Die große Würzburger Kindergarten-Studie mit dem Titel "Wü-Kita-CoV", eine der umfangreichsten Corona-Untersuchungen in Kitas in Deutschland, ist abgeschlossen. Die Stadt Würzburg, die Universität und das Uniklinikum hatten das Projekt initiiert, um herauszufinden, wie regelmäßige Corona-Tests in Kindertagesstätten durchgeführt werden können und wie sich diese auf Kinder, Eltern und Kita-Personal auswirken.
Fast 600 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren aus neun Würzburger Kindertageseinrichtungen sowie ihre Betreuerinnen und Betreuer waren von September 2020 bis März 2021 sowie von Mai bis Juli 2021 regelmäßig auf das Coronavirus getestet worden, teils mehrmals pro Woche. Nun sind die wissenschaftlichen Ergebnisse der ersten Studienphase veröffentlicht. Das Fazit der Forscherinnen und Forscher: Regelmäßige Coronatests ermöglichen auch während der Pandemie einen sicheren Kitabetrieb.
Doch sind die Erkenntnisse durch die Delta-Variante des Coronavirus schon längst überholt? Und was sind die Ergebnisse angesichts der drohenden Omikron-Welle noch wert? Antworten geben die beiden Studienleiter, Prof. Johannes Liese, Leiter der pädiatrischen Infektiologie der Unikinderklinik, sowie Mikrobiologe Prof. Oliver Kurzai von der Universität Würzburg.
Prof. Johannes Liese: Ja, er hat sich gelohnt. Wir konnten zeigen, dass während der Studie von September 2020 bis März 2021 mit den regelmäßigen Testungen kaum eine Infektion in den Kitas nachgewiesen wurde. Wir konnten die Befürchtung ausräumen, dass Kinder und Kitas eine Quelle für die Weiterverbreitung dieses gefährlichen Virus sind. Kita-Betreuung kann auch in einer Pandemie sicher sein.
Liese: Es ist das Ergebnis für den damaligen Virustyp. Für die Delta- und die Omikron-Variante müssen wir davon ausgehen, dass sich die Situation entscheidend verändert. Das Virus, das vorwiegend unter Erwachsenen zirkulierte, wird sich jetzt bei Kindern zunehmend verbreiten. Würden wir die Studie heute noch einmal durchführen, würden wir vermutlich viel mehr Infektionen nachweisen. Doch das heißt auch: Gerade jetzt wird unser Konzept der regelmäßigen Testungen über einen längeren Zeitraum umso wichtiger. So können wir den Kita-Betrieb weiter ermöglichen, Infizierte rechtzeitig entdecken und beginnende Infektionsfeuer löschen, solange wir sie noch löschen können.
Prof. Oliver Kurzai: Die Rahmenbedingungen, etwa dass sich nun das Virus in der Altersgruppe der Kinder stärker verbreitet, haben sich verändert. Aber dass die Erstinfektion meist außerhalb der Kita stattfindet und dass wir mit regelmäßigen Tests verhindern können, dass es zu einer Ausbreitung in der Kita kommt - das wird sich auch für die Omikron-Variante nicht ändern.
Kurzai: Das Wichtigste ist: Je kürzer der Test dauert, je besser er sich in den Tagesablauf integriert und je weniger unangenehm er von den Kindern empfunden wird, desto besser. Mundspülwasser zu entnehmen oder ein Lolli-Test, bei dem das Kind an einem Stäbchen lutscht, wird als weniger unangenehm empfunden als ein Rachen- oder Nasenabstrich.
Liese: Wichtig für die Kinder ist auch die Routine, das kontinuierliche Testen an bestimmten Tagen pro Woche. Viele kannten den "Abstrichtag" und haben mit großem Engagement mitgemacht.
Liese: Dass wir in einer Pandemie leben, dass Eltern Ängste haben, dass Kitas geschlossen werden - all das bekommen Kinder natürlich mit. Viele verstehen auch, dass sie durch die regelmäßigen Tests ihren Beitrag leisten können, dass die Kita offen bleibt und dass sie dann das Virus nicht unbemerkt in die Familie zum Beispiel zu Oma und Opa weitertragen. Bei unserer Studie gab es für die Kinder ein kleines Raupenheft. Nach jedem Test gab es einen Stempel, die Raupe wurde größer. Viele Kinder haben am Ende der Studie gefragt, ob wir mit der Raupe nicht weitermachen können.
Kurzai: Eines der wichtigsten Ergebnisse unserer Studie ist, dass sich auch die Eltern, die ihre Kinder in die Kitas bringen, und die Betreuerinnen und Betreuer, die dort arbeiten, mit regelmäßigen Tests besser fühlen. Wir haben viele Interviews geführt. Das Sicherheitsgefühl der Eltern und des Personals in den Kita-Gruppen, die regelmäßig getestet wurden, war größer. Dagegen haben die Ängste der Eltern, deren Kinder wir nur bei Symptomen getestet haben, zugenommen.
Kurzai: Wir haben in unserer Studie nur die Rahmenbedingungen für sinnvolle Kita-Tests erstellt. Etwa dass mindestens 50 Prozent aller Kinder einer Kita getestet werden sollten. Und dass die Tests mindestens zwei Mal pro Woche und davon einmal am Wochenanfang stattfinden sollten. Doch das sind Minimalanforderungen. Je mehr Kinder teilnehmen, desto besser. Das Ziel der Staatsregierung, möglichst alle Kinder kontinuierlich zu testen, ist sehr sinnvoll.
Kurzai: Ergebnis unserer Studie ist, dass es Sinn macht, für jede Kita individuell ein Konzept zu erstellen. Es mag eine Kita geben, die direkt neben einem Großlabor liegt. Sie kann ihre Lollitests über die Straße tragen. Das Labor testet sie und am selben Tag gibt es die Ergebnisse. Dann ist der PCR-Lollitest die beste Methode. Wenn aber das nächste Labor zwei Autostunden entfernt ist, ist der Antigen-Schnelltest die bessere Variante. Er ist zwar nicht so aussagekräftig, aber das Ergebnis ist schneller.
Liese: Zum jetzigen Zeitpunkt der Pandemie, und das gilt vor allem für diese nächsten Wintermonate, sind diese Testungen sinnvoll. So können wir Infektionsfeuer rechtzeitig löschen und die Kita-Betreuung kann weiterlaufen. Momentan wollen wir in allen Altersgruppen unserer Gesellschaft verhindern, dass Corona-Ausbrüche unser Gesundheitssystem überlasten. Wir werden aber irgendwann von der Pandemie in eine Endemie kommen. In dem Moment, in dem sich das Virus erst einmal als Erkältungsvirus etabliert hat, werden wir auch die intensiven Testkonzepte nicht mehr brauchen.