
Zell ist ein Juwel Unterfrankens. Man muss nicht tief graben, um die verborgenen Schätze dieses Ortes ans Licht zu fördern. Dass das Städtchen einmal reich war, davon legen einst prachtvolle Gebäude Zeugnis ab.
Heute sei Zell das letzte fränkische Weinhändlerdorf, bei dem man die Bauarchitektur vom Anfang bis zum Ende nachverfolgen kann, sagt der Heimatforscher Christian Naser von der Uni Würzburg. Für ihn ist Zell wie "ein bewohntes Freilandmuseum". Doch die vielen spannenden Baustrukturen drohen zu verfallen – unbeachtet und vergessen. Für Naser ist das eine fatale Entwicklung. Naser hat sich intensiv mit der Geschichte von Zell befasst. Die folgenden Informationen sind Ergebnis eines Gesprächs der Redaktion mit ihm, im Anschluss an einen Vortrag der Denkmalpflegerin Julia Merz zum Denkmalkonzept des historischen Ortskerns von Zell.
17 prachtvolle Händlerhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert stehen noch heute in Zell am Main
Es ist das 18. Jahrhundert. Den Main flussaufwärts, von Frankfurt kommend, kündigt sich noch vor Würzburg eine besondere Szenerie an: Elegante Sommerresidenzen säumen das Ufer – ein Zeichen für die wirtschaftliche Bedeutung des damaligen Zells. Sie gehören erfolgreichen Weinhändlern.
Selbst heute noch erzählen 17 dieser prachtvollen Händlerhäuser, entstanden zwischen 1692 und 1794, in der Sprache des Barock und Klassizismus vom Aufstieg und Fall einer unterschätzten Stadt. Mit der Säkularisierung und Industrialisierung hat sich das Ortsbild jedoch radikal verändert. Es folgte eine Nachverdichtung des Ortes, die Konsequenzen hatte.
Klöster, Lage und Wasser führten Zell am Main zu Wohlstand
Fünf Faktoren waren es, die Zell einst zu Wohlstand verhalfen: der Reichtum an Quellen, die strategische Lage an der Reichs- und Heeresstraße, die beiden Klöster Ober- und Unterzell, der Main und eine Furt sowie die Nähe zur mächtigen Bischofsstadt Würzburg.
Alles beginnt mit dem Zeller System aus Kanälen – eine enge Verflechtung von Mensch und Natur. Gespeist von einem unschätzbaren Reichtum an Wasser, drehten sich vor hunderten von Jahren mehrere Mühlen im Ort. Dadurch wurden die Zeller vom Main zunehmend unabhängig. Dieser wiederum war mehr als nur ein Transportweg – er war Fischgewässer und diente auch der Flößerei. Eine Furt bei Kloster Unterzell ermöglichte außerdem die Überquerung des Flusses.
Ebenso waren die beiden Klöster Ober- und Unterzell bedeutsame Triebfedern der Ortsentwicklung. Das Dorf Mittelzell, das ursprünglich zwischen den Klosteranlagen lag, wuchs in enger wirtschaftlicher Verflechtung mit ihnen.
Wer Zell kontrollierte, kontrollierte den Zugang nach Würzburg
Ein weiterer wichtiger Faktor war die Lage Zells an der alten Reichs- und Heeresstraße. Das Städtchen, besonders der Zeller Berg, war deswegen auch immer wieder Schauplatz von Manövern und Scharmützeln – möglicherweise schon zu Zeiten Karls des Großen. Im Zeller Schlösschen wurde übrigens einst ein großer Sieg gefeiert.
Die Nähe zu Würzburg war zudem ein weiterer Pfeiler der Zeller Erfolgsgeschichte. Ursprünglich wohl einmal zu Würzburg gehörend, genossen die Zeller auch später Sonderrechte in der Bischofsstadt, durften auf dem Markt handeln und Grundbesitz erwerben.
Wirtschaftliche Blüte durch Wein und Ziegelei – und die Nähe zu Würzburg
Neben Mühlen und Gerbereien waren es vor allem die Ziegeleien und der Weinbau, welche der Wassergemeinde zu Wohlstand verhalfen. Die Zeller Ziegler lieferten zu Hochzeiten bis zu 10.000 Ziegelsteine pro Woche an die Würzburger Baustellen – besonders der Residenz.
Doch erst die Weinhändler verhalfen Zell auch zu überregionaler Bedeutung. Für etwa 100 Jahre beherrschten sie den Weinhandel im Reich auf fast schon kosmopolitische Weise – unter anderem mit einer ausgefeilten Heiratspolitik. Auch kreativer Weinschmuggel war bei ihnen nicht selten.
Heute setzt sich die Gemeinde Zell dafür ein, sämtliche Denkmalwerte im Rahmen des "Kommunalen Denkmalkonzepts" (KDK Bayern) zu erhalten und nachhaltig erlebbar zu machen. Denn am Ende ist Zells größter Gegner die Zeit.