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Rapper wird zum Jazzer: Rap-Star Max Herre ist zu Gast beim Würzburger Hafensommer - doch ganz anders, als man ihn kennt
Max Herre ist in der Jazz-Kombo Web Max zu Gast beim Hafensommer Würzburg. Wir haben zuvor mit ihm gesprochen. Ob er dem Rap nun endgültig den Rücken kehrt?
Der deutsche Rap-Star Max Herre (Mitte) hat mit dem All-Star-Quartett Web Web um den Pianisten Roberto Di Gioia (links) ein Album aufgenommen. Am 28. Juli sind sie beim Würzburger Hafensommer zu Gast.
Foto: Thomas Elsner | Der deutsche Rap-Star Max Herre (Mitte) hat mit dem All-Star-Quartett Web Web um den Pianisten Roberto Di Gioia (links) ein Album aufgenommen. Am 28. Juli sind sie beim Würzburger Hafensommer zu Gast.
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:50 Uhr

Ist Rap für ihn nun abgeschrieben? Das haben sich wohl viele Fans von Max Herre gefragt, als er 2021 ein rein instrumentales Jazz-Album mit dem All-Star-Quartett Web Web um den Pianisten Roberto Di Gioia aufgenommen hat. Was die eigentlich so unterschiedlichen Künstler auf dem Album so gekonnt wie elegant abliefern, ist eine Liebeserklärung an den Spiritual-Jazz der frühen 1970er-Jahre. Etwas ganz anderes also für alle, die Herre seit den 90er-Jahren nicht nur mit seiner Band Freundeskreis, sondern auch als Solo-Rap-Künstler lieben gelernt haben. Am 28. Juli wird die Kombo ihr Album "Web Max" beim Würzburger Hafensommer präsentieren.

Im Gespräch erklärt der neue Jazzer, was genau Spiritual-Jazz ausmacht, wie schwer es ihm als Wort-Akrobat fällt, kaum seine Stimme zu benutzen, und ob der Rap für ihn Vergangenheit ist.

Gemeinsam mit Roberto Di Gioia kamst Du auf die Idee für eine Jazzgruppe, die sich aus dem Mainstream ausklinkt. Was genau ist Spiritual-Jazz?

Max Herre: Erst mal ist es fast ausschließlich Instrumentalmusik, das kennt man ja aus meinem Kontext nicht wirklich. Und dann handelt es sich hierbei um ein komplett freies Konzept. Natürlich gibt es Kompositionen und auch Themen, aber letztlich passiert jeden Abend etwas komplett Neues und Anderes, weil es Improvisation ist. Spiritual-Jazz ist eine Musik, die in den späten 60er Jahren entstanden ist. Es waren vor allem afroamerikanische Musiker, die auf der Suche waren nach neuen Klangkörpern im Jazz. Dafür sind sie gereist nach West-Afrika, nach Indien und in den Mittleren Osten, um auch dort mit neuen Instrumentarien zu experimentieren. Aber auch um neue Skalen, neue musikalische Ideen in die Jazzmusik zu integrieren. Und daran knüpfen wir letztlich nun an.

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Mit Di Gioia arbeitest Du schon seit vielen Jahren zusammen. 2021 habt Ihr dann zusammen das Album veröffentlicht. Di Gioia gilt als einer der begehrtesten Jazz-Produzenten Deutschlands. Was konntest Du von ihm lernen?

Herre: Von Roberto kann man unglaublich viel lernen. Wir arbeiten jetzt seit etwa 16 Jahren zusammen. Er ist einfach ein begnadeter Musiker, ein Multi-Instrumentalist, jemand, der total viel kann und weiß über Musik. Der sich aber auch in dem Moment, in dem er Musik macht, da komplett reingibt. Und eigentlich findet da ein großes Entlernen statt, wenn er Musik macht. Es geht nicht darum, etwas abzurufen, sondern das Werkzeug, das man hat, zu benutzen und etwas Neues zu finden – sich auf eine Suche zu begeben. Das ist etwas an Roberto, das ich total schätze. Ähnlich wie ich kennt er keine Genre-Grenzen, mit ihm kann man sich musikalisch an die unterschiedlichsten Orte begeben und sich dann in diesen Welten austoben. Er ist zudem unglaublich mutig in dem, was er macht. 

Wie passen Künstler solch unterschiedlicher Genres zusammen?

Herre: Rapmusik ist ja nicht im luftleeren Raum entstanden, Rapmusik bezieht sich auf die Musik, die davor da war. Das heißt für die Menschen, die sich ernsthafter mit Rap befassen, dass sie sich für viele Genres interessieren. Ich habe als Jugendlicher angefangen, in Bands zu spielen, ich komme eigentlich aus einem Proberaum-Kontext. Mich hat es immer interessiert, die Musik, die ich gehört habe, auch irgendwie selbst hinzubekommen und selbst zu spielen. Die Ära, in der ich angefangen habe, Rap zu machen, war sehr beeinflusst von Jazz. So haben sich in den frühen 90er-Jahren Bands wie A Tribe Called Quest sehr auf Jazz bezogen und auch mit Jazzmusikern gearbeitet. Ich habe selbst viel Jazz gehört und war auf vielen Konzerten schon als Jugendlicher. Ich hatte viel Glück, denn in der Zeit, als ich Jugendlicher war, haben viele Legenden noch gelebt, so habe ich viele Leute noch selber hören können, auf die wir uns heute beziehen.

