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Würzburg
Getöteter Polizeischüler: Schütze in Würzburg vor Gericht
Wie kam eine geladene Waffe in die Stube der Auszubildenden? So lautet die zentrale Frage des Prozesses, der am 14. Juli am Würzburger Amtsgericht beginnt.
Wie kam es zum tödlichen Schuss eines Würzburger Polizeischülers auf einen Kollegen? Der Frage geht nun das Amtsgericht nach.
Foto: Boris Roessler, dpa | Wie kam es zum tödlichen Schuss eines Würzburger Polizeischülers auf einen Kollegen? Der Frage geht nun das Amtsgericht nach.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:47 Uhr

Fast 17 Monate nach dem tödlichen Schuss auf den Polizeischüler Julian K. in Würzburg soll am 14. Juli der Prozess gegen den Schützen vor dem Amtsgericht beginnen. Wegen fahrlässiger Tötung muss sich ein Polizeischüler vor dem Jugendschöffengericht verantworten, der Stubenkamerad und Freund des Getöteten war. Der Prozess hatte - wie viele andere - in der Hochphase der Corona-Bekämpfung im April verschoben werden müssen.

Mit Dienstwaffe auf Kollegen geschossen

Wie es am 28. Februar 2019 zu dem tödlichen Vorfall in der Kaserne der Bereitschaftspolizei in Würzburg kam, scheint weitgehend geklärt. Der Polizeischüler soll einen Kollegen versehentlich mit seiner Dienstwaffe in der Kasernenstube im Würzburger Stadtteil Zellerau erschossen haben. Nach dem Wachdienst soll er seine Waffe nicht ordnungsgemäß entladen haben, eine Patrone blieb im Lauf. Vor dem nächsten Wachdienst soll er ahnungslos mit der geladenen Waffe auf den Stubenkameraden gezielt haben.

Ein anderer Beamter hörte den Schuss und eilte zu den jungen Männern in den Raum, wo er den einen lebensgefährlich verletzt, den anderen unter Schock fand. Der angeschossene Polizeischüler erlag später in einem Krankenhaus seinen Verletzungen.

Mehrere Fehler?

Wie es dazu kam, wird im Prozess zu klären sein. Der Staatsanwalt sagte dazu: "Der Anklage zufolge ist der tödliche Verlauf des Geschehens als Folge eines mehrfachen persönlichen Versagens des Beschuldigten aus dem Landkreis Schweinfurt zu bewerten."

Anwalt Jürgen Scholl sagt im Auftrag der Familie des Getöteten: "Wir wollen alle Ursachen lückenlos und gründlich aufgeklärt haben." Scholl hat eine achtseitige Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft geschickt und die Sicht der Eltern geschildert. "Für die Eltern", betont er, "ist es eine große Belastung", da sie immer noch nicht genau wüssten, warum es passierte und ob der tragische Tod ihres Sohnes hätte verhindert werden können.

Die Eltern haben viel Fragen: Wie laufen die Kontrollen innerhalb der Kaserne, wenn nach Dienstschluss die Waffen zurückgegeben und die Magazine im Tresor gelagert werden? Wie war es möglich, dass sich noch eine Patrone im Lauf befand? Welche Mitverantwortung tragen die Polizisten in Ausbildung, die am Nachmittag und Abend das Magazin des Angeklagten entgegennahmen und ihm später wieder aushändigten? Warum wurde diese Kontrolle nicht von Ausbildern gemacht?

Eine weitere Frage für Scholl ist auch, ob für den Angeklagten tatsächlich Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen sollte. Dies hat Auswirkungen auf das Strafmaß. Aus Scholls Sicht kann ein junger Polizist in Ausbildung, der bereits im Streifendienst tätig war, keine Reifeverzögerung haben. Außerdem könne man in dem Fall nicht von einem jugendtypischen Verhalten sprechen. 

Zwischenfälle mit der neuen Dienstwaffe in ganz Bayern

Die Eltern des Getöteten stellen sich weitere Fragen: Nach Recherchen dieser Redaktion vor einem Jahr hatte es zum damaligen Zeitpunkt bayernweit acht Zwischenfälle mit der erst im Herbst 2018 ausgegebenen neuen Dienstwaffe der Polizei gegeben. Unter anderem hatte sich nur wenige Tage vor dem tödlichen Zwischenfall bei einem Bereitschaftspolizisten in der Würzburger Kaserne ein Schuss aus seiner Pistole gelöst, der ein Fenster durchschlug. "Warum wurden organisatorisch aus diesem Vorfall nicht sofort Konsequenzen innerhalb der Kaserne gezogen?", fragt Scholl. Am Wichtigsten aus Sicht der Eltern: Wieso durfte die Waffe mit auf die Stube genommen werden?

Diese Fragen sollen ab dem 14. Juli vor dem Amtsgericht Würzburg beantwortet werden.

