
Als in der Woche vor Ostern 1945 Einheiten der 7. US-Armee aus dem Raum Königshofen von der Tauber zum Main vorrückten, ließ die nationalsozialistische Kreisleitung Ochsenfurt in Verteidigungszustand versetzen. Von Gauleiter Otto Hellmuth aus Würzburg kamen über einen Meldefahrer an Bürgermeister Pappenberger Durchhaltebefehl und Anordnung zum Bau von Panzersperren. Vom Volkssturm wurden Stadttore und Straßen verbarrikadiert sowie mit Balken und Bruchsteinen Hindernisse errichtet.
Mutige Ochsenfurter Frauen forderten indes am Gründonnerstag vom Kreisleiter Stoll vehement die Beseitigung dieser Sperren und die kampflose Übergabe der Stadt. Dies wurde abgelehnt. Daraufhin beseitigten sie unter Drohung standrechtlicher Erschießung die Straßenblockaden selbst.

Man befürchtete auch in Ochsenfurt Luftangriffe
Nach dem vernichtenden Angriff auf Würzburg am 16. März 1945 durch britische Bomber, dessen Feuerschein und Detonationen auch in Ochsenfurt zu sehen und zu hören waren, befürchtete man Luftangriffe. In der Nacht von Karfreitag auf Samstag brachte ein Militärzug der Wehrmacht aus Würzburg zur Verteidigung der Stadt eine Kompanie von circa 200 Soldaten mit Panzerabwehrkanonen. Die Front rückte näher.
Am Karsamstag, 31. März, wurden die Geleise, der Bahnhof und verschiedene Gebäude von der US-Air-Force bombardiert. Der Giebelstädter Flugplatz sollte durch die betagten Männer des Ochsenfurter Volkssturms verteidigt werden. Ohne schwere Waffen hatten sie jedoch keine Chance und die Aktion misslang. US-Soldaten nahmen das Flugfeld kampflos ein und sprengten Hallen sowie technisches Gerät.
Ochsenfurt war als Flussübergang strategisch wichtig. Die Wehrmacht versuchte, den Feind an dieser Auffanglinie zu stoppen. Ziel der Alliierten war es, zügig über den Main vorzustoßen, um rasch Kitzingen, Schweinfurt und insbesondere Nürnberg, die Stadt der Reichsparteitage, einzunehmen. Am 1. April rückten Tanks der 12. US-Panzerdivision über Hohestadt auf Ochsenfurt zu. Mit ohrenbetäubendem Lärm sprengten dort an diesem Ostersonntag zwischen 10 und 11 Uhr Regensburger Pioniere die alte Steinbrücke.
Nepomuk-Statue flog 40 Meter weit in die Stadt
Die Wucht der Detonation deckte mehrere Häuser ab und schleuderte die Nepomuk-Statue 40 Meter weit hin zur Stadt. Die Zerstörung gelang jedoch nicht planmäßig: Nur ein Mittelbogen brach zusammen. An einem zweiten Brückenelement waren die Zündschnüre zuvor gekappt worden. Wie bereits in Würzburg hielt die Detonation die routinierten US-Pioniere höchstens 24 Stunden auf.
Am Mittag rollten über 20 US-Panzer in die mit Bett-Tüchern und Tischdecken weiß beflaggte Stadt, gefolgt von Lkws und Jeeps. Lediglich an der Brückenauffahrt kam es zu Schusswechseln. Die Wehrmacht hatte sich rechtzeitig mit Panzern und Geschützen auf der gegenüberliegenden Mainseite festgesetzt, ihre Artillerie beschoss über den Main hinweg das Umfeld der Stadt.

Am 3. April begannen amerikanische Pioniere kurz nach 9 Uhr mit dem Bau einer metallenen Pontonbrücke, die bereits um 14.30 Uhr fertiggestellt war. Am Tag zuvor, dem Ostermontag, hatten US-Pioniere der 12. Division, die mittels Schlauchbooten über den Fluss gelangt waren, am gegnerischen Ufer einen circa 500 Meter tiefen Brückenkopf aufgebaut. Jetzt konnten schweres Gerät und Nachschub kontinuierlich übergesetzt werden.
Tote beim Straßenkampf in Kleinochsenfurt
Dieser Geländegewinn jenseits des Mains wurde gesichert und erweitert. In Kleinochsenfurt kam es zum Straßenkampf, bei dem fünf junge deutsche Soldaten fielen und sechs verwundet wurden. Auf US-Seite gab es angeblich keine Verluste. Die Wehrmachtssoldaten zogen sich unter intensivem, gegenseitigem Maschinengewehr- und Artilleriefeuer auf die Höhen über dem Main und in den Ochsenfurter Forst zurück.

Zwei Tage nach dem Einmarsch der Amerikaner brannte in Ochsenfurt plötzlich am 3. April abends am alten Rathaus ein Jeep. Wehrmachtssoldaten schossen um sich und setzten US-Fahrzeuge auf dem Kirchplatz in Brand. Mit einer Panzerfaust wurde am Hüfner-Haus ein Erker abgeschossen, am oberen Tor stand ein Panzer in Flammen. Offensichtlich war es einem SS-Stoßtrupp gelungen, überraschend in die Stadt einzudringen. Die Besatzer reagierten prompt. Sie verhafteten 23 Ochsenfurter Bürger als Geiseln und hielten diese teilweise monatelang in Haft.
Kampfgeschehen verlagerte sich mainaufwärts
Am 4. April durchbrach US-Infanterie über Sommerhausen und Erlach unter beträchtlichen Verlusten die deutschen Auffanglinien auf den Höhen über dem Maintal und vernichtete mehrere Panzerabwehrgeschütze sowie fünf deutsche Panzer; verlassene deutsche Stellungen wurden besetzt. Das Kampfgeschehen verlagerte sich mainaufwärts in Richtung Kitzingen, das bereits am 5. April eingenommen wurde, und nach Schweinfurt. Am 6. April war keine US-Panzer mehr in Ochsenfurt. Für die Stadt selbst und Kleinochsenfurt waren nach zwölf Jahre nationalsozialistischer Gewaltherrschaft die unmittelbaren Kampfhandlungen zu Ende.
Unter dem Ersten Bürgermeister Peter Wesselowsky wurde 2007 am Unteren Tor zur Erinnerung an ihren engagierten und furchtlosen Einsatz das "Denkmal der mutigen Frauen" errichtet.
Text: Ulrich Wagner
Der Autor Ulrich Wagner war langjähriger Leiter des Stadtarchivs Würzburg.