Du bist zum vierten Album dazugestoßen. Nicht als Rapper oder Sänger, Du spielst Klavier und E-Piano, Percussion und improvisierst nur sehr vorsichtig mit der Stimme dazu. Wie schwer ist es für Dich, der jahrelang vor dem Mikrofon auf der Bühne stand, nun die Stimme nur noch vorsichtig zu benutzen?

Herre: Ich habe die Stücke zusammen mit Roberto komponiert. Live spiele ich ein bisschen Fender Rhodes, Klavier, Effekte und Percussion, ab und zu singe ich auch unisono mit dem Saxophonisten bestimmte Lines, das ist einfach eine ganz andere Aufgabe. Ich bin Teil dieses Klangkorpus, ich stehe nicht vorne und hinter mir ist eine Band, sondern ich bin Teil der kompletten musikalischen Reise über den gesamten Abend hinweg – das gefällt mir total. Ich habe da allerhand zu tun, weil ich eben nicht schon 20 Jahre lang Jazz spiele und gelernter Instrumentalist bin, ich mach das einfach so gut ich kann. Wenn man einfach mal die Klappe hält und nur spielt, ist das ein sehr direkter Zugang zu Musik.

Wofür steht Web Max für Dich?

Herre: Für künstlerische Freiheit, für die Suche nach einem gemeinsamen Ort in der Musik, für Improvisation, für Mut und für Kompromisslosigkeit. 

Für wen machst Du Musik? Deine Musik wird von mehreren Generationen gehört. Kannst Du festmachen, wer Deine Zielgruppe ist?

Herre: Zum Teil sind es Menschen, die schon lange begleiten, was ich mache, und da mitwachsen und wie ich erwachsener werden und so vielleicht auch schätzen, dass die Reise weitergeht. Menschen, die sich meiner Musik und meinen Texten nahe fühlen, da sie ähnliche Dinge erleben wie ich. Und dann glaube ich, dass ich für Menschen Musik mache, die einfach Lust haben auf Musik, die offen sind, die sich gerne überraschen lassen wollen.

Max Herre (links) mit Roberto Di Gioia.
Foto: Thomas Elsner | Max Herre (links) mit Roberto Di Gioia.
Gibt es für das Jazz-Album eine andere Zielgruppe als bei den anderen Alben?

Herre: Was schon mal toll ist für uns, ist, dass die Musik auch international funktioniert. Es gibt eben nicht nur dieses Nadelöhr "deutschsprachig". Das heißt, wir bekommen tolle Reviews aus England, Frankreich oder Amerika. Natürlich sind das sehr gewählte Kreise, aber es ist schön für mich zu sehen, dass es irgendwie eine Relevanz entwickelt, die über dieses Sprachgebiet hinaus geht. Das macht unglaublich Spaß. Und auch wenn es nur 30 Menschen sind, die in Montreal sitzen und es feiern, sind es 30 Menschen, die ich nicht missen möchte. Für mich sind sie genauso viel wert wie die 2000 Leute, die in einer deutschen Großstadt vor der Bühne stehen.

Können sich Freundeskreis- und Rap-Fans trotzdem auf das Konzert freuen?

Herre: Ja! Mit Freundeskreis haben wir einen Spirit gelebt, in dem alles möglich war und all diese Bezüge auch schon da waren. Wir haben viel mit südamerikanischen Einflüssen gearbeitet und zwischen Rap, Soul und Reggae changiert. Wir waren nie bekannt als Hip-Hop-Puristen. So ist es für die Leute, die das schon immer verfolgen, eine logische Weiterentwicklung oder zumindest ein Strang, der nicht so überraschend ist. Insofern kann man sich auf jeden Fall darauf freuen, schließlich sind es tolle Musiker, mit denen ich da auf der Bühne stehen darf.

"Wir waren nie Hip-Hop-Puristen."
Max Herre über die Zeit mit der Band Freundeskreis
Was sich wohl viele Fans fragen: Ist Rap für Dich nun abgeschrieben?

Herre: Nein, überhaupt nicht. Es ist so spannend, sich zu überlegen, wie Rapmusik klingen kann, wenn man nicht mehr 25 Jahre alt ist, sondern jetzt 49 wie ich. Es gibt nicht mehr viele Rapmusiker in meinem Alter, die das noch machen. Das heißt, ich bin mit ein paar wenigen anderen die erste Generation an MCs und Rappern, die sich überlegen muss, wie es weitergeht, wenn man nicht mehr der Jugendlichkeit hinterherläuft, sondern das behandelt, was einen jetzt betrifft. Da gibt es in Amerika zwei, drei Leute, bei denen ich mir das total gerne anhöre. Bei Jay-Zs Album 4:44 fand ich zum Beispiel super interessant, wie er Lebensthemen behandelt mit um die 50. Gleichzeitig muss ich sagen, dass Rap auch nicht immer mein Format ist. Ich habe nicht immer so viel zu erzählen und ich möchte nicht gerne beliebig werden. Ich möchte mich weiterentwickeln und etwas machen, das eine Dringlichkeit hat. Sich dahin zu begeben und etwas zu finden, was für einen selbst funktioniert, kann manchmal etwas länger dauern, aber abgeschrieben habe ich den Rap auf keinen Fall.

Der Würzburger Hafensommer findet vom 22. Juli bis 7. August statt. Für das Konzert von Web Web und Max Herre  am 28. Juli gibt es noch Tickets unter hafensommer-wuerzburg.de, unter Tel. (01806) 050 400 oder an der Abendkasse.

 
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