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Würzburg
Omikron: Was ist das Fazit der großen Corona-Studie in Würzburger Kitas jetzt wert?
Würzburger Forscher haben 600 Kita-Kinder über Monate regelmäßig auf das Coronavirus getestet. Jetzt gibt es Ergebnisse. Sind sie angesichts der Omikron-Variante überholt?
Auf dem Foto aus dem Jahr 2020 bekommt der dreijährige Tom nach einem erfolgreichen Nasenabstrich im Kinderhaus Schatzinsel in Würzburg-Rottenbauer einen Belohnungsstempel in sein Raupenheft.
Foto: Archivbild Patty Varasano | Auf dem Foto aus dem Jahr 2020 bekommt der dreijährige Tom nach einem erfolgreichen Nasenabstrich im Kinderhaus Schatzinsel in Würzburg-Rottenbauer einen Belohnungsstempel in sein Raupenheft.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:03 Uhr

Die große Würzburger Kindergarten-Studie mit dem Titel "Wü-Kita-CoV", eine der umfangreichsten  Corona-Untersuchungen in Kitas in Deutschland, ist abgeschlossen. Die Stadt Würzburg, die Universität und das Uniklinikum hatten das Projekt initiiert, um herauszufinden, wie regelmäßige Corona-Tests in Kindertagesstätten durchgeführt werden können und wie sich diese auf Kinder, Eltern und Kita-Personal auswirken.

Fast 600 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren aus neun Würzburger Kindertageseinrichtungen sowie ihre Betreuerinnen und Betreuer waren von September 2020 bis März 2021 sowie von Mai bis Juli 2021 regelmäßig auf das Coronavirus getestet worden, teils mehrmals pro Woche. Nun sind die wissenschaftlichen Ergebnisse der ersten Studienphase veröffentlicht. Das Fazit der Forscherinnen und Forscher: Regelmäßige Coronatests ermöglichen auch während der Pandemie einen sicheren Kitabetrieb.

Doch sind die Erkenntnisse durch die Delta-Variante des Coronavirus schon längst überholt? Und was sind die Ergebnisse angesichts der drohenden Omikron-Welle noch wert? Antworten geben die beiden Studienleiter, Prof. Johannes Liese, Leiter der pädiatrischen Infektiologie der Unikinderklinik, sowie Mikrobiologe Prof. Oliver Kurzai von der Universität Würzburg.

Frage: Hat sich der Test-Marathon in Würzburg gelohnt?

Prof. Johannes Liese: Ja, er hat sich gelohnt. Wir konnten zeigen, dass während der Studie von September 2020 bis März 2021 mit den regelmäßigen Testungen kaum eine Infektion in den Kitas nachgewiesen wurde. Wir konnten die Befürchtung ausräumen, dass Kinder und Kitas eine Quelle für die Weiterverbreitung dieses gefährlichen Virus sind. Kita-Betreuung kann auch in einer Pandemie sicher sein.

Sie sprechen von der zweiten Corona-Welle, als in zwölf Wochen mit 5000 Tests nur zwei Covid-19-Infektionen bei Kindern nachgewiesen wurden. Jetzt ist nach der vierten Welle mit Omikron eine noch ansteckendere Variante auf dem Vormarsch. Nach einem Corona-Ausbruch in einem Kindergarten in Margetshöchheim kurz vor Weihnachten hat das Gesundheitsamt Würzburg mittlerweile 76 Covid-19-Infektionen in der Gemeinde dokumentiert. Ist das Ergebnis Ihrer Studie überhaupt noch aktuell?

Liese: Es ist das Ergebnis für den damaligen Virustyp. Für die Delta- und die Omikron-Variante müssen wir davon ausgehen, dass sich die Situation entscheidend verändert. Das Virus, das vorwiegend unter Erwachsenen zirkulierte, wird sich jetzt bei Kindern zunehmend verbreiten. Würden wir die Studie heute noch einmal durchführen, würden wir vermutlich viel mehr Infektionen nachweisen. Doch das heißt auch: Gerade jetzt wird unser Konzept der regelmäßigen Testungen über einen längeren Zeitraum umso wichtiger. So können wir den Kita-Betrieb weiter ermöglichen, Infizierte rechtzeitig entdecken und beginnende Infektionsfeuer löschen, solange wir sie noch löschen können. 

Prof. Dr. med. Johannes G. Liese leitet den Bereich pädiatrische Infektiologie und Immunologie an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Würzburg.
Foto: Thomas Obermeier | Prof. Dr. med. Johannes G. Liese leitet den Bereich pädiatrische Infektiologie und Immunologie an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Würzburg.

Prof. Oliver Kurzai: Die Rahmenbedingungen, etwa dass sich nun das Virus in der Altersgruppe der Kinder stärker verbreitet, haben sich verändert. Aber dass die Erstinfektion meist außerhalb der Kita stattfindet und dass wir mit regelmäßigen Tests verhindern können, dass es zu einer Ausbreitung in der Kita kommt - das wird sich auch für die Omikron-Variante nicht ändern.

Die Kinder wurden wochenlang teils mehrmals pro Woche getestet. Wie müssen die Tests aussehen, damit Kinder, Eltern und Kita-Personal diesen Test-Marathon über sich ergehen lassen?

