
Nirgends wird mehr gelogen als vor Gericht. Aber der Prozess in Würzburg um einen geplanten Mord an einem Liebespaar wird da schon zum Auftakt kompliziert bei der Suche nach der Wahrheit.
Der 20 Jahre alte Angeklagte hat laut Staatsanwaltschaft eine Meute auf den neuen Liebhaber seiner Ex-Freundin gehetzt - angeblich aus Eifersucht. Dann soll er die Frau selbst mit zwei Messern in Händen nachts zu einem Treffen gelockt haben. Um Haaresbreite konnte die Polizei verhindern, dass er zustach.
Der Angeklagte hat eine andere Version vom Kampf zwischen zwei Banden
Die Geschichte beginnt am am 28. März 2022. Der Angeklagte wurde damals wegen anderer Delikte gesucht. Seine frühere Freundin war von ihm schwanger. Da soll er dem Vater seiner Ex-Freundin gedroht haben: Er wolle die Frau und das Ungeborene umbringen.
Jetzt vor dem Landgericht sagt er etwas anderes. Er habe gefürchtet, die von ihm schwangere Frau bringe eine ganze Bande zu einem Treffen in der Würzburger Innenstadt mit, um ihr zorniges Versprechen wahrzumachen: "Du wirst dein Kind nie sehen!" Er habe auf diese Gruppe einer konkurrierenden Bande von Kleindealern gewartet. "Dass da Bullen waren" habe er, den Kopf voller Kokain, gar nicht bemerkt.
"So richtig plausibel erscheint mir das nicht," zweifelt der Vorsitzende Richter Michael Schaller. "Da bleibe ich doch einfach weg."
Eine Bedienung rettete dem neuen Freund womöglich das Leben
Der neue Freund der schwangeren 17-Jährigen flüchtete vor 10 bis 15 Maskierten in eine Bar in der Innenstadt. Es gibt Whatsapp-Hinweise, dass der Angeklagte die Meute dirigierte. Laut den Ermittlungen sollen in der Bar Morddrohungen gefallen sein. Vier Maskierte, teilweise mit Messern bewaffnet, wollten ihr Opfer ins Freie ziehen.
Eine Bedienung ging dazwischen, wies die Streitenden vor die Tür und rettete dem 17-Jährigen damit vielleicht das Leben. Er drückte sich an den Tresen, rief die Polizei zu Hilfe. Die nahm später zwei Flüchtende mit Messern fest.
Der neue Freund will sich an einen möglichen Mordversuch nicht mehr erinnern
Aber ein Jahr und einen eigenen Aufenthalt im Gefängnis später kann der jetzt 18-Jährige sich im Zeugenstand an nichts mehr erinnern. "Ich vergesse alles, sogar meinen Namen, fragen Sie meinen Arzt," beteuert er mit unschuldigem Augenaufschlag. Keinen der Maskierten habe er erkannt, auch kein Messer gesehen, als ihn einer am Kragen packte.
Den Angeklagten will er, anders als in seiner Aussage bei der Polizei, nicht am Tatort gesehen haben. "Ich war betrunken," sagt er zur Begründung. Ob er noch mit der Frau zusammen sei und ob sie ihm von Drohungen ihres Ex-Freundes erzählt habe? Er greift sich an die Brust, schaut in dem Moment besonders treuherzig und antwortet: "Glauben Sie, sie sagt mir jede Kleinigkeit?"
Markantester Zeuge: Der Vater der 17-Jährigen
Der im Zeugenstand rasch aufbrausende Vater der jungen Mutter hat den denkwürdigsten Auftritt an diesem Tag vor Gericht. Er macht kein Geheimnis daraus, dass er den 20-jährigen Boxer und Vater seines Enkels auf der Anklagebank für den besseren Mann für seine Tochter hält. Darum habe er dem damals 17-jährigen neuen Freund seiner Tochter geraten, die Hände von der werdenden Mutter zu lassen – ohne Erfolg.
Zeitweise geriet der heutige Großvater selbst in Verdacht, mit dem Mordplan zu tun zu haben. Das weist er empört von sich. "Ich will nur Wahrheit und Gerechtigkeit," ruft er in den Raum und steigert sich in seinen Zorn hinein. Überhaupt sei es alles "Müll", was der Staatsanwalt den Medien erzählt habe. Er werde Strafanzeige gegen ihn erstatten, droht der Mann, der selbst schon in U-Haft saß – unschuldig, wie er betont.
Die umkämpfte junge Frau sagt am nächsten Prozess-Tag als Zeugin aus
Auf Nachfragen des unbeeindruckten Oberstaatsanwaltes Thorsten Seebach schreit er aggressiv im Gerichtssaal herum, springt auf, fuchtelt herum und wirft die Frage in den Raum: "Um Gottes Willen, wo leben wir denn hier?"
Vielleicht hat seine Tochter eine Antwort darauf, wenn sie im Zeugenstand erscheint. Der Vater weiß nicht genau, wo sie in Würzburg wohnt, war nach eigenen Angaben noch nie dort. Aber er ist sicher, dass seine Tochter den neuen Freund verlassen hat.
Der Prozess wird am Donnerstag um 9 Uhr fortgesetzt.