Auf Videos seiner Kämpfe zeigt der Kickboxer Ilker A. vollen Körpereinsatz – aber auf Bildern seiner Facebook-Seite auch sein charmantes Lächeln als Model auf dem Laufsteg. Ein Fahndungs-Foto rückt nun das Kraftpaket mit den markanten Tätowierungen ins Zwielicht: Ist der 30-Jährige ein gesuchter Serientäter, der Frauen K.o.-Tropfen verpasst, sie vergewaltigt oder beim brutalen Sex heimlich filmt?
Suche nach dem Opfer mit dem Bild des Tatverdächtigen
Bisher war das Ausmaß der Vorwürfe gegen den Kampfsportler nicht bekannt. Er bestreite pauschal, Frauen vergewaltigt zu haben, sagt Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach. Für A. gilt bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung, wie sein Verteidiger Martin Reitmaier betont.
Aber Seebach muss gewichtige Indizien in Händen haben. Sonst hätte kein Richter die Veröffentlichung eines Fotos des Verdächtigen für eine ungewöhnliche Fahndung erlaubt: Gesucht wird nicht der Täter, sondern das Opfer – das vielleicht bis heute nicht weiß, wie sein Vertrauen von einem Partner beim Sex ausgenutzt worden war.
Aber an die markanten Tätowierungen auf seinem muskulösen Oberkörper kann sich die Frau womöglich erinnern, die er sich viel Geld kosten ließ und 2013 stolz präsentierte: Die Bahnhofsuhr, die fünf vor Zwölf zeigt, der Teufel, der mit einer Fernbedienung in der Hand den Tod kontrolliert, die Symbole auf beiden Armen, die er vielsagend erklärte: "Mir war von Anfang an klar, dass es eine Höllenseite geben wird und eine Himmelseite."
Vergewaltigung am Kriegerdenkmal
Von welcher Seite lernte ihn die schlanke dunkelhaarige (und offenbar wehrlose) Frau von 20 bis 25 Jahren kennen, die der Polizei jetzt weiterhelfen könnte? Sie trug Ohrstecker links und Piercing im rechten Nasenflügel. An ihr soll sich A. im September 2016 beim Würzburger Stadtfest vergangen und Aufnahmen gemacht haben, hieß es bei der Bekanntmachung der Fahndung.
In anderen Fällen sind die Ermittler weiter: Im Juli 2018 soll der heute 30-Jährige eine 22-Jährige nachts auf dem Heimweg im Ringpark vergewaltigt haben.
Brutales Vorgehen
Die jung Frau war aus der Bar "Mekong" an der Juliuspromenade gekommen. Auf dem Heimweg riss der Täter sie gegen 3.30 Uhr am Rennweg in der Nähe des Kriegerdenkmals zu Boden. Sie schrie um Hilfe. Ein Pärchen hörte die Schreie. Als sie der Frau zur Hilfe kamen, lag der Mann bereits auf ihr und würgte sein Opfer.
Der Täter stand auf, schlug der Zeugin massiv ins Gesicht und flüchtete. Ihr Begleiter verfolgte den Mann und informierte über Handy die Polizei. Die nahm Ilker A. fest. Seitdem sitze er in der Zelle, "wobei mittlerweile eine Freiheitsstrafe in anderer Sache vollstreckt wird," erklärt Oberstaatsanwalt Seebach
Sein 22-jähriges Opfer war so brutal gewürgt worden, dass die Polizei von einem lebensbedrohlichen Zustand sprach. Die junge Frau kam ins Krankenhaus und konnte erst zwei Tage später vernommen werden.
Drei Fälle angeklagt
Das war die letzte von drei Vergewaltigungen, die dem Kampfsportler zur Last gelegt werden. Bereits im August und Oktober 2016 gab es ähnliche Vorfälle. Diese Redaktion weiß jetzt: Die Indizien gegen den Verdächtigen waren stark genug, dass die Staatsanwaltschaft Würzburg ihn schon im September 2019 unter dem Aktenzeichen 902 Js 13426/18 anklagte.
Bei Ermittlungen wegen Drogenvergehen stießen die Beamten auf weitere Hinweise: Über die aktivierte Kamera seines Laptops soll er zwölf Frauen heimlich bei nicht abgesprochenen Sexpraktiken aufgenommen haben. Eine Frau hatte von auffallenden Erinnerungslücken berichtet. Das könnte auf den Einsatz von K.o.-Tropfen hinweisen. In einem weiteren Fall werde noch ermittelt, sagt der Oberstaatsanwalt auf Anfrage.
Ist das Betäubungsmittel auch der Grund, warum sich das 16. Opfer bisher nicht auf den spektakulären Aufruf bei der Polizei gemeldet hat? "Die Frau weiß unter Umständen gar nicht, dass sie Opfer einer Straftat geworden ist", sagt eine Polizeisprecherin.