
Laptop, Smartphone, Digi-Cam und ein um den Hals gehängter USB-Stick – mit dieser Ausrüstung trifft Peter Honecker beim AWO-Internetcafé für Senioren in Ochsenfurt ein. Zweimal wöchentlich bieten er und zwei weitere Trainer in den Kellerräumen des Bürgerhauses „Rote Schule“ Informationen und Hilfe rund ums Thema Internet: dienstags in einer offenen Fragerunde, donnerstags mit Vorträgen zu wechselnden Themen.

Der Raum mit einem langen Tisch in der Mitte ist mit einem guten Dutzend Besuchern gefüllt. Jährlich kommen laut Honecker rund 700 Menschen aus dem Umkreis von bis zu 35 Kilometern um Ochsenfurt zum Internetcafé; seit dem Start des Projekts im Jahr 2001 wurden mehr als 11 000 Besucher gezählt. Dass das Internetcafé, das auch für Nicht-Mitglieder der AWO offen ist, stetig gewachsen ist, seit nunmehr 18 Jahren besteht und bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde, liegt nicht zuletzt an der Person Honeckers, der das Projekt ins Leben gerufen hat. Der 68-Jährige mit den schneeweißen Haaren, Lachfalten um die Augen und wachem Blick gilt unter den Anwesenden als eine Art Instanz – ein Fachmann, dem man vertraut, und dessen Art, Wissen zu vermitteln, man schätzt.
Skeptiker stellten die Finanzierungsfrage
„Wenn Ihr Euch ein Smartphone kauft, fragt Euch beim Einrichten, welche Apps Ihr überhaupt braucht“, ruft Honecker in die Runde, „zum Beispiel die Apotheken-App!“ Die Anwesenden lachen; dann wendet sich der 68-Jährige den einzelnen Besuchern zu. Wenn sich Bilder partout nicht ins digitale Fotobuch ziehen lassen wollen, oder der Link zum Aktualisieren einer Software zum wiederholten Male nicht funktioniert, ist so manch einer kurz davor, aufzugeben. Peter Honecker sieht, wo er gebraucht wird, hört sich ruhig an, was den Teilnehmer beschäftigt, und lässt so lange nicht locker, bis das Problem gelöst ist.
Auf die Frage „Ist Geduld Ihre Stärke?“, lächelt der 68-Jährige. Er überlegt kurz, dann sagt er: „Nicht immer.“ Man brauche Geduld, um die Leute zu erreichen. „Wenn man verkürzt, macht man oft vieles falsch.“ Eine „entschleunigte Sprache“ sei es, was das Internetcafé für viele attraktiv mache: „Unsere Besucher sind in der Regel zwischen 65 und 80 Jahre alt – da vergisst man viel“, sagt Honecker. Heißt: Das Wissen, das er an einem Nachmittag mit Engelsgeduld vermittelt hat, kann bis zum nächsten Treffen längst wieder weg sein. Bei Peter Honecker trauen sich die Senioren, nachzufragen – bei Bedarf auch immer wieder.
Geboren wurde das Internetcafé aus dem Wunsch, älteren AWO-Mitglieder etwas bieten zu wollen, die ein Angebot jenseits von Liederkreis und gemeinsamen Feiern suchten. „Es gab auch Skeptiker, die fragten, wie ich das Ganze finanzieren wolle“, erinnert sich Honecker. Doch die örtlichen Unternehmen zeigten sich vom Konzept angetan und stellten sich als Sponsoren zur Verfügung, so dass das Projekt im März 2001 mit fünfeinhalb Tausend Mark an den Start gehen konnte. Von dem Geld wurden Möbel, PCs, Drucker und Scanner angeschafft.
Das Inventar von damals gibt es noch – die Inhalte, die im Internetcafé vermittelt werden, haben sich dagegen enorm gewandelt. In den Anfangsjahren wollten die Mitglieder vor allem wissen, was man mit einem PC machen und wie man ihn kreativ nutzen kann. „Das Internet hat noch kaum eine Rolle gespielt – die Einwahl über ISDN war ja ein mühsames Geschäft“, lacht Honecker. „Dafür haben wir Glückwunschkarten in Word gestaltet und E-Mail-Accounts eingerichtet.“ Auch die Hilfe vor Ort – heute eine Ausnahme –, spielte zu Beginn noch eine Rolle. „Bei manchen haben wir sogar gestiftete PCs vorbeigebracht und eingerichtet."
