
Der Auftritt des Kronzeugen wird am Landgericht Würzburg zum skurrilen Ereignis im Prozess um den Mord an einem türkischen Gastwirt. Ein halbes Dutzend Polizisten umringt schützend den 38-Jährigen, der aus einem auswärtigen Gefängnis ins Würzburger Strafjustizzentrum gebracht wird. Und dort beginnt eine wortreiche, hitzige Befragung.
Der 38-Jährige hat selbst eine dunkle Vergangenheit. Aber seine Aussage vor Gericht ist klar und deutlich: Der inzwischen 50 Jahre alte Angeklagte habe ihm während der gemeinsamen Haftzeit in Würzburg im vergangenen Jahr den Mord mit vielen Details gestanden, erklärt er an diesem Dienstagnachmittag.
Der Inhaftierte ist sich des Wertes seiner Aussage erkennbar bewusst. Er ist unter anderem wegen räuberischer Erpressung vorbestraft, hat Erfahrung vor Gericht. Mit zusammengekniffenen Augen wartet er auf die bohrenden Fragen der Verteidiger. Unbeeindruckt kommentiert er manche Provokation, lässig zurückgelehnt, mit spitzen Bemerkungen.
Mit dem Angeklagten im Gefängnis ins Gespräch gekommen
Unbestreitbar passen seine Schilderungen zu Details der Ermittlungen. Er spricht von fünf mörderischen Schüssen aus einem Revolver, angeblich wegen ausstehender Schulden. Wie soll der Zeuge davon wissen, wenn nicht vom Angeklagten? Der 38-jährige Zeuge suchte offenbar die Nähe des 50-Jährigen während dessen Untersuchungshaft, servierte ihm das Essen und begleitete ihm zum Hofgang - ob auf eigene Initiative oder als von Ermittlern angesetzter Spitzel, bleibt unklar.
Der von ihm beschuldigte Angeklagte bestreitet vor Gericht, den Wirt Edip Saraç am 5. Januar 1999 im Auftrag seines ebenfalls angeklagten Vaters wegen ausstehender Schulden erschossen zu haben. Dem Mitgefangenen gegenüber soll er geklagt haben, dass es keine Beweise gegen ihn wie Schmauchspuren oder DNA am Tatort gegeben habe. Er verstehe deshalb nicht, warum er so lange in U-Haft sitzen müsse.

"Verarschen kannst du dich selbst", habe er dem Mithäftling da entgegnet, sagt der Zeuge. Schließlich habe ihm der verzweifelte 50-Jährige alles gestanden: "Er hat gesagt, er hat geschossen." Ein Freund habe die Waffe verschwinden lassen. Sein Vater habe verlangt, er solle sich für ihn "gerade machen".
Mehr als zwei Stunden lang klopfen Gericht, Ankläger und Verteidiger die Aussagen des Kronzeugen am späten Nachmittag auf ihre Glaubwürdigkeit ab. Zeitweise wird es laut und heftig vor Gericht, es gibt Wortgefechte, manchmal am Rand des Übereifers.
Kronzeuge selbst vor Gericht verurteilt
Spekuliert worden war, was sich der 38-jährige Häftling von seinen Aussagen erwartete. Er habe keine konkrete Vergünstigung bekommen, versichert der Zeuge mehrfach. Im vergangenen Jahr war er selbst zu drei Jahren Haft verurteilt worden.
Die Verteidiger Hanjo Schrepfer, Roj Khalaf und Martin Reitmaier konfrontierten den Häftling im Zeugenstand mit bohrenden Fragen, um Widersprüche aufzudecken. Doch er bleibt bei seiner Darstellung.
Verteidiger zweifeln am Mordauftrag des Vaters
Die Anwälte bezweifeln nach wie vor, dass der auf der Anklagebank sitzende Geldverleiher seinen Sohn v0r 26 Jahren mit dem Mord beauftragt haben soll. Tage vor den tödlichen Schüssen im Januar 1999 habe sich in Schlichtungsgesprächen mit dem Wirt eine Lösung des schwelenden Schuldenproblems abgezeichnet.
Gespannt warten die Beteiligten in dem seit Jahresbeginn laufenden Mordprozesses jetzt auf eine weitere für die Anklage zentrale Zeugin: Eine Schwester des 50-Jährigen fühlt sich von ihm in einem Erbschaftsstreit benachteiligt. Im Gegenzug will sie als Zeugin gegen den Bruder aussagen: Ein Alibi von seiner damaligen Freundin, das den Angeklagten seit 1999 entlastete, sei gelogen gewesen.
Der Prozess wird am kommenden Montag, 10. Februar, fortgesetzt.