 
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  • helgas
    Moment! Der junge Mann musste nicht aus Routine sterben, oder weil Mechanismen versagt haben....
    Sein Kollege hat die Waffe auf Ihn gerichtet.
    Und er hat abgezogen.
    Das ist ein Verstoß gegen alle Regeln!
    Da gibt es keinen anderen schuldigen....
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  • Albatros
    @helgas, ja, sein Kollege hat die Waffe auf ihn gerichtet, aber in dem Glauben, dass diese ungeladen ist. Ich will den jungen Mann nicht aus der Verantwortung nehmen, aber hätten die Verantwortlichen die Waffen ordentlich überprüft, dann wäre keine Patrone mehr in der Waffe gewesen. Eine Reihe von Fehlern hat zu der Tragödie geführt.
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  • ra.kellermann@gmx.de
    Wir haben schon von zuhause aus mitbekommen (nicht erst bei der BW), dass man nicht mit Waffen auf Menschen zielt, erst recht nicht mit geladenen...ich tippe auch auf ne Bewährungsstrafe wg. fahrlässiger Tötung...
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  • manfred-englert@hotmail.de
    Hallo Herr Oswin.r: Spielten Sie nie in Ihrer Kindheit "Räuber und Gendarm" oder "Cowboy und Indianer"? Das waren alles "nur" Spielzeugpistolen und deshalb hat uns als Kind niemand erklärt, niemals auf Menschen zu zielen. Das kommt oder kam alles mit der Zeit. Ihr Beitrag hört sich an, als ob Sie eine Wette auf das Strafmaß abschließen würden! Das hat keiner der Beteiligten verdient! Die sind im Übrigen a l l e bestraft fürs Leben.
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  • ManfredSchweidler
    Herr Englert, das war eine wohltuend sachliche Präzisierung des Themas. Vielen Dank dafür!
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  • juergenmagic@t-online.de
    Warum müssen eigentlich minderjährige Polizeischüler mit der Waffe Wache schieben? Soweit ich weiß, hat zwar die Bundeswehr auch Minderjährige in ihren Reihen, aber Wachdienste oder Auslandseinsätze sind verboten. Bei der Waffenausbildung wird auch ein sehr strenger Maßstab angelegt. Es stellt sich auch die Frage, ob der Wachdienst hätte sein müssen. Wenn die Pistole eh einige Vorkommnisse hatte, stellt sich auch die Frage, ob man diese sinnvoll für die Polizei ist. Das macht zwar den Getöteten leider nicht mehr lebendig, aber darüber sollte man man nachdenken.
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  • manfred-englert@hotmail.de
    @walkerfriend, informieren Sie sich doch erst, bevor Sie hier solche Falschmeldungen verbreiten! In heutiger Zeit ist der Anteil von Abiturienten in jedem Einstellungszeitraum bei durchschnittlich 60 bis 70%. Da diese mit Ablegen der Reifeprüfung meist 18 Jahre und älter sind, sind also genügend "Wachgänger" vorhanden ohne auf Minderjährige zurückgreifen zu müssen. Aber auch über 18 macht noch keinen erfahrenen und in sich ruhenden Menschen. Egal wo; Menschen in Ausbildung bedürfen der Führung und Fühtung ist auch mit Aufsicht verbunden. Deshalb sollte in solch einem Wachbetrieb ein Verantwortlicher vor Ort Waffen-und Munitionsübergabe überprüfen und die Waffen sollten als Wachausstattung dieses Gebäude überhaupt nicht verlassen! Zwei Freunde, eine Unachtsamkeit und ganz viele Leben zerstört. Wenn man sich näher damit befasst, können einem die Tränen kommen. Ganz schlimm!
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  • chrihand
    Genau hier ist das Problem angesprochen: "Menschen in Ausbildung bedürfen der Führung und Führung ist auch mit Aufsicht verbunden."

    Bei der Bundeswehr wurde die Ausbildung an der Waffe zu meiner Zeit äusserst Gewissenhaft betrieben. Wer hier irgendwelchen Blödsinn gemacht hat, und sei es nur mit der zerlegten Waffe herfumfuchteln, der hatte sofort den sprichwörtlichen Satz heisse Ohren, da knallte die Ohrfeige lauter als die Pistole. Oder er bekam was auch immer der Ausbilder greifen konnte an den Kopf geworfen. Auf das es alle lernen! Und sie haben es gelernt!

    Heute bekommt man ja gleich ein Trauma, wenn man man scharf vom Ausbilder anfahren wird und ist dann erst mal ne Woche krank. So funktioniert das aber in solch einem kritischen Bereich nicht!
    Laxer Umgang mit einer Schusswaffe tötet. Kameraden, unschuldige Zivilisten oder auch einen selbst.
    Sucht mal im Archiv nach Jägern, die sich selbst erschossen haben...
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  • emulave
    Die Katastrophe steht in der Regel am Ende einer Kette kleinerer Fehler. Das wissen wir von Flugunfällen und aus der Medizin. Der größte Fehler war es sicherlich, die Schußwaffe auf den Kameraden zu richten und abzudrücken. Eine Sekunde Dummheit und auf einen Schlag mehrere Leben zerstört. Die Eltern werden auch vor Gericht keine befriedigende Antwort auf die Frage nach dem Warum bekommen, weil alle Erklärungen die Verzweiflung der Eltern nicht lindern können. Wichtig ist daraus zu lernen, um die Ausbildung, Wachsamkeit und den Respekt vor der Schußwaffe weiter zu verbessern. Ich wünsche allen Beteiligten, daß sie irgendwann Frieden finden.
    Wird so ein Unfall so oder so ähnlich wieder passieren? Leider ja, Menschen eben.
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  • Arcus
    Schlamperei auf breiter Front bei der BePo in Würzburg. Vermutlich wird man versuchen alles dem Schützen in die Schuhe zu schieben.
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  • Albatros
    Wo Waffen und Munition und vor allem junge Menschen im Spiel sind, da ist Vorsicht geboten. Der größte Feind ist die Routine, welche Fehler im System regelrecht herauf beschwört. Julian musste sterben, weil gleich mehrere Mechanismen versagt haben. Es war ein tragischer Unfall welcher hätte vermieden werden können. Aber alles hätte hätte macht Julian nicht wieder lebendig. Sein Freund wird nie wieder ein normales Leben führen können, die Schuld wird immer auf seinen Schultern lasten. Nachdem Mörder vor dem Würzburger Landgericht mit einer Geldstrafe belohnt werden hoffe ich, dass der Täter wegen fahrlässiger Tötung eine Strafe erhält, welche zur Bewährung ausgesetzt wird.
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