Jeden Tagen werden laut Thorsten Grimm "bayernweit acht Polizistinnen und Polizisten verletzt". Die steigende Zahl von Gewalttaten gegen die Polizei beunruhigt den unterfränkischen Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), der auch Personalratsvorsitzender am Polizeipräsidium Unterfranken ist. Die Gesellschaft habe ihre Grundwerte vergessen, sagt Grimm - und wehrt sich im Interview gegen den Vorwurf, dass Gewalt von der Polizei ausgehe.
Thorsten Grimm: Leider ist das so. 2022 gab es in Unterfranken 600 Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte, 2021 waren es noch 499. Das ist ein Anstieg um mehr als 20 Prozent. Die Zahlen sind also nicht nur auf einem konstant hohen Niveau, die Tendenz ist sogar weiter steigend, vor allem was die Zahl der Verletzten angeht.
Grimm: Alleine bei den leicht verletzten Polizistinnen und Polizisten haben wir einen Anstieg der Fallzahlen um knapp 28 Prozent. Wir sprechen hier konkret von 236 Fällen 2022. Es muss uns beunruhigen, wenn tagtäglich bayernweit acht Polizistinnen und Polizisten verletzt werden. Es sind aber nicht nur die körperlichen Angriffe.
Grimm: Richtig. Wir haben hier eine Steigerung von elf auf 34 Fälle, ein Plus von fast 210 Prozent. Damit der Tatbestand der Bedrohung vorliegt, muss auch mit einem konkreten Verbrechen gedroht worden sein. Und das sind nicht selten Todesdrohungen gegen Kolleginnen und Kollegen oder – was noch viel verwerflicher ist – gegen deren Familien.
Grimm: So etwas zielt massiv gegen die Psyche, das wiegt häufig schwerer als eine körperliche Attacke. Und das wird teilweise ganz bewusst genutzt.
Grimm: Das spielt eine Rolle. Deutschland hat während der Corona-Zeit gelernt, dass viel mehr Druck über die Straße ausgeübt werden kann – und die Polizei muss all diese Aktionen und Veranstaltungen begleiten. Dadurch kommt es zu viel mehr Aufeinandertreffen zwischen Bürgern und Polizei.
Grimm: Das lässt sich schwer eingrenzen. Die Täter kommen aus nahezu allen Altersgruppen, auch ethnisch sind sie keiner Gruppe mehrheitlich zuzuordnen. Es gibt aber Faktoren: Bei Widerstandshandlungen zum Beispiel spielt häufig Alkohol eine Rolle. Zugenommen hat auch das Aufwiegeln bei eigentlich harmlosen Ereignissen durch bewusste Provokationen über die sozialen Medien.
Grimm: Was uns als Gewerkschaft massiv stört, ist die permanente Debatte, dass es Polizeigewalt in Deutschland gäbe. Da werden der Polizei ein latenter Rassismus, Racial Profiling und eben Gewalttaten unterstellt. Hier muss man aber unterscheiden: Es ist keine Polizeigewalt, wenn Einsatzkräfte im Rahmen ihrer gesetzlichen Legitimität unmittelbaren Zwang anwenden...
Grimm: Das erzeugt niemals schöne Bilder, das ist uns klar. Häufig kursieren dann solche Bilder im Internet oder bei WhatsApp. Der Kontext – also was zum Eingreifen der Polizei geführt hat – wird aber häufig ausgespart.
Grimm: Im konkreten Fall hat die Polizei unmittelbaren Zwang in Form von den Schüssen angewandt, weil ein Bewohner der Unterkunft mit einem Messer bewaffnet war und auf andere – auch auf die Polizei – losgegangen ist. Wenn dann in der Überschrift suggeriert wird, dass es zu Polizeigewalt gekommen ist, dann ist es nicht richtig, weil wesentliche Fakten zunächst verschwiegen werden. Ich glaube, es geht häufig um Schlagzeilen, die möglichst reißerisch daherkommen sollen. Viele lesen aber nur die Überschriften und nicht den Text dazu. Und das ist ein Problem.
Grimm: Ja. Die Gewichtung stimmt nicht. Aber lassen Sie mich etwas zur Aussage, die Polizei sei ein Querschnitt der Gesellschaft sagen. Das höre ich immer wieder, vor allem aus der Politik. Da muss ich ganz klar sagen: Nein, das sind wir nicht. Und wir wollen das auch nicht sein. Es ist eine Floskel, die viel zu leichtfertig verwendet wird.
Grimm: Man muss sich mal überlegen, was es heißen würde, wenn die Polizei ein Spiegelbild der Gesellschaft wäre: Dann hätten wir Schichten in unseren Reihen, die wir niemals dort haben wollten. Gott sei Dank wird das durch entsprechende Einstellungsvoraussetzungen verhindert. Würden wir alle Teile der Gesellschaft abbilden, mit allen Einstellungen, die es darin auch gibt, dann hätten wir ganz andere Probleme innerhalb der Polizei. Dann würden wir nicht von traurigen Einzelfällen sprechen.
