43 Kleriker, für die ein plausibler Tatverdacht besteht.
Wunibald Müller: Endlich stehen die Betroffenen im Vordergrund
Wunibald Müller, Würzburger Theologe und ehemalige Leiter des Recollectio-Hauses der Abtei Münsterschwarzach schreibt in einer Stellungnahme: "Es ist und bleibt unfassbar, welch unsägliches Leid in dieser Zeit den Betroffenen in einem Kontext, der als besonders vertrauenswürdig, ja heilig erachtet wurde, zugefügt worden ist."
Für Müller, der sich seit Jahrzehnten mit sexualisierter Gewalt in der Kirche befasst, ist es der größte Skandal, "dass auch in der Diözese Würzburg das Bemühen, Ansehen und Glaubwürdigkeit der Amtskirche zu schützen, dazu führte, dass die Betroffenen wie von selbst in den Hintergrund getreten sind". Aber nun stünden sie im Vordergrund. "Es geht um sie. Endlich."
Bei Wunibald Müller bleibt jedoch "das schale Gefühl, dass das Leid und die Tränen der Betroffenen das Herz vieler in der Kirche, darunter auch jener, die dort eine besondere Verantwortung haben, nicht so tief berührt, dass sie dadurch ihr vergangenes Verhalten infrage stellen und ihr augenblickliches und zukünftiges Verhalten davon bestimmen lassen".
Aber schade ist es natürlich trotzdem, dass ausgerechnet bei diesem so besonders schönen Event die böse Technik versagte...
dann waren in dieser Angelegenheit wenigstens nicht nur beim Tarnen & Täuschen die Vollprofis am Werk...