Das Tablet ist immer dabei

Ein eigenes Gerät hatte früher keiner der Besucher dabei, „heute bringen 15 von 20 Leuten ihr Smartphone mit“, sagt Honecker. Nun gehe es zum Beispiel oft darum, wie man Fotos und Videos vom Smartphone herunterlädt und bearbeitet. Beim Blick in die Runde wird klar, wie sehr Smartphone und Co. im Alltag von Senioren angekommen sind: Eine 82-Jährige ist mit ihrem Tablet da – sie braucht ein Update für den Instant-Messaging-Dienst Skype und hat eine Frage zum Aktualisierungslink, der ihr per Mail geschickt wurde. „Ich nehme mein Tablet überall hin mit“, sagt die zierliche Frau mit dem modernen Kurzhaarschnitt. Sei es zur Kommunikation mit den Kindern und Enkeln, zum Spielen von Online-Games oder zum Übersetzen einzelner Worte, die sie braucht, um einer syrischen Familie zu helfen.
Neben ihr auf der Eckbank sitzt Lilo Oppel. Die 62-Jährige fotografiert viel und nutzt ihren Laptop vor allem für ihre Aufnahmen. „Wenn man den Umgang mit PC und Internet nicht über den Beruf lernt, ist man wie abgeschnitten“, sagt sie. Das Internetcafé ist für sie zum regelmäßigen Anlaufpunkt geworden. Eine andere Frau will an ihrem Laptop ein Fotobuch erstellen und kämpft mit zu großen Bilddateien. „Ich komme sporadisch hierher“, sagt die 77-Jährige. „Immer wenn’s brennt.“
„Anders als bei einem Kurs, der nach gewissen Standards abläuft, gehen wir individuell auf die Leute und ihre Fragen ein“, sagt Gerhard Grieb, der bereits seit 17 Jahren als Trainer im Ochsenfurter Internetcafé aktiv ist. Das Angebot ist kostenlos, die Trainer wie Peter Honecker, Franz Bovery und Gerhard Grieb arbeiten ehrenamtlich. Wer möchte, kann etwas Geld in das Sparschwein stecken, das auf dem Tisch steht.
Dass das Internetcafé für Senioren so gut angenommen wird, freut Peter Honecker. „Die Leute scheinen damit zurechtzukommen, wie ich etwas vermittle“, sagt er. „Ich hinterfrage mich immer wieder: Verwende ich zu viele Fachbegriffe – verstehen die Besucher, was ein Download ist?“ Um Rat zu Technik- und Internetfragen wird der gebürtige Giebelstädter, der seit 49 Jahren in Ochsenfurt wohnt und dort 27 Jahre lang Mitglied des Stadtrats war, auch von vielen Menschen gebeten, die mit dem Internetcafé nichts zu tun haben. „Die Trefferquote, dass ich weiterhelfen kann, liegt bei über 90 Prozent“, sagt Honecker und lacht.
Sein umfangreiches Wissen hat sich der gelernte Fernmeldetechniker selbst angeeignet. „Ich bin neugierig“, sagt er. „Ich weiß, wie Programme funktionieren und brauche mir nichts aufzuschreiben – als Techniker tut man sich bei solchen Themen leicht.“ Doch wird einem so viel ehrenamtliches Engagement nicht auch einmal zuviel? Er habe in seiner Familie von früher Kindheit an vorgelebt bekommen, dass Hilfsbereitschaft etwas Wichtiges und Wertvolles sei, sagt Honecker. Und seine Hilfsbereitschaft zieht Kreise, auch andere bieten ihre Dienste an, um das Internetcafé mit Leben zu füllen: Fahrdienste für ältere Mitglieder, einen Kuchen backen – jeder kann sich einbringen. „Es ist schön zu sehen, wie sich selbständig Netzwerke bilden“, so Honecker.
Für den Wahl-Ochsenfurter ist es das größte Lob, „wenn Menschen immer wieder kommen“. Und wenn die Tochter bei technischen Fragen zum Enkelkind sagt: „Ich glaub‘, wir rufen den Opa an.“