"Es ist gigantisch. Es ist so reich", begeistert sich Architekt Dr. Matthias Wieser über die historischen Bauten und Schmuckwerke in Randersacker. Der Bauforscher ist mit der Basisarbeit für das Kommunale Denkmalkonzept (KDK) beauftragt.
Von außen her nach innen arbeitet sich Matthias Wieser über Monate durch den alten Kern von Randersacker Richtung Kirche. Er sichtet, dokumentiert, bewertet. Die Anlage der Wege, die Blickbeziehungen, Baumaterialien, Stilformen, Inschriften - für ihn kann alles aufschlussreich sein. Angesichts der langen Denkmalliste für Randersacker mag das obsolet klingen. Modul 1, die Befunderhebung zum KDK, geht jedoch entschieden über die Erfassung und Kartierung von Denkmalen hinaus. Es beinhaltet ihre Bewertung, den baulichen und inhaltlichen Kontext – was die Denkmalliste nicht leistet.
Wieser, der sich seit mehr als 35 Jahren intensiv mit historischer Bausubstanz und ihrer Sanierung beschäftigt, der gleichzeitig Honorarprofessor an der Fachhochschule für Architekturgeschichte und Denkmalpflege ist, hat hier 135 gelistete Baudenkmale als Ausgangsbasis. Es gibt viel aufzuarbeiten, genau wie bei dem KDK für Sommerhausen oder Ostheim vor der Rhön, an denen er unter anderem gearbeitet hat. Am Ende wird er mindestens 1500 Fotos und etwa ein Dutzend Pläne zusammengetragen haben, darunter Farbkataster mit Bebauungsschnitten von der Romanik bis in die Neuzeit.
Wie die Leute damals lebten
Der Abgleich mit dem Urkataster von 1833 zeigt ihm die Entwicklung von Strukturen auf. Es lassen sich Baukultur und Lebensweise rekonstruieren, zusammen mit Grundsteuerdaten und der Recherche in Archiven beispielsweise. Dass Winzer und Steinhauer in Randersacker überwogen, ist naheliegend. Er wurde aber unter anderem auch ungewöhnlich viel Witwenbesitz festgestellt. In Sommerhausen dagegen fiel überdurchschnittlich viel häusliches Handwerk auf, in der Art von Bordürenmachern beispielsweise.
So etwas prägt Orte in ihren Bebauungsstrukturen und macht sie einzigartig. Art und Größe der Tagwerke – des Grundbesitzes – ergeben ein Gesamtbild, zeichnen einen Charakter, eine bauhistorische Identität, spiegeln die Geschichte von der Anlage der Gehöfte bis zu den historischen Weinbergswegen. Die Einstufung von Bauwerken als "ortsbildprägend" sei dann oft ein Argument für öffentliche Gelder – auch bei privaten Baumaßnahmen.
Denkmalbesitzer sind begeistert
ISEK, das Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept, an dem die Marktgemeinde begleitet von der Regierung von Unterfranken zusammen mit dem Stadtplanungsbüro Wegner arbeitet, erfordert eine aktuelle Erfassung der historischen Substanz als Gesamtbild. Das historische Erbe soll in die Planungen zur künftigen Entwicklung des Altortes einfließen. Stellt man beispielsweise alle Hausfiguren, die Türstürze, Dachformen und -eindeckungen nebeneinander, erklärt Wieser, bekommt man einen Überblick, welcher Reichtum und wie viele Spielformen vorhanden sind, was stilprägend wirkt. Mindestens so wichtig ist, den Eigentümern und Randersackerern vor Augen zu führen, welche Kostbarkeiten sie da haben.
Einem, dem man da gar nicht viel erläutern muss, ist Bären-Wirt Stefan Morhard. Wieser hat gerade am Kragstein des Traufgesimses die Inschrift von 1829 entdeckt. In Schreibschrift. Das sind Wiesers Glücksmomente. Er bekommt weitere detailreiche Einblicke von einem begeisterten Denkmalsbesitzer, der mit Stolz berichtet, unter anderem zum heutigen Hotelparkplatz, der keine Baulücke ist, sondern Garten war. Hotelier Morhard zeigt die früheren Pferdeställe mit der einst darüber liegenden Hocheisdecke statt eines Eiskellers.
Keller verboten sich hier an der ehemaligen Chaussee, weil Grundwasser und der Main dies nicht zuließen. Das Eis war mit alter Dämmtechnik und von Bäumen beschattet über dem Pferdestall eingelagert. Für die schweren Bierkutschen zog sich die alte Hofdurchfahrt von der früheren Bärenwirtsgasse zur Maingasse, weil wenden nicht möglich war. Heute überbaut, lässt sie sich mit Morhards Erklärungen nachzeichnen. Die beiden steigen bis unters Dach des gotischen Hauses, wo die Verblattungen von 1495 im Gebälk sichtbar sind, eine mittelalterliche Holzverbindungstechnik. Die frühere Fassmacherei war jüngst aufwändig saniert und dem Hotel angegliedert worden.
Keine Angst vor dem Denkmalschutz
"Ich sehe mich ein bisschen wie ein Schatzsucher", vergleicht Wieser seine Euphorie, "etwas zu finden, was noch keiner weiß". Die Denkmalprüfung sei der entscheidende Moment. Der Torbogen in der Pförtleinsgasse 4 von 1652 ist beispielsweise nicht in der Denkmalliste erwähnt, aber alle Details könnten ohnehin nicht erfasst werden, meint Wieser nüchtern. "Da könnte man Bauforschung machen ohne Ende", sagt der Experte. Sein erfahrener Blick sucht die Orientierung für das große Ganze. Wieser: "Die Highlights will man schon erwischen".
Historisch ganz wichtig für den Ort erscheinen ihm da beispielsweise die Mauerzüge am Spielberg, der Zugang zu den Gassen. Was Wieser liebt, ist, "den Leuten zu erklären, was sie nicht sehen. Das Staunen." Viele der Denkmalbesitzer seien ebenfalls euphorisch über ihren Schatz, es gibt aber auch viele Vorbehalte. Die Leute denken, ihr Haus werde in die Denkmalliste nachgetragen, womit sie Auflagen und Pflichten verbinden. "Das Gegenteil ist der Fall", sagt der Architekt mit der Leidenschaft für Denkmale. "Denkmalpflege ist heute nicht mehr doktrinär. Heute wird beraten". Denkmale in das Leben heute zu integrieren und Wege zum Erhalt aufzuzeigen, das sei die Arbeitsweise.
Die Befunde zum Kommunalen Denkmalkonzept für Randersacker werden von Dr. Matthias Wieser am Dienstag, 27. April um 19 Uhr vorgestellt. Corona-bedingt geschieht dies in einer Online-Präsentation. Eine Anmeldung ist möglich bis Montag, 26. April, 18 Uhr, per E-Mail an: elke.duemmig@randersacker.bayern.de Der Zugangslink wird am Veranstaltungstag versandt.