Kurzai: Das Wichtigste ist: Je kürzer der Test dauert, je besser er sich in den Tagesablauf integriert und je weniger unangenehm er von den Kindern empfunden wird, desto besser. Mundspülwasser zu entnehmen oder ein Lolli-Test, bei dem das Kind an einem Stäbchen lutscht, wird als weniger unangenehm empfunden als ein Rachen- oder Nasenabstrich.

Liese: Wichtig für die Kinder ist auch die Routine, das kontinuierliche Testen an bestimmten Tagen pro Woche. Viele kannten den "Abstrichtag" und haben mit großem Engagement mitgemacht.

In Ihrer Studie haben auch Psychologinnen und Psychologen die Auswirkungen der Tests auf die Kinder untersucht. Wie fühlen sich Zwei- bis Sechsjährige, wenn sie so oft getestet werden? 

Liese: Dass wir in einer Pandemie leben, dass Eltern Ängste haben, dass Kitas geschlossen werden - all das bekommen Kinder natürlich mit. Viele verstehen auch, dass sie durch die regelmäßigen Tests ihren Beitrag leisten können, dass die Kita offen bleibt und dass sie dann das Virus nicht unbemerkt in die Familie zum Beispiel zu Oma und Opa weitertragen. Bei unserer Studie gab es für die Kinder ein kleines Raupenheft. Nach jedem Test gab es einen Stempel, die Raupe wurde größer. Viele Kinder haben am Ende der Studie gefragt, ob wir mit der Raupe nicht weitermachen können.

Und wie verkraften die Eltern das ständige Testen ihrer Kinder?

Kurzai: Eines der wichtigsten Ergebnisse unserer Studie ist, dass sich auch die Eltern, die ihre Kinder in die Kitas bringen, und die Betreuerinnen und Betreuer, die dort arbeiten, mit regelmäßigen Tests besser fühlen. Wir haben viele Interviews geführt. Das Sicherheitsgefühl der Eltern und des Personals in den Kita-Gruppen, die regelmäßig getestet wurden, war größer. Dagegen haben die Ängste der Eltern, deren Kinder wir nur bei Symptomen getestet haben, zugenommen.

Prof. Oliver Kurzai, Vorstand des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie an der Universität Würzburg.
Foto: Daniel Peter | Prof. Oliver Kurzai, Vorstand des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie an der Universität Würzburg.
Sie haben einen Handlungsleitfaden für Kita-Tests erarbeitet. Doch das Bayerische Sozialministerium hat jetzt entschieden, dass in allen Kitas Eltern ab nächster Woche drei Mal wöchentlich ihre Kinder einem Antigen-Schnelltest unterziehen lassen müssen. Was halten Sie davon?

Kurzai: Wir haben in unserer Studie nur die Rahmenbedingungen für sinnvolle Kita-Tests erstellt. Etwa dass mindestens 50 Prozent aller Kinder einer Kita getestet werden sollten. Und dass die Tests mindestens zwei Mal pro Woche und davon einmal am Wochenanfang stattfinden sollten. Doch das sind Minimalanforderungen. Je mehr Kinder teilnehmen, desto besser. Das Ziel der Staatsregierung, möglichst alle Kinder kontinuierlich zu testen, ist sehr sinnvoll.

Und wie sinnvoll sind die nun beschlossenen Antigen-Schnelltests?

Kurzai: Ergebnis unserer Studie ist, dass es Sinn macht, für jede Kita individuell ein Konzept zu erstellen. Es mag eine Kita geben, die direkt neben einem Großlabor liegt. Sie kann ihre Lollitests über die Straße tragen. Das Labor testet sie und am selben Tag gibt es die Ergebnisse. Dann ist der PCR-Lollitest die beste Methode. Wenn aber das nächste Labor zwei Autostunden entfernt ist, ist der Antigen-Schnelltest die bessere Variante. Er ist zwar nicht so aussagekräftig, aber das Ergebnis ist schneller.

Wie soll es weitergehen? Wir können doch nicht die jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft Tag für Tag und Woche für Woche testen, oder?

Liese: Zum jetzigen Zeitpunkt der Pandemie, und das gilt vor allem für diese nächsten Wintermonate, sind diese Testungen sinnvoll. So können wir Infektionsfeuer rechtzeitig löschen und die Kita-Betreuung kann weiterlaufen. Momentan wollen wir in allen Altersgruppen unserer Gesellschaft verhindern, dass Corona-Ausbrüche unser Gesundheitssystem überlasten. Wir werden aber irgendwann von der Pandemie in eine Endemie kommen. In dem Moment, in dem sich das Virus erst einmal als Erkältungsvirus etabliert hat, werden wir auch die intensiven Testkonzepte nicht mehr brauchen.

Die  Würzburger Corona-Kindergartenstudie Wü-KiTa-CoV

Finanziert wurde die Studie mit mehr als einer Million Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Forschungsnetzwerks InfectControl. Die Modellierung wurde vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Bayern teilfinanziert. In der täglichen Arbeit wurde das interdisziplinäre Studienteam von der Stadt Würzburg unterstützt.
Die Ergebnisse der Studie Wü-KiTa-CoV sind jetzt in der Fachzeitschrift JAMA Network Open veröffentlicht worden. Auf Basis der Studiendaten hat das Studienteam einen konkreten Handlungsleitfaden für Kitas entwickelt, der über die Homepage der Studie (www.med.uni-wuerzburg.de/wuekitacov/startseite) frei verfügbar ist: https://go.uniwue.de/ueitaov.
Quelle: akl
 
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