Grimm: Ich glaube, wir müssten uns als Gesellschaft einmal wieder über unsere Grundwerte klar werden. Wie gehen wir miteinander um? Was heißt Respekt, was heißt Wertschätzung? Da sind natürlich Eltern in der Erziehung, aber auch die Politik – und gerade im Landtagswahlkampf die Parteien – gefordert: Man müsste einmal alle gesellschaftlichen Verantwortungsträger an einen Tisch bringen. Aktuell verlieren wir uns in Details und führen überfrachtete Debatten über Toleranz und darüber, wie wir alles und jedem gerecht werden. Dabei wäre es doch ganz einfach: Würde sich jeder an Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes halten, bräuchten wir den ganzen Rest nicht.
Es gibt ja keine Unabhängige Instanz, die tatsächliche Polizeigewalt kontrollieren und ggf. sanktionieren kann.
Die meisten Fälle von Polizeigewalt kommen doch überhaupt nicht zur Anzeige und wenn werden die Verfahren generell eingestellt (Korpsgeist- ich verpfeif doch keine Kollegen)
Die Opfer bleiben dann oft schutzlos und werden obendrein noch als Lügner diffamiert und im schlimmsten Fall auch noch verurteilt. Die Distanz zwischen Polizei und Bevölkerung wächst stetig.
https://www.muenchen.tv/polizist-erschiesst-jungen-marihuana-dealer-ermittlungen-eingestellt-152620/
Und da steht nunmal in Art 2 (1): Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, SOWEIT ER NICHT DIE RECHTE ANDERER VERLETZT und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
>>> Daran haben sich auch Demonstranten zu halten bzw. alle Einwohner der BRD (oder deutschen Pass oder nicht) - und diese RECHTE gelten auch für Polizisten: die müssen sich eben NICHT beleidigen lassen, etc.!
Und dann in Art. 2 (2): Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
>>> Auch dieses Recht gilt für Polizisten, d.h. es ist eben NICHT IN ORDNUNG, sie mit Flaschen, Steinen, Molotow-Cocktails und anderen Dingen zu bewerfen!
Aber da diese Vorfälle sehr oft auch von der Justiz als Kavaliersdelikte abgetan werden, sinkt da natürlich die Hemmschwelle - passiert ja nix!
Menschen wie Sie mit derartig befremdlichen Einstellungen und Meinungen sind ein echtes Problem für die Polizei und die überwiegende Bevölkerung. Genau deshalb läuft es so wie es läuft. Es gibt immer mehr von Ihrer Sorte, das ist das Problem.
So lange ist es auch noch nicht her, dass Polizisten bei Wirtshaus- oder Bierzeltraufereien einen "auf die Mütze" bekommen haben.
Ich erinnere an die Zeiten der Atomkraftdemos, als man mit Stahlkugeln auf Polizisten schoß.
Es hat sich also (fast) nicht geändert.
Geändert hat sich die Einstellung der Politik, der Justiz und der polizeilichen Führungskräfte.
Während ein Franz Josef Strauß als bayerischer Ministerpräsident noch hinter "seiner Polizei" stand, gibt es von einem Markus Söder oder Joachim Hermann nur noch Lippenbekenntnisse.
Hinzu kommt der Frust, eigentlich kein Polizist mehr sein zu können. Es gibt zu wenige Kolleginnen und Kollegen auf der Straße und trotz EDV wird der Papierkram immer mehr.
Dazu muss sich ein Polizist heute wegen jedem Strafzettel rechtfertigen, weil Polizeiführung und Justiz sich nicht mehr vor den Schutzmann stellen, sondern dahinter.
Also bitte nicht alles auf die Bevölkerung schieben.
habe aber festgestellt, dass wir so weit gar nicht auseinander sind, was die Lagebeurteilung angeht.
Ich bringe es mal so auf den Punkt: dieser Rechtsstaat entwickelt sich immer mehr zu einem (unfähigen bis unfairen) Papiertiger, in dem kleine und große Halunken zu Lasten der dummen/ phantasielosen Allgemeinheit unter dem Motto "Frechheit siegt" billig davonkommen (und die "Große Politik" schaut dem gefühlt untätig bis amüsiert zu).
Dass in einem solchen Land der Respekt vor der Regierung und ihren Organen langsam mit dem Vergrößerungsglas zu suchen ist, verwundert (auch) mich nicht wirklich, und dass der Grund für die Frustration (einzig) bei der Allgemeinheit zu suchen ist, scheint mir ebensowenig plausibel.