Im Prozess um Anstiftung zum Mord und zwei versuchte Morde auf offener Straße beleuchtet das Landgericht Würzburg seit drei Verhandlungstagen das bewegte Leben des Angeklagten. Würde die Staatsanwaltschaft Würzburg dem 20-Jährigen nicht schwere Verbrechen vorwerfen, man könnte fast Mitleid mit ihm haben.
Das Gericht versucht herauszufinden: Wer ist dieser Mann? Wovon bestreitet jemand ohne Wohnung und Beruf sein Leben, der offenbar täglich bis zu drei Gramm Kokain konsumiert? Zeugen sagen: vom Verkauf größerer Mengen Drogen an andere Süchtige.
Sein Bart lässt den Angeklagten älter scheinen als er ist, der stechende Blick und sein aggressiver Ton in gebrochenem Clan-Deutsch wirken einschüchternd. Ein junger Außenseiter, von der Polizei gesucht, ständig auf Droge, laut seiner Exfreundin aggressiv und unberechenbar. Aber auf der Straße, wo Faustrecht mehr zählt als Gesetz, muss der ehemalige Kampfsportler Respekt genossen haben. Bei jungen Arbeitslosen unterschiedlicher Herkunft, die unter ähnlichen Umständen leben wie er.
Zwei von ihnen - und die Familie des mitangeklagten 14-jährigen mutmaßlichen Komplizen - verfolgen im Gericht als Zuschauer jedes Wort. Als einer der beiden Freunde im Zeugenstand befragt wird, weiß er über einen Mordauftrag nicht das geringste.
Aus der alten in die neue Heimat mitgebracht: ein zweifelhafter Begriff von Ehre
Ein Gutachter macht deutlich: Der Angeklagte ist ein Scheidungskind, von den Eltern im Stich gelassen, bei der Oma jeden zweiten Tag geprügelt, mit zwölf Jahren vom Vater von Aserbeidschan ins fremde Deutschland geschleppt, dort aber schnell auf sich allein gestellt.
Zum Verständnis dieses Falls ist wichtig zu wissen: Aus seiner alten Heimat hat der 20-Jährige nicht viel mit hinübergerettet in die neue – außer einem fremdartig wirkenden Begriff von persönlicher Ehre. In seiner Vorstellungswelt duldet ein Mann nicht, dass sich seine Frau - noch dazu Mutter des ungeborenen gemeinsamen Kindes - von ihm trennt, weil er unter Drogen unausstehlich und bedrohlich wird.
Aus verletztem Ehrgefühl soll der 20-Jährige beschlossen haben, von Freunden den neuen Liebhaber seiner Exfreundin angreifen und töten zu lassen. Und die junge Frau selbst zu ermorden.
Mit Messern bewaffnet: Wegen des Mordplans oder zur Selbstverteidigung?
Er bestreitet das vor Gericht mehrfach. Ja, er habe sich an jenem Abend im März 2022 mit der Ex treffen wollen – aber zu einer klärenden Aussprache. Und ja, er habe sich mit zwei großen Messern bewaffnet. Aber weil er fürchtete, sie bringe eine rivalisierende Gang mit.
Ob diese Version Ausrede ist, Wahn im Drogenrausch oder realistisch - das versucht die Kriminalpolizei gerade in intensiven Nachermittlungen herauszubekommen. Es gab am Tatabend offenbar dubiose Telefonate. Und die Polizei bemerkte auch, dass die junge Frau auf dem Weg zum Treffen von Jugendlichen observiert worden war, die per Handy ihren Standort weitermeldeten.
Exfreundin und Opfer auch von zweitem Liebhaber massiv bedrängt
Weiß der neue Liebhaber mehr, das zweite Opfer? Glaubt man dem ebenfalls drogenabhängigen jungen Mann, lebt er mit der jungen Mutter zusammen. Glaubt man ihr, ist sie längst wieder getrennt und hielt ihren neuen Wohnort vor ihm geheim. An diesem Freitag nun wurde dem Gericht mitgeteilt, das auch er bei ihr geklingelt und sie massiv bedrängt habe. Nun müssen Justiz und Polizei die 20-Jährige wohl vor Nachstellungen schützen.
Der Prozess wird am Landgericht am 12. Juni fortgesetzt.
Heutiger Artikel ein gewohnter "Schweidler", gut so.
Mit Vorsicht und doch mit bestimmten Hinweisen auf Herkunft des vermutlichen Täters, womit sich der Leser einen Reim darauf machen kann.
Auch wichtig das "Clan-Deutsch"und daß der Beschuldigte einen "zweifelhaften Ehrbegriff" mit zu uns nach Deutschland brachte.
Durch zu viel Verschweigen der Identität von Straftätern hier in der MP fühlt sich der mündige Leser gegängelt.
Generell sollte die MP den Lesern ein gesundes Rechtsempfinden zutrauen und nicht so bevormundend berichten, im gleichen Atemzug jedoch das Abdriften vieler Wähler nach Rechts zu beklagen.